Trauriger Rekord
Höchststand bei antisemitischen Vorfällen

Präsident Oskar Deutsch sprach bei der Präsentation des Berichts für 2021 am Freitag von einem Negativrekord. | Foto: IKG Wien
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  • Präsident Oskar Deutsch sprach bei der Präsentation des Berichts für 2021 am Freitag von einem Negativrekord.
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Im Jahr 2021 wurden 965 antisemitische Vorfälle an die Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) gemeldet. Dies entspricht im Vergleich zum Vorjahr mit 585 Vorfällen einem Anstieg um 65 Prozent und somit der höchsten erfassten Anzahl seit Beginn der Dokumentation vor 20 Jahren.

ÖSTERREICH. Im ersten Halbjahr erfolgte ein dramatischer Anstieg der Vorfallsmeldungen, der im Sommer zurückging. Im Herbst verschärfte sich die Atmosphäre jedoch abermals, berichtet die Meldestelle. Der Negativrekord an Vorfällen im Mai (167) war aus Sicht der Meldestelle vor allem auf die militärische Eskalation zwischen palästinensischen Terrororganisationen in Gaza und dem Staat Israel zurückzuführen und die bereits seit Ende 2020 zunehmenden rechtsextremen Aktivitäten im Rahmen der Pandemie.

Mit 113 Vorfällen wurden im November die zweitmeisten registrierten antisemitischen Vorfälle gemeldet. Diese standen laut IKG-Generalsekretär Benjamin Nägele primär im Kontext neuer Corona-Schutzmaßnahmen und der damals angekündigten Impfpflicht. Der Großteil der gemeldeten Vorfälle fand in Sozialen Netzwerken (386) statt. Auf persönlicher Wahrnehmung basieren 292 der Fälle. Im Online-Bereich wurden 131 Vorfälle verzeichnet. Hierbei wurden aber oft mehrere Kommentare zu einem Vorfall zusammengefasst.

48 Prozent der Vorfälle von "rechts"

48 Prozent der antisemitischen Vorfälle werden im Bericht unter "Rechts" eingeordnet, 15 Prozent unter "Links" und elf Prozent unter "Muslimisch", der Rest war nicht zuordenbar. Auffällig ist für Nägele, dass bei Angriffen und Bedrohungen der muslimische Hintergrund überwiegt: Bei den Angriffen waren es sieben von zwölf, bei den Bedrohungen 14 von 22.

Im Jahr 2021 wurden der Antisemitismus-Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien 965 antisemitische Vorfälle gemeldet. | Foto: LPD
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Polizei wird sensibilisiert

Nägele erwähnte beispielsweise die Attacke auf einen als jüdisch erkennbaren Buben auf der Salztorbrücke in Wien, aber auch die Bedrohung einer nicht-jüdischen Studentin in der U-Bahn, die ein Buch über jüdische Geschichte gelesen hatte. "Antisemitismus betrifft nicht nur die jüdische Gemeinschaft, sondern die gesamte Gesellschaft", betonte er in diesem Zusammenhang. Die Polizei wollte dies zunächst nicht als antisemitistischen Vorfall aufnehmen, hier werde nun sensibilisiert.

"Das wichtigste: So erschreckend das ist, wir werden uns nicht einschüchtern lassen", betonte Präsident Oskar Deutsch. Man kämpfe gegen Antisemitismus mit jüdischem Leben an. Notwendig seien dafür aber massive Ausgaben für die Sicherheit. 20 Prozent gebe die IKG dafür aus, pro Kopf mehr als der Staat Israel.

Enge Kooperation mit Staatsschutz

Künftig soll die Meldestelle und die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) besser vernetz werden, kündigte das Innenministerium in einer Stellungnahme zum Antisemitismusbericht an. "Das entschlossene Vorgehen gegen jede Form von Antisemitismus ist nicht nur historische Verantwortung, sondern vor allem aktuelle Herausforderung - der sich die Polizei und der Staatsschutz umfassend stellen", unterstrich Innenminister Gerhard Karner (ÖVP).

Bei Corona-Protesten gab es immer wieder mangelnde Abgrenzung zu Antisemitismus und Rechtsextremismus. | Foto: privat
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Kampf gegen Antisemitismus ein Marathon, kein Sprint

Für Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sei der Anstieg "beschämend" und "für uns Mahnung und Auftrag zugleich". "Mahnung, dass Antisemitismus leider noch immer in unserer Gesellschaft verankert ist und Auftrag, dass wir weiterhin gegen jede Form von Antisemitismus konsequent vorgehen". In dem Zusammenhang verrwies Edtstadler auf die Verabschiedung der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus im Jahr 2021. " Klar ist, wir sind mit unserer Arbeit noch lange nicht fertig. Der Kampf gegen Antisemitismus ist ein Marathon und kein Sprint.“

Antisemitismus kommt aus Mitte der Gesellschaft

Auch SPÖ-Nationalratsabgeordnete und Generalberichterstatterin gegen Rassismus und Intoleranz, Petra Bayr zeigt sich "erschütternd": „Antisemitismus ist nicht nur eine Gefahr für Jüdinnen und Juden, sondern auch für unsere Demokratie. Antisemitismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft und findet nicht nur an ihren Rändern statt". Bayr erinnerte an Corona-Protesten, die immer wieder durch eine mangelnde Abgrenzung zu Antisemitismus und Rechtsextremismus aufgefallen sind. Sie fordert von der Politik großes Engagement, "vom Ortsverein bis auf die europäische Ebene, um diese Tendenz zu stoppen".

NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper fordert die Regierung auf, endlich mehr in Sachen Prävention zu machen: „Bekämpfung von Antisemitismus müsse durch Bildung, Aufklärung in Communities und ein entschiedenes Auftreten gegen jede Form von Antisemitismus auf allen Ebenen unserer Gesellschaft passieren".

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