Kanzler Nehammer im Interview
"Auch diese Wunden werden verheilen!"

Bundeskanzler Karl Nehammer: "Die Gemeinden sind das Herz und das Rückgrat unserer Republik, diese Mittel werden ja vorwiegend regional investiert und stärken Wirtschaft und Arbeitsplätze." | Foto: Markus Spitzauer
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Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) über das neue Investitionspaket, die Impfpflicht und Radikalisierung in Österreich.

RegionalMedien Austria: 2022 bis 2025 knapp 1,9 Milliarden Euro für Länder und Gemeinden: Wie kann sich Österreich diese hohen Transferzahlungen eigentlich leisten?
Karl Nehammer: Die Gemeinden sind das Herz und das Rückgrat unserer Republik, diese Mittel werden ja vorwiegend regional investiert und stärken Wirtschaft und Arbeitsplätze. Daraus entstehen auch wieder Steuerrückflüsse, das sollte man nicht vergessen. Österreich hat in der Vergangenheit gut gewirtschaftet und daher mehr Spielraum für gezielte Investitionen. Die Antwort ist also: Ja, das können und wollen wir uns leisten.

In welchen Bundesländern bzw. in welchen Branchen wurde 2021 mit der Investitionsprämie am meisten investiert und gibt es dafür heuer neue Kriterien?

Die östlichen Bundesländer, wie Oberösterreich, Niederösterreich und die Steiermark haben am meisten investiert. Sie kurbeln damit unsere Wirtschaft enorm an. Branchenspezifisch haben alle Sektoren die Investitionsprämie sehr gut genutzt, wobei die meisten Anträge aus den Bereichen Landwirtschaft, Dienstleistung und Handel kamen. Das hat Investitionen in Milliardenhöhe ausgelöst. Die Antragsfrist ist nun ausgelaufen, es fließen derzeit aber noch Auszahlungen für bereits bewilligte Projekte.

Viele Investitionen gehen in den Bereich Bau. Kritiker merken an, dass sich die Baukosten in Österreich deutlich erhöht haben, zum Teil um 30 Prozent, auch aufgrund steigender Rohstoffpreise. Kommt da die Prämie nicht zeitlich ungelegen?
Das große Ziel der Bundesregierung war, Unternehmen die Möglichkeit zu geben, sich nach der Phase der Liquiditätssicherung aus der Krise herauszuinvestieren und damit ‚fit‘ zu machen für die Zukunft. Der Zeitpunkt war daher alles andere als ungelegen gewählt. Und ja, die Rohstoffpreise steigen, da können wir uns von internationalen Entwicklungen leider nicht abkoppeln.

Der Fachkräftemangel begleitet uns heuer weiter. Die WKO fordert, Einwanderung verstärkt zu nützen, etwa durch Schaffung eines Talentepools oder eine Weiterentwicklung der rot-weiß-rot-Karte. Können Sie sich das vorstellen?
Die Reform der Rot-Weiß-Rot Karte wird kommen, sie ist ein Teil des Regierungsprogramms Arbeits-, Innen- und Wirtschaftsministerium arbeiten bereits daran Wir haben aber auch schon andere Maßnahmen gesetzt. Zum Beispiel die Erleichterung der Zuwanderung in der Pflege oder der Ausbau der Mangelberufsliste.

Wie argumentieren Sie gegenüber Impfgegnern bzw. können Sie Argumente bezüglich Freiheit des Einzelnen nachvollziehen? Sie haben in einem Statement gegenüber den Regionalmedien Austria zum Jahresende gesagt, Sie wollen die Gesellschaft einen, die durch Impfgegner und -befürworter gespalten ist. Wie wollen Sie das konkret anstellen?
Krisen sind auch immer eine besondere Belastung für die Gesellschaft, weil es viele Sorgen und Ängste gibt. 2015 hat beispielsweise die Migrationskrise zu einer massiven Polarisierung im unserem Land geführt. Das ist auch jetzt so, aber leider in größerem Ausmaß. Ich bin überzeugt davon, dass, wenn wir das alles durchgestanden haben und wieder in einem Zustand der Normalität ankommen, auch diese Wunden wieder heilen werden. Bis dahin gilt es, auch wenn es manchmal schwerfällt, den Gegnern der Corona-Maßnahmen die Hand auszustrecken und das Gespräch zu suchen, um sie aufzuklären. Das ist alternativlos.

