Viki Schnaderbeck
"Haben die Wahrnehmung des Frauenfußballs verändert"

 Im Gespräch mit MeinBezirk spricht Viktoria Schnaderbeck über ihre aktive Karriere, Vorurteile und Verletzungen, die aktuellen Entwicklungen im Frauenfußball und ihre Sportmarketingagentur "Pro-Spective". | Foto: EVA MANHART / APA / picturedesk.com
5Bilder
  • Im Gespräch mit MeinBezirk spricht Viktoria Schnaderbeck über ihre aktive Karriere, Vorurteile und Verletzungen, die aktuellen Entwicklungen im Frauenfußball und ihre Sportmarketingagentur "Pro-Spective".
  • Foto: EVA MANHART / APA / picturedesk.com
  • hochgeladen von Maximilian Karner

Viktoria Schnaderbeck gilt als eines der bekanntesten Gesichter des österreichischen Frauenfußballs. Insgesamt 83 Länderspiele bestritt die Steirerin für das Nationalteam, fungierte neun Jahre lang als Kapitänin und führte das Team bei den erfolgreichen Europameisterschaftsendrunden 2017 und 2022 aufs Feld. Im Gespräch mit MeinBezirk spricht die 33-Jährige über ihre aktive Karriere, Vorurteile und Verletzungen, die aktuellen Entwicklungen im Frauenfußball und ihre Sportmarketingagentur "Pro-Spective".

ÖSTERREICH. Im August 2022 endete für das österreichische Frauen-Nationalteam eine Ära, als die damalige Kapitänin Viktoria Schnaderbeck das Ende ihrer aktiven Karriere bekannt gab. Die Steirerin, die während ihrer Karriere für die Top-Klubs FC Bayern München, FC Arsenal und Tottenham kickte, zählte bis dahin zu den Aushängeschildern des rot-weiß-roten Teams, das bei der Europameisterschaft 2017 bis ins Halbfinale stürmte und der Wahrnehmung des Frauenfußballs einen entscheidenden Schub verpasste.

Du hast mit sieben Jahren mit dem Fußball begonnen. Warum hast du dir genau diesen Sport ausgesucht? Wie hast du zu deiner Leidenschaft gefunden?
Viktoria Schnaderbeck: Fußball war die Sache, für die ich relativ schnell die größte Leidenschaft entwickelt habe. Ich war einmal – das habe ich letztens erst meiner Frau erzählt – im Schulchor, das hat mir aber überhaupt nicht gefallen. Auch beim Ballett und Schwimmen hatte ich keinen Spaß. Aber dann kam der Fußball und das hat wirklich voll eingeschlagen – das war wie die erste große Liebe. Dort hatte ich meinen Spaß und auch meine Freunde. Ich glaube, einer der wesentlichen Faktoren war, dass ich den Sport nicht allein, sondern in einem sozialen Umfeld ausleben konnte. Viele Kinder aus meiner Klasse waren regelmäßig am Fußballplatz und haben mich dorthin mitgenommen. Obwohl fast nur Burschen dort gespielt haben, war die Barriere für mich dadurch ganz gering. So ist die Leidenschaft zum Fußball entstanden, wobei ich auch aus einer Fußballfamilie komme. Wir waren davor schon oft am Fußballplatz, meinem Papa zuschauen.

Du warst damals in Kirchberg an der Raab das einzige Mädchen am Fußballplatz. Musstest du dich gegen die Burschen speziell beweisen? Bist du zu Beginn deiner Karriere häufig mit Vorurteilen bzw. dem Klischee "Fußball ist Männersport" konfrontiert worden?
Fast immer. Es gab genug Burschen, die vor den Spielen blöde Kommentare abgegeben, mit dem Finger gezeigt, oder mich ausgelacht haben. Ich glaube schon, dass ich immer ein dickes Fell besessen habe, aber als Mädchen bist du auch nur ein Kind: Du möchtest dazugehören und weder in die eine noch in die andere Richtung herausstechen. Das war manchmal nicht so einfach, aber ich wollte immer mit Qualität das Gegenteil beweisen. Neben den Kindern gab es aber auch oft Eltern, die blöde Kommentare hinterlassen haben. Das hat mich sogar noch mehr verletzt, weil ich damals schon verstanden habe, dass von den Eltern natürlich auch vieles ausgeht, und Kinder das nachahmen, was sie vorgezeigt bekommen. Das hat mich manchmal wirklich verletzt, wenn ein Vater die Burschen mit einem blöden Spruch motivieren wollte und hineingerufen hat: "Schneidet das Mädel jetzt um!" (lacht). Jetzt kann ich darüber lachen, aber damals war das weniger lustig.

