Heimatfront: das Leiden in den Landgemeinden
Waldneukirchen: „Der unselige Krieg am Lande“

"Vom Weltkrieg heimgekehrt" - Erinnerungsbild der Waldneukirchner im März 1919 | Foto: Fotoarchiv Ulbrich
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  • "Vom Weltkrieg heimgekehrt" - Erinnerungsbild der Waldneukirchner im März 1919
  • Foto: Fotoarchiv Ulbrich
  • hochgeladen von Katharina Ulbrich

"1918 war endlich der unselige Kireg beendet. Alles atmete auf. Alles war voller Hoffnung auf eine wirtschaftliche Besserung – doch alle hatten sich gründlich getäuscht“, so schreibt Waldneukirchens Pfarrer Sallaberger in die Pfarrchronik vor 100 Jahren. Über 1700 Einwohner zählte damals die Gemeinde. 56 Männer – überwiegend Bauern und Knechte - starben an der russischen und italienischen Front. Viele kehrten aus Kriegsgefangenschaft, verwundet oder psychisch leidend heim. Zum Heimkehrerfest im März 1919 bestellten die Waldneukirchner einen Fotografen, um die rund 200 Menschen auf einem großen Erinnerungsbild professionell abzubilden.
Die Not in der Versorgung war überall spürbar. Zwar gab es im Sommer 1917 noch eine überaus reiche Obsternte, wovon zu guten Preisen viel verkauft wurde. „Die Wiener kaufen alles, weil es dort nichts mehr gibt“, schreibt der Pfarrer. Doch 1918 verschlechtert sich die Lage auch im bäuerlichen Land so sehr, dass pro Woche drei fleischlose Tage vorgeschrieben werden. Lebensmittel werden über Karten bewirtschaftet, die in den zwei Geschäften im Ort meist leider sehr schnell vergriffen waren. Trotz all der schlechten Lage kam es zu nachhaltigen Innovationen. Im Jänner 1918 wurde das Fernsprechamt mit Telegraf und einer öffentlichen Sprechstelle, so ein Zeitungsbericht, im Postamt Waldneukirchen eingerichtet. Täglich konnten nun telefonische und telegrafische Nachrichten vom Postmeister Leopold Kaufholzer, der gleichzeitig auch Bürgermeister, Kapellmeister und Mesner war, vermittelt werden. Nur wenige Wochen nach Ausrufung der Republik „Deutsch-Österreich“ begann in Waldneukirchen der Weg in die Elektrizität. Als treibende Kraft gelang es dem Pfarrer, dass ein Komitee zur elektrischen Beleuchtung des Ortes gegründet wurde. Schon ein Jahr später beschreibt er die Stimmung in der Chronik: „Die Wohltat des elektrischen Lichtes wurde auch unserem Gotteshaus zuteil. Durch die Firma Pecinowsky und Hack aus Steyr wurde das Licht installiert um den Preis von 20.000 Kronen. Am 15. November 1919 erstrahlte unser Gotteshaus das erste Mal in elektrischem Lichte. Ein Hauptvorteil ist, dass alles in Kupfer gemacht ist.“
Armut trifft besonders Kinder
Doch daneben war die Not in den Familien so groß, dass der Pfarrer persönlich – begleitet von Gemeindeausschüssen - von Haus zu Haus ging, um für die Armen, besonders die Kinder zu sammeln. Noch immer waren Kinder aus Deutschland auf den Bauernhöfen in Waldneukirchen zum „Aufpäppeln“ einquartiert. Das scheint gelungen zu sein, denn am Foto, das vermutlich bei der Abreise gemacht wurde, scheinen alle ganz gut und fröhlich zu sein.

"Vom Weltkrieg heimgekehrt" - Erinnerungsbild der Waldneukirchner im März 1919 | Foto: Fotoarchiv Ulbrich
Deutsche Pflegekinder werden in den bäuerlichen Familien in Waldneukirchen "aufgepäppelt". Vermutlich wurde bei der Abreise ein gemeinsames Foto gemacht. | Foto: Fotoarchiv Hermine Ganglbauer

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