9. Femizid in Österreich
Zweifache Mutter von Ex-Lebensgefährten erschossen

Winarskyhof: In diesem Gemeindebau ist es zu der Gewalttat gekommen. Der Verdächtige wurde festgenommen. | Foto: RMA
  • Winarskyhof: In diesem Gemeindebau ist es zu der Gewalttat gekommen. Der Verdächtige wurde festgenommen.
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Nach dem neunten Femizid in diesem Jahr steckt Österreich in Schock und Trauer. Der mutmaßliche Täter war der Ex-Lebensgefährte und ein medial bekannter Mann, hatte er doch Clubchefin Sigrid Maurer belästigt und wurde verklagt. Diese meldet sich nun tief betroffen zu Wort.

ÖSTERREICH. „Gestern wurde die neunte Frau in diesem Jahr von ihrem Ex-Partner ermordet. Jede getötete Frau ist eine zu viel. Jede verletzte Frau ist eine zu viel“, schreibt Maurer auf Twitter. „Dass es sich beim Täter offenbar um den Bierwirt handelt, schockiert mich persönlich, ist in der Sache aber unerheblich. Wir kennen die Mechanismen hinter der Gewalt: Frauenverachtung, Unfähigkeit, Konflikte gewaltfrei zu lösen, die Wahrnehmung, Männer wären Frauen übergeordnet.

Was passierte: In den Abendstunden des 29.04.2021 wurde ein 42-jähriger österreichischer Staatsbürger im Innenhof eines Mehrparteienhauses festgenommen. Er steht im dringenden Verdacht, wenige Minuten zuvor eine 35-jährige Frau mit einer Faustfeuerwaffe getötet zu haben. Die Tat ereignete sich in einer Wohnung des Hauses. Es war seine Ex-Lebensgefährtin, Mutter zweier Kinder, die er angeblich mit einem Kopfschuss getötet haben soll. Und es handelt sich bei dem Tatverdächtigen um keinen Unbekannten. Es ist jener Lokalbesitzer, der der Grünen Clubobfrau Sigrid Maurer obszöne Nachrichten gesendet hatte: „Du kleine, dreckige Bitch” etwa.

Gestern Abend wurde schon die neunte Frau in diesem Jahr von einem Mann ermordet. Ich bin zutiefst erschüttert. Das ist...

Posted by Alexander Van der Bellen on Friday, 30 April 2021

"Sie war wirklich eine nette und liebe Frau"

"Sie war wirklich eine nette und liebe Frau. Sie haben auch ein kleines Baby, das jetzt alleine geblieben ist. Als das kleine Kind noch vom Nachbarn nach der Tat weggetragen wurde, schrie es 'Mami, Mami’", erzählt eine Augenzeugin gegenüber heute.at. Frauenministerin Susanne Raab meldete sich am Freitag zu Wort: "Dieser brutale Mord ist absolut schockierend und macht mich zutiefst betroffen. Grausame Taten wie diese sind die Spitze des Eisbergs, denn Gewalt gegen Frauen beginnt bereits bei abwertenden Äußerungen und Beschimpfungen und reicht bis hin zu gewalttätigen Übergriffen. Mir ist es daher wichtig, dass jede Frau weiß, dass sie einen Zufluchtsort hat, wo sie bereits bei den ersten Anzeichen von Gewalt Schutz findet.

"Es gilt, keine Zeit zu verlieren“

Gabriele Heinisch-Hosek kritisiert in einem Gastkommentar im Profil: „Es ist zutiefst erschütternd: Männer, die ihre Frauen  töten –  aus Wut, Rache, verletztem Stolz und Besitzdenken. Österreich ist ein Land mit einer erschreckend hohen Femizid-Rate. Den brutalen Morden geht fast immer eine lange Geschichte der Gewalt voraus. Betretungsverbote wurden verhängt, Verwarnungen wurden ausgesprochen. In einigen Fällen haben sich die Opfer mit Hilferufen an ihre Umgebung gewandt. Vergeblich. Regelmäßig schlagen ExpertInnen und Frauenorganisationen Alarm. Der Gewaltschutz in Österreich muss dringend verbessert und die Prävention massiv ausgebaut werden. Hört Frauenministerin Susanne Raab den dramatischen Hilferuf aus den Gewaltschutzeinrichtungen nicht? Dabei gilt es, keine Zeit mehr zu verlieren“, schreibt sie da. Und: „Jeder weitere Tag, den die Regierung verstreichen lässt, erhöht das Risiko von weiteren Gewalttaten.“

Ihre Worte bewahrheitetet sich: Für die 35-jährige Mutter einer 12-Jährigen und einer dreijährigen Tochter kam jede Hilfe zu spät. Sie verblutete hilflos in ihrer eigenen Wohnung. Erschossen vom eigenen Ex-Lebensgefährten.

