Was ist die Bill 55 und wie will sie Österreich bekämpfen?

Der Streit um die Legalität von Glücksspielanbietern landet immer öfter vor Gericht | Foto: Pixabay
  • Der Streit um die Legalität von Glücksspielanbietern landet immer öfter vor Gericht
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Eines der wichtigsten Ziele der Europäischen Union war von Beginn an ein gemeinsamer Wirtschaftsraum. Die Gründer wollten einen freien Waren- und Dienstleistungsraum erschaffen, der es den Unternehmen ermöglicht, ihre Leistungen im gesamten EU-Raum anzubieten, ohne dabei auf Hürden zu stoßen.

Doch dieses Prinzip gilt nicht in allen Bereichen gleichermaßen; das hat die Glücksspielbranche vorwiegend in Ländern wie Österreich und Deutschland zu spüren bekommen. Schließlich treffen die Anbieter hier auf Monopole, die ihr Wirkungsgebiet schützen wollen.

Deutschland öffnet seinen Markt, Österreich beharrt auf dem Glücksspielmonopol 

Doch während Deutschland sein Monopol vor rund zweieinhalb Jahren durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag offener gestaltete, beharrt man in Österreich weiterhin auf wirtschaftlichen Grenzen. Dies gilt, obwohl sich der ehemals staatliche Konzern Casinos Austria mittlerweile mehrheitlich in privater Hand befindet.
Die tschechische Sazka Group hält seit Mitte 2020 mehr als 55 Prozent des teilstaatlichen Konzerns und bestimmt damit die Geschicke des Unternehmens. Dieses stützt sich weiterhin auf das österreichische Glücksspielmonopol, das gesetzlich verankert ist. Dieses garantiert den Casinos Austria weiterhin eine Monopolstellung, denn das Unternehmen besitzt weiterhin die einzigen Lizenzen für Österreich.

Erfolgreiche Klagen führen zu Rückzahlungen

Diese Sonderstellung führte zuletzt dazu, dass zahlreiche Klagen gegen vermeintliches Glücksspiel und Glücksspielanbieter aus dem Ausland erfolgreich waren. Das bekamen nicht nur Videospiel-Entwickler wie Electronic Arts zu spüren, sondern auch Online Casinos.

Diese bieten ihre Leistungen im Internet unter einer Lizenz eines anderen europäischen Landes an. Dort treffen sie auf lokal lizenzierte Unternehmen, die auf ihrem Monopol beharren. Doch das Netz entscheidet oft das beste Angebot. Wer dort beste Online Casinos sucht, findet schnell diese Liste für Österreicher. Hier werden zahlreiche Anbieter genau unter die Lupe genommen. Die Kriterien dabei sind qualitativer und nicht rechtlicher Natur, der Zugang zu den jeweiligen Online Casinos einfach. Doch das wollen zahlreiche Kläger ändern.

Österreichische Gerichte erklärten den Verkauf der sogenannten Lootboxen in Blockbustern wie FIFA für illegal und verurteilten die Publisher zu Rückzahlungen. Noch dramatischer ist die Lage für manche Casino Anbieter, die sich plötzlich mit massiven Forderungen konfrontiert sahen.

Die Kläger stützten sich dabei nicht nur auf die heimische Gesetzgebung, sondern auch auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser bestätigte das österreichische Glücksspielmonopol, was im Umkehrschluss alle anderen Anbieter in Österreich als illegal erklärte. Damit sahen die Anwälte ihre Chance gekommen, mögliche Verluste, die ihre Klienten bei diesen Anbietern erlitten hatten, gerichtlich zurückzufordern.

Rechtliche Unsicherheit?

So kam es in den vergangenen Jahren bereits zu einigen aufsehenerregenden Prozessen. In einem Fall verurteilten alle gerichtlichen Instanzen in Österreich einen Anbieter zu einer Rückzahlung von 1,6 Millionen Euro. Doch das Unternehmen sah keinen Grund, diesen Urteilen zu folgen.

Immerhin argumentiert die Branche seit Jahren mit der in der EU gültigen freien Warenverkehr. Gleichzeitig verweisen die betroffenen Unternehmen gerne auf ihre in einem anderen Land gültigen Lizenzen, die es ihnen ermöglichen würden, ihre Leistungen in der gesamten EU anzubieten.

Malta hat jetzt reagiert

Malta gilt als ein Land, in dem viele Unternehmen der Glücksspielbranche lizenziert werden. Angesichts der zunehmenden rechtlichen Probleme seiner Lizenznehmer, versucht Malta jetzt seine Unternehmen besser zu schützen. Ein neues Glücksspielgesetz mit dem Namen Bill 55 soll die Anbieter jetzt vor Klagen in der EU in Schutz nehmen.

Diese Gesetzesvorlage wurde zu Beginn dieses Monats vom Parlament in Malta beschlossen. Es soll die Glücksspielindustrie vor Schadensersatzklagen aus dem Ausland abschirmen. Die Bestimmungen sehen vor, dass Gerichtsurteile, die im Ausland gefällt wurden, nicht vor von maltesischen Gerichten vollstreckt werden. Damit werden die österreichischen Klagen im Prinzip wirkungslos. Dies gilt dann, wenn die betroffenen Unternehmen über eine maltesische Lizenz verfügen und deren Vorschriften einhalten.

Verstoß gegen EU-Recht?

So versucht Malta aktuell den zahlreichen Klagen aus Österreich und Deutschland zu begegnen. Kein Wunder also, dass in jenen Ländern jetzt Aufregung herrscht. In Deutschland befürchtet man, dass dadurch der im Lande gesetzlich verankerte Spielerschutz beeinträchtigt wird; in Österreich sehen die Kläger kein Geld. Schließlich befinden sich die Firmensitze im Ausland; die verurteilten Unternehmen haben kein nennenswertes Vermögen in Österreich, das die Gerichte pfänden könnten. Damit nicht genug sind manche Experten der Ansicht, dass die Vorgangsweise Maltas einen Verstoß gegen EU-Recht darstellt und möchten dagegen vorgehen.

Die EU-Kommission prüft

Eine Sprecherin der EU-Kommission hat bereits bekannt gegeben, dass aktuell eine Beschwerde gegen das neue Glücksspielrecht Maltas untersucht wird. Die Kläger fordern die Einleitung eines sogenannten Vertragsverletzungsverfahrens, um Rechtssicherheit herzustellen. Sie sehen die Gefahr, dass, wenn Maltas neues Glücksspielgesetz bestätigt wird, andere Länder diesem Beispiel in zahlreichen anderen Branchen folgen könnten. Damit wäre das Prinzip des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs aufgehoben. Jedes Land könnte nach Bedarf seine eigenen Industrien vor Klagen aus anderen EU-Ländern schützen.

Mittlerweile hat auch die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder in Deutschland reagiert. Sie vertritt die Auffassung, dass die Bill 55 aus Malta nicht mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar sein dürfte. In Österreich dürften sich die Behörden dieser Rechtsansicht anschließen. Man kann aus heutiger Sicht davon ausgehen, dass Österreich die Prüfung der EU-Kommission zunächst abwarten wird, bevor sich die Regierung zu weiteren rechtlichen Schritten entschließt.

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