Wie bist du mit solchen Kommentaren und Vorurteilen umgegangen? Hast du damit allein klarkommen müssen oder gab es auch Unterstützung von deinem Verein bzw. deinen Teammitgliedern?
Sowohl als auch. Ich hatte Leute um mich herum, die immer hinter mir gestanden sind. Egal, ob es meine Eltern waren, mein Bruder, der mit mir gespielt hat, oder auch meine Teamkollegen, die mich da immer, ich würde fast schon sagen, beschützt haben oder zumindest hinter mir gestanden sind. Das hat mir schon geholfen, aber im Endeffekt musst du damit alleine klarkommen, weil dir manchmal keiner diesen Schmerz oder die Gefühle abnehmen kann, die du empfindest, wenn du diskriminiert oder mit Vorurteilen und Zweiflern konfrontiert wirst. Deswegen habe ich schon sehr früh diese Einstellung gehabt: Lass die Leute reden und zeig ihnen, dass es anders ist. Solche Menschen vom Gegenteil zu beweisen, hat mich schon immer sehr gereizt. Wenn dann Burschen vorher irgendwelche blöden Sprüche geklopft haben, ich sie dann ausgedribbelt oder gegen sie Tore geschossen habe und sie plötzlich still waren oder vielleicht sogar geweint haben, war das natürlich eine Genugtuung hoch zehn.

"Fußball war die Sache, für die ich relativ schnell die größte Leidenschaft entwickelt habe", so Schnaderbeck. | Foto: ÖFB / Christopher Glanzl
  • "Fußball war die Sache, für die ich relativ schnell die größte Leidenschaft entwickelt habe", so Schnaderbeck.
  • Foto: ÖFB / Christopher Glanzl
  • hochgeladen von Maximilian Karner

Du hast im Alter von 16 Jahren die Steiermark verlassen und dich initiativ beim FC Bayern München für ein Probetraining beworben. Das war rückblickend keine schlechte Entscheidung, aber wie schwer ist dir damals diese Entscheidung, das vertraute Umfeld zu verlassen und den Schritt ins Ausland zu wagen, gefallen?
Das war schon sehr schwer. Ich war immer schon sehr heimat- und familienverbunden. Als ich nach München gekommen bin, habe ich wirklich Heimweh gehabt, weil so viel neu und anders war und ich mich allein gefühlt habe. Das Schulsystem, die Stadt und das Umfeld waren neu und ich habe dort noch keine Freunde oder meine Familie gehabt. Ich bin gemeinsam mit Carina Wenninger und ihrem Papa nach München gegangen – das war eine riesige Erleichterung, aber im Endeffekt hat trotzdem das Heimweh überwogen. Ich war damals ein junges Mädchen – fast noch ein Kind – und habe dann erst mal in der Welt ankommen müssen. Ich musste lernen, selbstständig zu leben, mit Geld umzugehen oder selbst zu kochen und zu putzen. Mir wurde da zwar viel Unterstützung von Carinas Papa entgegengebracht, aber ich musste trotzdem früh auf eigenen Beinen stehen. Und dann habe ich mich sehr früh verletzt – da muss ich rückblickend sagen: Das war ein kleiner Weltzusammenbruch.

