Gewaltschutzgipfel
"Nur leere Ankündigungen, keine Budgeterhöhung"

"Alle zwei Wochen wird Frau in Österreich von Ex ermordet, doch die Regierung betreibt reine Ankündigungspolitik", kritisiert die Vorsitzendes des Österreichischen Frauenrings Klaudia Frieben.  | Foto: Pixabay
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  • "Alle zwei Wochen wird Frau in Österreich von Ex ermordet, doch die Regierung betreibt reine Ankündigungspolitik", kritisiert die Vorsitzendes des Österreichischen Frauenrings Klaudia Frieben.
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Heute tagte der Gewaltschutzgipfel: Von 8.30 bis 10 Uhr waren Opferschutzeinrichtungen im Bundeskanzleramt geladen. Nach dem elften Femizid in Österreich in diesem Jahr kündigt Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) nun die größte Gewaltschutzoffensive der Republik an, in der 24,6 Millionen Euro investiert werden sollen, wie hier im Video angekündigt. Doch dass sich dadurch tatsächlich etwas ändert, bleibt unwahrscheinlich, wie Klaudia Frieben vom Österreichischen Frauenring berichtet. 

ÖSTERREICH. Klaudia Frieben vom Österreichischen Frauenring war zum Gewaltschutz-Gipfel mit Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP), der Mittwoch Vormittag eineinhalb Stunden im Bundeskanzleramt tagte, geladen. Sie sagt nach dem Treffen mit der Ministerin im Gespräch mit RMA-Redakteurin Anna Richter-Trummer „Es war eine sehr geballte Konferenz, jeder hatte aber nur etwa zwei Minuten Zeit, es waren Vertreter von Opferschutz-Einrichtungen und Kinderschutz-Einrichtungen etc. zugegen. Doch Zusagen gab es keine. Es wurde alles aufgenommen, man meinte, man kenne das Problem, dass es mehr Ressourcen braucht, aber es gab keine konkreten Zusagen.“

Obsorge geht oft auch an gewalttätigen Vater

Klaudia Frieben zur Gewaltschutzoffensive der Republik, wo angekündigt 24,6 Millionen Euro investiert werden sollen: "Das ist ein erster Schritt, wenn auch nicht bei weitem die Forderung, die wir gestellt haben. Fraglich bleibet, ob das Geld auch dort ankommt wo es gebraucht wird. Ich kenne das Maßnahmenpaket noch nicht im Detail." Neu ist, dass Fallkonferenzen auch von den Operschutzeinrichtungen eingereicht werden können, das begrüßt Frieben. Ebenso die Erkenntnis, dass es auch Probleme  im Familiengericht gibt. Noch immer gibt es Fälle, in denen die Obsorge geteilt wird, obwohl der Vater gegenüber der Mutter gewalttätig war: Trotz Gewalt erhalten beide Elternteile geteiltes Sorgerecht, zum "Kinderwohl". "Das ist eine Katastrophe", so Frieben. Offen bleibt auch die Frage, wie Kinder nach dem Mord ihrer Mutter betreut werden. Frieben: "Wie geht man mit traumatisierten Kindern um?"

Verzögerungstaktik statt Handlungen

Was Frieben freut, ist die Tatsache, dass alle Organisationen vor Ort bestätigt haben: Es gibt zu wenig Geld und zu wenig Personal. „Das bestätigt mich in meiner Forderung nach 288 Millionen Euro und einer Joboffensive für 3000 neue Angestellten, die brauchen wir wirklich, wenn wir etwas verändern wollen und weitere Femizide in Österreich versuchen wollen, zu verhindern.“
Frieben kann sich nicht vorstellen, dass die Summe tatsächlich bewillt werde, auch hinsichtlich einer Gefährlichkeits-Einschätzung potentieller Täter - wir erinnern uns, die Mörder waren teilweise hinlänglich polizeilich bekannt und einige sogar vorbestraft - gab es keine Zusagen seitens des Ministeriums. Frieben: „Man hat gesagt, man wird sich alles anschauen, es sollen auch noch weitere Gespräch stattfinden, doch wann ist unklar, fixen Termin gib es jedenfalls keinen.“