Immer mehr Polizisten wollen nicht mehr für 2G-Kontrollen herangezogen werden, ebenso formiert sich im Handel Widerstand. Wären da eigene Securities eine Lösung?
Durch die zunehmende Radikalisierung der Maßnahmen-Gegner sind nicht nur Polizistinnen und Polizisten, sondern mittlerweile auch die Handelsangestellte einer zunehmenden Belastung ausgesetzt. Es wurden bereits mehrfach rote Linien überschritten und Menschen auch angegriffen. 52 Polizist/innen wurden bislang allein bei Demonstrationen verletzt, das ist inakzeptabel. Ich habe volles Verständnis dafür, wie schwer das auch für Beschäftigte im Handel ist oder auch im Bereich der Spitäler. Vergangenen Mittwoch haben wir im Ministerrat Maßnahmen zum Schutz von Personal in Gesundheitseinrichtungen beschlossen, das ist wichtig, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen.

Mit einem Bodenverbrauch von durchschnittlich 11,5 Hektar pro Tag verbaut Österreich mehr als das Vierfache des Nachhaltigkeitsziels des Bundes. Nach einem Gipfel im Oktober mit Bund, Ländern und Gemeinden wurde ein Bodenschutz-Vertrag auf den heurigen Herbst verschoben. Naturschützer fordern raschere Maßnahmen, zb Einführung einer Obergrenze. Wie stehen Sie dazu? Sollte man das Thema aus der Verantwortung der Länder und Gemeinden auf den Bund übertragen?
Raum und Boden sind begrenzte Ressourcen, wir müssen daher sorgsam damit umgehen. Im vergangenen Herbst wurde deshalb unter Leitung von Frau Bundesministerin Köstinger die erste Österreichische Raumordnungskonferenz seit über zehn Jahren abgehalten. Daran haben die Vertreterinnen und Vertreter von Bund, Länder, Gemeinden und Sozialpartner teilgenommen und auch das Raumentwicklungskonzept bis 2030 beschlossen. Es ist Strategie und Leitbild für die räumliche Entwicklung in den kommenden zehn Jahren. Ziel ist es, die Zunahme des Bodenverbrauchs um 80 Prozent auf 2,5 ha bis 2030 zu reduzieren.

Ihr persönlicher Beitrag für die Umwelt?

Der Klima- und Umweltschutz steht nicht nur im Regierungsprogramm ganz weit oben auf der Agenda, sondern auch bei jedem Einzelnen von uns, auch bei mir selbst. Ich versuche, auf regionale Produkte zu achten und im Alltag darauf zu schauen, dass man möglichst wenig tut, das dem Klima schadet. Politisch haben wir mit der ökosozialen Steuerreform haben große Schritte gesetzt, um klimafreundliches Verhalten durch Anreize zu fördern. Am Ende meiner Amtszeit möchte ich zurückblicken und sagen können, dass ich alles dafür getan habe, der kommenden Generation einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen. Das sehe ich nicht nur als meinen politischen Auftrag, sondern als Familienvater, auch als höchstpersönliche Verantwortung und Beitrag meinen eigenen Kindern gegenüber.

Eine Bundespräsidentenwahl steht an. Stellt die ÖVP einen Kandidaten auf und wer wäre Ihrer Meinung nach am besten für dieses Amt geeignet?
Einerseits steht für mich zurzeit als Bundeskanzler die Bewältigung der Pandemie und die Umsetzung des Regierungsprogramms an oberster Stelle. Andererseits gebührt es der Respekt vor dem Amt und dem Amtsinhaber, seine Entscheidung abzuwarten.

In aktuellen Umfragen sieht es für die ÖVP nach den Korruptionsvorwürfen vorerst nicht gut aus. Wie konkret wollen Sie das Vertrauen Ihrer Wähler zurückgewinnen?
Ich richte mein Handeln nicht nach Umfragen aus. Mein Job ist es, redlich und hart zu arbeiten, damit werden wir auch das Vertrauen der Menschen wieder zurückgewinnen. Die Menschen werden am Ende der Regierungsperiode entscheiden, ob uns das gelungen ist.

Nächstes Investitionspaket für Gemeinden
Regierung führt Schutzzonen um Spitäler ein
Bundeskanzler Karl Nehammer: "Die Gemeinden sind das Herz und das Rückgrat unserer Republik, diese Mittel werden ja vorwiegend regional investiert und stärken Wirtschaft und Arbeitsplätze." | Foto: Markus Spitzauer
Nehammer: "Durch die zunehmende Radikalisierung der Maßnahmen-Gegner sind nicht nur Polizistinnen und Polizisten, sondern mittlerweile auch die Handelsangestellte einer zunehmenden Belastung ausgesetzt." | Foto: Markus Spitzauer (Archiv)

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