Genau darauf wollte ich als Nächstes hinaus. Du hast dir zunächst deinen großen Traum erfüllt und dann verletzt du dich bei deinem Debüt für den FC Bayern schwer. Auf deiner Webseite hast du dazu geschrieben, dass dein Arzt damals gemeint hat: "Frau Schnaderbeck, das mit dem Profifußball wird nichts mehr für Sie!". Was lösen solche Worte in einer so jungen Sportlerin aus, die gerade erst beginnt, ihren Traum zu leben? Wie schafft man es, in so einer Situation nicht ein Loch zu fallen oder zumindest nicht in ein so tiefes, dass man daraus nicht wieder hinauskommt?
Wieder hinauszukommen, ist der springende Punkt. Ich bin in ein Loch gefallen. Mir wurde der Boden unter den Füßen weggerissen, weil ich zu dem Zeitpunkt nicht einmal das Ausmaß der Verletzung verstanden habe. Einen Bänderriss und gewisse Muskelgeschichten kannte ich, aber nicht Kreuzband, Innenband, Außenband, Meniskus – es war einfach alles kaputt. Und wenn dir dann auch noch dein Arzt sagt, dass es das mit dem Profifußball war … Das war wie ein Messerstich. Ich hatte in dem Moment das Gefühl, dass all das, wofür ich so viel geopfert und gekämpft habe, von einer Sekunde auf die andere dahin ist. Das war damals eine sehr schwierige Phase, aber Gott sei Dank hatte er mit seiner Einschätzung nicht recht und ich konnte mich nicht nur dieses, sondern auch andere Male wieder zurückkämpfen.

Hast du von deinem Verein zu dieser Zeit viel Unterstützung bekommen?
Um ganz ehrlich zu sein, wäre es falsch, von "viel" zu sprechen. Ich habe natürlich Mitspielerinnen gehabt, die mir damals einen Brief geschrieben haben und mich besuchen gekommen sind. Das habe ich schon in Erinnerung behalten und hat mir als junges Mädel viel bedeutet. Aber es gab damals kein Reha-Zentrum beim Verein. Sie haben gerade einmal die Therapiekosten übernommen, weil ich keinen Arbeitsvertrag hatte und damit auch nicht versichert war. Das galt als normaler Freizeitunfall und so wurde ich auch behandelt. Ich habe dann aber wirklich das große Glück gehabt, dass ich in eine Reha gekommen bin, die mich nicht nur während dieser Verletzung, sondern auch danach begleitet hat. Dafür bin ich sehr dankbar, weil ich dort nicht nur die Hoffnung, sondern auch die Motivation wiederfinden konnte. Das war eine Reha, die mit ganz vielen Profisportlern und auch Fußballern zusammengearbeitet hat. Ich habe damals gesehen, dass es auch Sportler mit schweren Langzeitverletzungen gibt, die es schaffen, sich zurückzukämpfen. Ich bin dort aufgefangen worden und – das klingt vielleicht blöd – auch gerne in die Reha gegangen, weil ich mich sicher und unter Gleichgesinnten gefühlt habe. Das war ein wichtiger Faktor damals.

Das sollte leider nicht die einzige schwere Verletzung in deiner Karriere bleiben. Wie hast du es mental geschafft, solche wiederkehrenden Rückschläge zu überwinden? Welche persönlichen Eigenschaften haben dir geholfen, dich immer wieder zurückzukämpfen?
Meine Willensstärke hat mir enorm geholfen. Man schafft es, sich ein, zweimal zurückzukämpfen, aber nach dem dritten, vierten oder fünften Mal wird es so mühsam und zäh, sodass man natürlich ganz viel Durchhaltevermögen und diesen eisernen Willen braucht. Auch der Glaube und ein Ziel, wofür man das Ganze macht, darf nicht fehlen. Es wäre gelogen, wenn ich jetzt behaupten würde, dass ich mir nie die Frage gestellt habe: "Warum höre ich nicht einfach auf?". Diesen Gedanken hat es oft gegeben, aber ich habe für mich immer wieder einen Grund gefunden, weiterzumachen und zurückzukommen. Ich glaube, ein wichtiger Faktor war dabei auch, dass ich nach jeder Verletzung mit Erfolgen belohnt wurde. Bis zum Schluss hat es immer wieder diese Karriere-Höhepunkte nach einem Tiefpunkt gegeben. Zuletzt dann auch bei der Europameisterschaft 2022.