Nach dem erschütternden Doppelmord an zwei Frauen in Salzburg, es waren Mutter und Tochter die vom Ex-Lebensgefährten in ihrem eigenen Zuhause erschossen wurden, klagt Klaudia Frieben als Vorsitzende des Frauenrings die Bundesregierung an: „Wir sind fassungslos, dass die Regierung die Dramatik nicht erkennt“. | Foto: Fritz Zorn
  • Nach dem erschütternden Doppelmord an zwei Frauen in Salzburg, es waren Mutter und Tochter die vom Ex-Lebensgefährten in ihrem eigenen Zuhause erschossen wurden, klagt Klaudia Frieben als Vorsitzende des Frauenrings die Bundesregierung an: „Wir sind fassungslos, dass die Regierung die Dramatik nicht erkennt“.
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Die wichtigsten Forderungen der Gewaltschutzexpertinnen

  • Sofortige Umsetzung der gesetzlich verankerten Fallkonferenzen mit verpflichtender Einbeziehung der mit allen im Gewaltschutz tätigen Organisationen
  • Echten Gewaltschutzgipfel mit allen im Gewaltschutz tätigen Organisationen
  • Personenschutz für betroffene Frauen und Kinder von amts- und justizbekannten Männern
  • Sofortige Umsetzung der Istanbulkonvention
  • 228 Millionen Euro (inflationsangpasst) pro Jahr für Gewaltschutz und Gleichstellungspolitik
  • Joboffensive in der Gewaltprävention durch personelle Aufstockung in allen Gewaltschutzorganisationen und Finanzierung durch die öffentliche Hand
  • Regierungskampagne gegen Gewalt und gegen frauenverachtendes Verhalten im häuslichen, öffentlichen Bereich und am Arbeitsplatz

Keine Budgeterhöhung

In dieselbe Kerbe schlägt SPÖ-Justizsprecherin und Landesfrauenvorsitzende der SPÖ-Tirol Selma Yildirim: „Für den Schutz von Frauen vor Männergewalt fehlt in Österreich vor allem eines: das Geld. Während die Gesetzeslage gut ist, fehlen sowohl für den Opferschutz, als auch für Täterarbeit und Prävention die finanziellen und personellen Mittel.“ Laut Yildrim hätten zusätzliche Mittel für den Gewaltschutz gestern im Budgetausschuss in der Novelle des Bundesfinanzgesetzes 2021 fixiert werden müssen, diese gelangt nächste Woche im Nationalrat zur Abstimmung. „Das ist leider nicht passiert“, so Yildirim. Ein schon länger von SPÖ-Abgeordneter Gabriele Heinisch-Hosek eingebrachter Antrag zur Erhöhung des Frauenbudgets wurde gestern von der türkis-grünen Regierungsmehrheit vertagt. „Bundeskanzler Kurz hat erst vor wenigen Tagen angekündigt, dass der Gewaltschutz am Geld nicht scheitern werde. Aktuell tut er das aber und daran scheint sich so schnell nichts zu ändern“, kritisiert Yildirim.

Nur leere Ankündigungen

Zum Gewaltschutzgipfel sagt sie: „Die Debatte droht den ewig gleichen Verlauf zu nehmen: Nach Gewalttaten an Frauen folgt ein Aufschrei, der dann aber ohne Konsequenzen verklingt. Diese Art der Politik hilft leider niemandem. Die Forderungen der Opferschutzeinrichtungen sind endlich ernst zu nehmen.“

Warst du schon einmal von Gewalt und Belästigung betroffen?

Elfter Femizid in Österreich

Vor zwei Wochen geschah der neunte Femizid in diesem Jahr, eine zweifache Mutter aus Wien-Brigittenau wird von ihrem Ex brutal mit einem Kopfschuss getötet, kurz darauf die nächsten Bluttaten: Mutter (76) und Tochter (50) werden vom Ex-Lebensgefährten (51) in ihrem Haus erschossen, es sind der zehnte und der elfte Femizid in diesem jähr in Österreich. Die Regierung versprach, es werde Maßnahmen geben, es wurde zum Gewaltschutzgipfel am Mittwoch geladen.  

Hier finden Opfer von Gewalt Hilfe

Frauen, die Gewalt erleben, finden Hilfe und Informationen bei der Frauenhelpline unter:

  • 0800/222 555 (kostenlos und rund um die Uhr)
www.frauenhelpline.at
  • beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) unter www.aoef.at
  • Bei der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie: www.interventionsstelle-wien.at
  • Betroffene von Gewalttaten und Verbrechen können sich an die Opferschutzorganisation Weißer Ring wenden unter der Tel.: 0800/112-112, www.opfernotruf.at
  • Droht akute Gewalt, Polizeinotruf unter 133 oder 112. Gehörlose und Hörbehinderte können per SMS an 0800/133 133 Hilfe rufen.
Setzt die Regierung genügend Maßnahmen, um Frauen vor gewalttätigen Ex-Partnern zu schützen?

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