Ein Femizid, der zu verhindern gewesen wäre, geht es nach den Opferschutzeinrichtungen. Seit Monaten weisen sie auf die völlige Überlastung hin, bemängeln, dass sie über zu wenig Ressourcen verfügen dass Hilfseinrichtungen aus aus allen Nähten platzen, aber Gehör fanden sie bis dato nicht. Wird sich das jetzt ändern, neun Femizide später?

Femizide steigen dramatisch an

Die Zahl der Femizide in Österreich steigt leider dramatisch: Waren es 2014 noch 19, verzeichnete man 2018 bereits 42. bei jedem Mord, der in Österreich passiert, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Opfer eine Frau ist, größer, als dass ein Mann umgebracht wurde. Und am häufigsten stammt der Mörder aus dem direkten Umfeld der Frau. In 92 Prozent der Fälle kannten sich Opfer und Täter, 54 Prozent waren verwandt oder bekannt, 38 Prozent lebten in einer Beziehung oder in Trennung. 

"Corona hat Situation verschäft"

Mehr Geld für den Schutz von Frauen forderte auch Maria Rösslhumer im STANDARD. Sie ist Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser und sagt: "Es ist einfach unglaublich, was sich da abspielt in Österreich." Corona habe die Situation verschärft. Der Bedarf an Hilfe sei enorm. Rösslhumer fordert eine Job-Offensive. "Es bräuchte mindestens 3.000 Arbeitsstellen mehr in Österreich, um all das bewältigen zu können", sagt Rösslhumer.

Drei Femizide pro Monat

Die 35-jährige zweifache Mutter, die in den Abendstunden des 29. April 2021 von ihrem Ex-Lebensgefährten getötet wurde, war der neunte Femizid in diesem Jahr. Der 8. Femizid ereignete sich kurz davor in Neulengbach in Niederösterreich, wie eine 64-Jährige verblutet. Der mutmaßliche Täter war ihr Lebensgefährte, er hatte ihr die Kehle mit einem Wetter durchschnitten. Zwei Wochen zuvor war die Niederösterreicherin Nadine in ihrer Trafik im neunten Wiener Gemeindebezirk von ihrem Ex-Partner verprügelt, gewürgt, mit Bein übergossen und dann bei lebendigem Leib angezündet.
Jede fünfte Frau in Österreich ist ab ihrem 15. Lebensjahr körperlicher oder sexueller Gewalt ausgesetzt – oder beidem. Das ergab eine Umfrage der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte. Monatlich werden in Österreich im langjährigen Schnitt drei Frauen ermordet, zählt der Verein Autonome Frauenhäuser (AÖF).

Patriarchale Struktur muss weg

Meri Disoski, die Frauenvorsitzende der Grünen und Frauensprecherin im Grünen Parlamentsklub: "Die patriarchale, geschlechtshierarchische Struktur unserer Gesellschaft vermittelt die Vorstellung der Überlegenheit von Männern und der Unterordnung von Frauen. Solche Vorstellungen haben zur Folge, dass viele Männer es für selbstverständlich ansehen, Frauen zu demütigen, zu bedrohen, ihnen sexuelle Gewalt anzutun, sie zu schlagen. Oder sogar sie zu ermorden, wie es gestern Abend zum bereits neunten Mal im heurigen Jahr passiert ist."

Hier finden Opfer von Gewalt Hilfe

  • Frauen, die Gewalt erleben, finden Hilfe und Informationen bei der Frauenhelpline unter:
  • 0800/222 555 (kostenlos und rund um die Uhr)
www.frauenhelpline.at
  • beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) unter www.aoef.at
  • Bei der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie: www.interventionsstelle-wien.at
  • Betroffene von Gewalttaten und Verbrechen können sich an die Opferschutzorganisation Weißer Ring wenden unter der Tel.: 0800/112-112, www.opfernotruf.at
  • Droht akute Gewalt, Polizeinotruf unter 133 oder 112. Gehörlose und Hörbehinderte können per SMS an 0800/133 133 Hilfe rufen.
Schon wieder wurde eine Frau ermordet
Mord in Neulengbach
Mann soll Lebensgefährtin ermordet haben
Hass und Streitigkeiten waren Grund

Quellen:
Standard
Profil
heute.at

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