Als letzter Höhepunkt in ihrer Karriere erfüllte sich Schnaderbeck den Traum an der Europameisterschaft 2022 teilzunehmen.  | Foto: ÖFB / Christopher Glanzl
  • Als letzter Höhepunkt in ihrer Karriere erfüllte sich Schnaderbeck den Traum an der Europameisterschaft 2022 teilzunehmen.
  • Foto: ÖFB / Christopher Glanzl
  • hochgeladen von Maximilian Karner

Wenn es dann doch wieder zu einer Verletzung kommt, hilft einem diese Erfahrung und das Wissen darüber, dass man sich schon einmal zurückgekämpft hat? Kann man solche Erinnerungen heranziehen und sich damit selbst motivieren?
Ja und Nein. Es wird immer zäher und es ist nicht so, dass vorige Verletzungen dir mehr Mut machen würden, aber ich habe dadurch schon ein gewisses Grundvertrauen in mir entwickelt. Ich habe gelernt, dass ich es schaffen kann, wenn ich hart dafür arbeite und mein Bestes gebe, aber mit jeder Verletzung ist es körperlich und mental schwieriger geworden. Das Vertrauen hat mir da zwar geholfen, aber im Endeffekt war die Realität dann doch unheimlich mühsam, weil meine Batterien schon so leer waren und immer mehr Hürden oder Rückschläge innerhalb einer Verletzung dazu kamen. 

Schlussendlich kann man trotz der vielen Verletzungen von einer mehr als erfolgreichen Karriere reden. Du hast in deiner Vita mit Bayern München, Arsenal und Tottenham wirklich namhafte Klubs stehen, bist unter anderem DFB-Pokalsiegerin, zweimalige deutsche Meisterin und englische Meisterin. Wenn du jetzt zurückblickst, gibt es für dich persönlich im Vereinsfußball den Karrierehöhepunkt schlechthin?
Ich glaube, meine persönliche sportliche Hochphase war die Phase rund um die zwei Deutschen Meisterschaften. Da habe ich mich persönlich und sportlich enorm entwickelt und sicher zu den Führungsspielerinnen in einer Top-Mannschaft gezählt. Damals habe ich auch gemerkt, zu welchen Leistungen ich eigentlich fähig bin, wenn ich nicht jedes Jahr von einer Verletzung zurückgeworfen werde.

Gerade für Österreich und den heimischen Frauenfußball waren natürlich die beiden Europameisterschaften, an denen du teilgenommen hast, bedeutend. Besonders die EM 2017 und der dortige Einzug ins Halbfinale haben hierzulande viel ausgelöst und den Frauenfußball weitergebracht. Die Nationalmannschaft und du, in der besonderen Rolle als Kapitänin, habt den Sport in Österreich entscheidend mitgeprägt und groß gemacht. Wie stolz blickst du nach deiner Karriere auf diese Leistung zurück?
Ich bin auf jeden Fall sehr stolz darauf, aber will da bewusst auch die ganze Mannschaft hervorheben. Ich habe zwar die Binde getragen und war vielleicht auch das Sprachrohr, aber es gab in diesem Team ganz viele Pionierinnen – und durchaus auch schon davor – die dafür gekämpft haben; die für Null Euro gespielt und mit einem Verlustgeschäft hinausgegangen sind; die harte Wege zurückgelegt haben; sehr früh ins Ausland gegangen sind und das alles selbst organisieren und finanzieren mussten.
Die 17er-EM war ein Sommermärchen. So wird sie uns, die dort dabei waren, und vielen anderen immer in Erinnerung bleiben. Aber das Sportliche ist ja nur das eine, das andere ist das Gesellschaftspolitische. Das ist für mich mindestens genauso groß, weil die EM die Wahrnehmung des Frauenfußballs verändert und für Mädchen viel bewegt hat. Das ist sehr viel nachhaltiger als ein kurzfristiger sportlicher Erfolg.

