Von Dollfuß bis heute
20 Prozent der Österreicher wollen einen "starken Mann"
Am 4. März 1933 führte der christlich-soziale Bundeskanzler Engelbert Dollfuß in Folge einer Panne im Parlament einen Staatsstreich durch. 90 Jahre später zeigt nun eine Umfrage, dass sich 20 Prozent der Österreicher heute einen "starken Mann" wünschen. Allerdings will eine satte Mehrheit auch den Fortbestand der Demokratie.
ÖSTERREICH. Am Tag genau vor 90 Jahren ging in Österreich die Erste Republik endgültig zu Grunde. Dies geschah aufgrund eines Staatsstreichs des damaligen Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß. Anlässlich dieses Gedenktages hat das SORA-Institut im Auftrag des ORF eine Umfrage zur Demokratie in Österreich durchgeführt.
Ein Ergebnis: 20 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher wünschen sich einen "starken Mann" an der Spitze des Staates, der durchgreifen und die Geschicke lenken soll. Auch mit anderen Staatsformen wird aber geliebäugelt. So würden sich 63 Prozent der Befragten mehr Mitbestimmung in Form von mehr direkter Demokratie wünschen, in etwa so wie in der Schweiz.
36 Prozent könnten sich auch ein Expertenkabinett gut vorstellen, so wie es die Bundesregierung Brigitte Bierlein von 3. Juni 2019 bis zum 7. Jänner 2020 gewesen war. Eine "Klimaschutzregierung", die zugunsten des Umweltschutzes ohne Parlament regieren darf, wünschen sich 17 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher.
Elf Prozent klare Anti-Demokraten
Klar antidemokratische bzw. diffus-autoritäre Einstellungsmuster orten die Meinungsforscher von SORA bei 24 Prozent der Bevölkerung. Elf Prozent wünschen sich sogar einen „starken Führer“, eine „Militärregierung“ bzw. eine „Diktatur auf Zeit“ – nämlich auf zwei Jahre.
Gleichzeitig sprechen sich aber rund 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher, die teils selbst mit der Demokratie unzufrieden sind, trotzdem weiter für die Beibehaltung der Demokratie in Österreich aus.
Diese Ergebnisse wurden nun also am Samstag, 4. März 2023, veröffentlicht. Am selben Tag des Jahres 1933 war Österreichs Demokratie erstmals zugrunde gegangen. Damals nutzte Dollfuß die Gunst der Stunde, um ein autoritäres System zu installieren. Er hatte dies wohl schon länger vor, allerdings verhalf ihm ein schicksalsträchtiger Fehler im Nationalrat zum Durchbruch.
Eine folgenschwere Panne im Parlament
Hintergrund war dabei ein Problem im österreichischen Parlament. Weil während einer Sitzung alle drei Parlamentspräsidenten nacheinander von ihrem Amt zurücktraten, stand das Hohe Haus plötzlich kopflos da. Die Sitzung konnte nicht mehr ordnungsgemäß beendet werden - ein Fall, den die österreichische Verfassung so nicht vorsah.
Diese Panne nutzte nun der österreichische christlich-soziale Bundeskanzler Engelbert Dollfuß, um das Parlament für tot zu erklären - er sprach von der "Selbstausschaltung" des Hohen Hauses. Dieser Begriff wird teils heute noch hie und da verwendet. Dabei wird er aber von vielen Historikerinnen und Historikern kritisch gesehen, da dies Propaganda des austro-faschistischen Kanzlers gewesen sei.
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Tatsächlich verhinderte Dollfuß später auch unter dem Einsatz der Exekutive, dass die Abgeordneten wieder zusammentreten konnten. Österreich wurde daraufhin zu einer totalitären Diktatur, demokratische Wahlen gab's nicht mehr. Fünf Jahre später erfolgte der "Anschluss" an das nationalsozialistische Deutschland.
Politik stellt sich hinter die Demokratie
Den Gedenktag nutzte nun auch die österreichische Politik, um auf den Wert der Demokratie im Land aufmerksam zu machen.
Anlässlich des Gedenkens an diesemTag appellierte so etwa Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), die richtigen Lehren aus dem 4. März 1933 zu ziehen. Die Demokratie müsse immer wieder aufs Neue gestärkt und gegen ihre Feinde verteidigt werden.
Ein Appell, den auch Bundesratspräsident Günter Kovacs (SPÖ) unterstrich: "Es gilt, die Lehren aus der Geschichte und auch aus diesem historischen Ereignis zu ziehen. Eine dieser Lehren sei, dass Demokratie Freiheit bedeutet".
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