Klimaproteste
1.400 Wissenschaftler solidarisieren sich mit Anja Windl

An die 1.400 Wissenschaftler solidarisieren sich in einem gemeinsamen Statement mit den Klimaprotesten. Zudem kritisieren sie das Verfahren gegen Anja Windl, eines der bekanntesten Gesichter der Letzten Generation. Protestaktionen dürfe man nicht kriminalisieren. | Foto: "Letzte Generation"
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  • An die 1.400 Wissenschaftler solidarisieren sich in einem gemeinsamen Statement mit den Klimaprotesten. Zudem kritisieren sie das Verfahren gegen Anja Windl, eines der bekanntesten Gesichter der Letzten Generation. Protestaktionen dürfe man nicht kriminalisieren.
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Nachdem die Klebeaktionen der Klimaschutzbewegung "Letzte Generation" in den letzten Wochen vermehrt für öffentlichen Unmut sorgten, geriet zuletzt auch die Aktivistin Anja Windl in das Visier des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA). An die 1.400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verurteilen in einem gemeinsamen Statement nun die Vorgehensweise der Behörden. Die Maßnahmen des BFA bezeichnen sie als "Schikane". Zudem fordern sie im Kampf gegen den Klimawandel ein rasches und zielgerichtetes Handeln.

ÖSTERREICH. Die 26-jährige Studentin Anja Windl ist eines der bekanntesten Gesichter der Letzten Generation. Anfang April musste sich die deutsche Staatsbürgerin einer dreistündigen Einvernahme vor dem BFA unterziehen. Konkret prüfen die Behörden ihre Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot in Österreich. Unterstützung erhält Windl nun von der Initiative "Scientists4Future" (S4F) – ein Zusammenschluss von Forscherinnen und Forschern aller Disziplinen.

Voraussetzungen für Maßnahmen nicht gegeben

Die Fachgruppe Politik & Recht der S4F nahm sich den Fall Windl genauer an. Nach Ansicht der Expertinnen und Experten dürfe die Aktivistin "nur ausgewiesen werden, wenn sie eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt. Das bedeutet laut dem Verwaltungsgerichtshof, es müsste von ihr eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgehen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt." 

Ein Aufenthaltsverbot stelle eine noch schärfere Maßnahme als eine Ausweisung dar, da diese auf einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren erlassen werden könne. Für solch ein Mittel sei selbst eine strafrechtliche Verurteilung alleine nicht ausreichen. Im Falle Windls – und deren Klebeaktionen – handle es sich aber ohne hin nur um Verwaltungsübertretungen. Die Voraussetzungen für fremdenpolizeiliche Maßnahmen seien daher "nicht einmal ansatzweise erfüllt."

Die Forscher kritiseren das Verfahren gegen die Klimaktivistin Anja Windel. Das Bundesamt für fremdenwesen und Asyl prüft aktuell eine Ausweisung der deutschen Staatsbürgerin und ein etwaiges Aufenthaltsverbot in Österreich.  | Foto: APA Picturedesk
  • Die Forscher kritiseren das Verfahren gegen die Klimaktivistin Anja Windel. Das Bundesamt für fremdenwesen und Asyl prüft aktuell eine Ausweisung der deutschen Staatsbürgerin und ein etwaiges Aufenthaltsverbot in Österreich.
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Die Fachgruppe vermutet, dass die Behörden mit dem Vorgehen gegen Windl bestimmte Ziele verfolgen:

"Den Behörden kann wohl kaum krasse Rechtsunkenntnis unterstellt werden. Daher erhebt sich die Frage, weshalb gegen die Aktivistin mit rechtlich unzulässigen Mitteln vorgegangen wird. Möchte man Druck aufbauen, einschüchtern, schikanieren oder schlichtweg die Botschaft vermitteln, dass Klimaaktivist:innen in Österreich unerwünscht sind?"

Maßnahmen dienen der "Einschüchterung" und "Schikane"

Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur Wien und Mitglied bei S4F Österreich, sieht in dem Vorgehen der BFA eine bedenkliche Fehlentwicklung, die es rasch zu korrigieren gelte. Dies werde "nicht nur dem Klimaschutz, sondern auch dem Rechtsstaat und der demokratischen Kultur in Österreich" guttun.

Die Fachgruppe Politik & Recht der S4F fordert die Behörden daher umgehend auf, "dem Rechtsstaat widersprechende Maßnahmen" gegen Klimaaktivistinnen und -aktivisten einzustellen und auch künftig zu unterlassen. Diese dienen lediglich zur Einschüchterung und Schikane.

Schwerwiegende staatliche Versäumnisse 

Die Wissenschaftler solidarisieren sich in ihrer Stellungnahme auch mit den Protestaktionen der Letzten Generation. Die Aktivistinnen und Aktivisten setzen "einzelne Ordnungswidrigkeiten und punktuelle Rechtsverletzungen" ein, um die Politik an ihre Verpflichtungen und selbst gesetzten Ziele zu erinnern. Angesichts der wissenschaftlichen Prognosen sei die Umsetzung der Pariser Klimaziele auch dringend erforderlich. 

Klimaproteste seien als ziviler Ungehorsam zu werten, der nicht nur legitim sondern notwendig sei, so die Forscher.  | Foto: "Letzte Generation"
  • Klimaproteste seien als ziviler Ungehorsam zu werten, der nicht nur legitim sondern notwendig sei, so die Forscher.
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Die S4F sieht die Protestaktionen als zivilen Ungehorsam, der “als Bestandteil jeder reifen politischen Kultur nicht nur legitim, sondern – in gewissen Situationen – sogar notwendig ist." Dies habe auch schon die Geschichte gezeigt. Die Wissenschaftler verweisen hier unter anderem auf die Durchsetzung des Wahlrechts für Frauen, die Überwindung der Rassentrennung und die Bürgerrechtsbewegungen in der DDR.

"Allen diesen Bewegungen war gemeinsam, dass sich die gesellschaftliche Empörung zunächst stärker gegen die Protestierenden als gegen das von ihnen bekämpfte Unrecht bzw. die von ihnen sichtbar gemachten Gefahren gerichtet hat. Das war und ist problematisch: Empörung kann das Potential für notwendige Veränderungen nur dann entfalten, wenn sie sich gegen die eigentlichen Probleme bzw. ihre Ursachen richtet, nicht aber gegen diejenigen, die auf diese Probleme aufmerksam machen." 

Forderungen der Scientists 4 Future

Die S4F betont, dass sie sich den Forderungen der Klimaktivistinnen und -aktivisten anschließe. Es sei an der Zeit, dass die Politik und die Gesellschaft Verantwortung übernehme. So fordert sie ein "entschlossenes und rasches Handeln", um das Klima zu schützen. Zudem sprechen die Wissenschaftler eine Warnung davor aus, "Menschen an den Rand der Gesellschaft zu drängen, die sich unter großem persönlichem Einsatz für den Fortbestand genau dieser Gesellschaft und ihrer zentralen Werte einsetzen."

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