Wie schätzt du denn die aktuellen Entwicklungen im Frauenfußball ein? Was ist seit eurem Erfolg bei der EM 2017 gut vorangegangen und woran mangelt es gerade im Vergleich zu den Männern noch im Frauenfußball?
Es gibt mittlerweile Länder, die sowohl im Vereinsfußball als auch im Nationalteam, wirklich top aufgestellt sind. Beispielsweise Spanien, England und Deutschland. Aber dann gibt es auch Länder wie Österreich, wo man zwischen Nationalteam und Liga unterscheiden muss. Aus meiner Sicht haben wir ein Nationalteam, das seit 2017 wirklich am Limit und teilweise sogar darüber performt. Die konstanten Leistungen des Teams über die letzten Jahre sind keine Selbstverständlichkeit und waren vielleicht auch gar nicht so zu erwarten.
In der Liga ist die Entwicklung aber nicht in dieser rasanten Geschwindigkeit abgelaufen. Man hat zuletzt in gute personelle Ressourcen investiert wie Jasmin Eder, Lisa Makas, Carina Wenninger oder Katja Gürtler, um nur ein paar zu nennen, aber in gewissen Bereichen muss man in der Liga immer noch kämpfen. Die Richtung stimmt auf jeden Fall, nur ist das Tempo noch etwas langsamer als in anderen Ligen.

Siehst du speziell auch im Jugendbereich Verbesserungsbedarf? Müssen wir mehr Mädchen und junge Frauen für den Fußball begeistern oder geht das auch dank der Erfolge des Nationalteams in die richtige Richtung?
Aus meiner Sicht sind es immer noch zu wenige. Beim ÖFB sind circa 200.000 aktive Spielerinnen und Spieler gemeldet, aber nur 10.000 davon sind Mädchen. Das sind nur fünf Prozent – das ist einfach zu wenig und nicht repräsentativ für unsere Gesellschaft. Wir dürfen kein Verhältnis von 50 : 50 erwarten – genauso wenig bei der Bezahlung. Das wäre aus meiner Sicht zum jetzigen Zeitpunkt nicht angemessen, aber es muss einfach das Ziel sein, dass wir Barrieren aufbrechen, um mehr Mädchen für den Sport zu gewinnen und diese auch besser in die Vereine zu integrieren. Das gilt es, von oben nach unten und von unten nach oben zu realisieren – in Vereinen, Landes- und Nationalverbänden. Die UEFA setzt schon tolle Programme um, beispielsweise "Playmakers" (Anm.: ein europaweites Breitensport-Projekt, das in Kooperation mit Disney ins Leben gerufen wurde. Fünf- bis achtjährige Mädchen sollen über ein einzigartiges Spiel- und Trainingskonzept rund um die Storys bekannter Disney-Filme erstmals zum Fußball finden). Es gibt im Frauenfußball viele Menschen, die gute Arbeit leisten, aber schlussendlich fehlt es oft noch an den notwendigen Ressourcen. 

Kommen wir nochmals auf dich zu sprechen: Du warst bereits während deiner aktiven Karriere Keynote-Speakerin, hast einen Bachelorabschluss im Sportmanagement und einen Masterabschluss in Wirtschaftspsychologie. Du hast dir also schon früh Gedanken über die Karriere danach gemacht. Was war der Grund dafür? Müssen sich Fußballspielerinnen aufgrund der Bezahlung darüber mehr Gedanken machen als Männer?
Das hat sicher zwei Gründe gehabt. Einerseits habe ich gewusst, dass ich nach meiner Karriere nicht ausgesorgt haben werde, deswegen war es mir wichtig, eine Aus- und Weiterbildung zu machen. Wenn du aber mit 17 Jahren von deinem Arzt gesagt bekommst, dass man den Profisport abhaken kann, kommt erst einmal Panik auf. Da macht man sich Gedanken darüber, was passiert, wenn es wirklich schon vorbei sein sollte. Deswegen habe ich mir damals versprochen, dass ich immer einen Plan B bereit haben möchte und schon während meiner Zeit als Profisportlerin in die Karriere danach investieren werde.

Im Sommer 2022 war es dann so weit und du hast die Fußballschuhe an den Nagel gehängt. Rückblickend hast du oft gesagt, dass das die richtige Entscheidung und auch der richtige Zeitpunkt dafür war. Wie schwer ist dir der Schritt damals aber dennoch gefallen?
Eine solche Entscheidung trifft man nicht von heute auf morgen. Die ist in mir gereift, und letztendlich war es für mich schon in dem letzten halben Jahr vor der EURO sehr klar. Ich wusste, ich möchte noch mal zurückkommen und die EM spielen. Ich bin zu der Zeit auch bei Tottenham regelmäßig zum Einsatz gekommen und hätte dort meinen Vertrag verlängern und weitermachen können, aber das hat sich für mich einfach nicht mehr richtig angefühlt. Ich war körperlich dermaßen am Limit, weshalb die Entscheidung, die Karriere nach einem sportlichen Höhepunkt wie der EM zu beenden, Sinn gemacht hat. Aber es gab trotzdem viele Momente, wie mein letztes Spiel oder die Pressekonferenz, in der ich meine Entscheidung der Öffentlichkeit mitgeteilt habe, die nochmals hart waren und in denen mich die Emotionen eingeholt haben. Da sind schon ein paar Tränen geflossen. Aber das waren einfach Emotionen, da war keine Reue dabei. Ganz im Gegenteil: Ich bin mir mit dem Entschluss immer sehr sicher gewesen – auch heute noch. Im Laufe meiner Karriere habe ich gelernt, Entscheidungen klar zu treffen und auch dahinterzustehen.

Im August gab die langjährige Kapitänin des österreichischen Frauen-Nationalteams das Ende ihrer aktiven Karriere bekannt.  | Foto: ÖFB | Patrick Vranovsky
  • Im August gab die langjährige Kapitänin des österreichischen Frauen-Nationalteams das Ende ihrer aktiven Karriere bekannt.
  • Foto: ÖFB | Patrick Vranovsky
  • hochgeladen von Maximilian Karner

Du hast nach deinem Karriereende im März 2023 das Unternehmen "Pro-Spective" gegründet und aufgebaut. Worum handelt es sich dabei und wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Pro-Spective ist eine Sportmarketingagentur mit zwei Schwerpunkten. Einerseits geht es dabei um die Vermarktung von Sportlerinnen und Sportlern – um Partner, Sponsoren, Medien und auch Charity –, anderseits geht es aber auch um die Beratung im Hinblick auf die Karriere danach, vor allem um Brand Building.
Mein Arbeitsalltag ist sehr intensiv. Daher habe ich mittlerweile auch einen Mitarbeiter, Almir Dzaferovic, der mich operativ sehr entlastet. Er macht fast alles, was die Athletenvermarktung betrifft, und ich kümmere mich um die persönliche Beratung der Athletinnen und Athleten.

Pro-Spective gibt es jetzt schon seit über einem Jahr und du hast in der Zwischenzeit unter anderem die österreichischen Teamgoalies, Manuela Zinsberger und Alexander Schlager, die Inter-Mailand-Spielerin Lina Magull, aber auch den Rollstuhltennisspieler Nico Langman und die Eisschnellläuferin Vanessa Herzog unter Vertrag. Bist du zufrieden damit, wie sich dein Unternehmen bisher entwickelt hat?
Ich bin auf jeden Fall zufrieden und dieses Jahr war rückblickend sehr positiv. Ich habe aber festgestellt, dass es eine sehr intensive Arbeit ist und ich das Geschäftsmodell in Zukunft auch ein wenig adaptieren möchte. Eine reine Vermittlungsarbeit bei Marketingverträgen ist ein großer Aufwand, ohne dabei einen garantierten Erfolg bzw. Ertrag zu haben – das ist nicht nachhaltig genug. Das wird aller Voraussicht nach ein Standbein bleiben, aber den Fokus möchte ich künftig auf die Beratung legen. Das bedeutet, dass ich verstärkt Athleten unterstützen möchte, die sich auf die Karriere danach vorbereiten, eine eigene Marke aufbauen, sich positionieren und andere Standbeine entwickeln. In diesem Bereich liegen meine großen Stärken und das große Potenzial, weil es das sonst in der Form – zugeschnitten auf den Profisport – nicht gibt.

Bist du auch auf die Idee von Pro-Spective gekommen, weil dir persönlich diese Unterstützung gefehlt hat?
Ja, natürlich. Ich habe den Markt analysiert und mich gefragt, wo es Potenziale, aber noch kein Angebot gibt. Viele Athleten setzen sich während der aktiven Karriere noch nicht mit der Zukunft auseinander und müssen dann, wenn es so weit ist, bei Null anfangen. Wie bereits erwähnt, habe ich mir schon frühzeitig ein zweites Standbein aufgebaut, weshalb mir der Übergang in die Karriere Danach bestens gelungen ist. Diese Erfahrungen möchte ich weitergeben. 

Seit wenigen Monaten sind du und deine Frau Anna Eltern einer Tochter – gratuliere euch ganz herzlich. Wie lebt es sich als frisch gebackene Mutter? Hat sich dein beruflicher Alltag seit der Geburt verändert?
Der Alltag kehrt jetzt wieder ein. Ich war die ersten sechs Wochen komplett daheim und das ist natürlich ein schöner Ausnahmezustand, der aber auch wieder sein Ende findet. Aufgrund der Geburt eines Kindes lernt man aber, die eigenen Prioritäten neu einzuordnen. Man fährt schwerer weg und lieber heim – das ist klar (lacht). Ja, es ist einfach eine ganz andere und neue Motivation und das ist schon etwas ganz Besonderes.

Das könnte dich auch interessieren: 

Kärntnerin Carmen Possnig will auf den Mars fliegen
"Niemand wird zur Bürgermeisterin geboren"
"Wir sind Macher-Typen"
 Im Gespräch mit MeinBezirk spricht Viktoria Schnaderbeck über ihre aktive Karriere, Vorurteile und Verletzungen, die aktuellen Entwicklungen im Frauenfußball und ihre Sportmarketingagentur "Pro-Spective". | Foto: EVA MANHART / APA / picturedesk.com
"Fußball war die Sache, für die ich relativ schnell die größte Leidenschaft entwickelt habe", so Schnaderbeck. | Foto: ÖFB / Christopher Glanzl
Im August gab die langjährige Kapitänin des österreichischen Frauen-Nationalteams das Ende ihrer aktiven Karriere bekannt.  | Foto: ÖFB | Patrick Vranovsky
Als letzter Höhepunkt in ihrer Karriere erfüllte sich Schnaderbeck den Traum an der Europameisterschaft 2022 teilzunehmen.  | Foto: ÖFB / Christopher Glanzl
Schnaderbeck beim Eröffnungsspiel der Europameisterschaft 2022 im Old Trafford. | Foto: ÖFB / Christopher Glanzl

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

W S T St K V B

UP TO DATE BLEIBEN


Aktuelle Nachrichten aus Österreich auf MeinBezirk.at

Neuigkeiten aus deinem Bezirk als Push-Nachricht direkt aufs Handy

MeinBezirk auf Facebook: MeinBezirk.at/Österrreichweite Nachrichten

MeinBezirk auf Instagram: @meinbezirk.at


Video einbetten

Es können nur einzelne Videos der jeweiligen Plattformen eingebunden werden, nicht jedoch Playlists, Streams oder Übersichtsseiten.

Abbrechen

Karte einbetten

Abbrechen

Social-Media Link einfügen

Es können nur einzelne Beiträge der jeweiligen Plattformen eingebunden werden, nicht jedoch Übersichtsseiten.

Abbrechen

Code einbetten

Funktionalität des eingebetteten Codes ohne Gewähr. Bitte Einbettungen für Video, Social, Link und Maps mit dem vom System vorgesehenen Einbettungsfuntkionen vornehmen.
Abbrechen

Beitrag oder Bildergalerie einbetten

Abbrechen

Foto des Tages einbetten

Abbrechen

Veranstaltung oder Bildergalerie einbetten

Abbrechen

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.