Kommunale Sommergespräche
Was am Arbeitsmarkt heute wirklich zählt

(v.li.): Robert Nagele, Vorstand von Billa Österreich, Michael Salomo, Oberbürgermeister der deutschen Stadt Heidenheim, Maria Jelenko, Chefredakteurin RegionalMedien Austria, Jubin Honofar, Co-Founder und CEO von whatchado, Kosima Kovar, die sich als Co-Founder & CEO von ADA Power Woman | Foto: Österr. Gemeindebund
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  • (v.li.): Robert Nagele, Vorstand von Billa Österreich, Michael Salomo, Oberbürgermeister der deutschen Stadt Heidenheim, Maria Jelenko, Chefredakteurin RegionalMedien Austria, Jubin Honofar, Co-Founder und CEO von whatchado, Kosima Kovar, die sich als Co-Founder & CEO von ADA Power Woman
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Bei den Kommunalen Sommergesprächen in Bad Aussee ging es heuer um das Thema "Zeitenwende – Strukturen im Wandel". Dabei sprachen Expertinnen und Experten über brennende Fragen zu neuen Lebenswelten für Bildung, Arbeit, Migration, Energie und Dekarbonisierung. 

ÖSTERREICH. Viele Themen wurden in Bad Aussee auch heuer wieder angerissen. Themen, die die Gesellschaft betreffen, und die an die Notwendigkeit für Veränderungen erinnern. Eine hochkarätigen Besetzung widmete sich unter anderem unter der Leitung von RegionalMedien Austria, Maria Jelenko-Benedikt, dem Panel "Arbeitswelten unter neuen Vorzeichen".

Am Podium diskutierten: Kosima Kovar, die sich als Co-Founder & CEO von ADA Power Woman aktiv für die Sichtbarkeit von Frauen einsetzt. und mit der Gründung der ersten Social & Green Marketing Agentur Österreichs - sgreening bekannt wurde. Michael Salomo, Oberbürgermeister der deutschen Stadt Heidenheim, Mitinitiator und Sprecher des Netzwerks Junge Bürgermeister*innen, außerdem Lehrbeauftragter an der Intersectoral School of Governance Baden-Württemberg sowie an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl. 
Jubin Honofar, der als Pionier der neuen Arbeitswelt gilt und Co-Founder und CEO von whatchado ist, und mehrfach für seine Maßnahmen im Personalmarketing und deine Recruiting Kampagnen ausgezeichnet wurde. Und schließlich Robert Nagele, Vorstand von Billa Österreich, seit 2020 für das Ressort Immobilien und Technik zuständig.

Neue Bedürfnisse in der Arbeitswelt

Bei der Diskussion ging es unter anderem um die Frage, wie es sein kann, dass trotz Vollbeschäftigung viele Branchen einen eklatanten Mangel an Arbeitskräften suchen, vor allem qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Konkret klagen 73 Prozent der UnternehmerInnen über einen Mangel – kommt die Babyboomer-Generation in die Pensionsjahre, wird sich die Lage verschärfen, wenn man nichts gegen die veränderte Situation unternimmt. Es ging auch um die Frage, ob diese Situation etwas mit den veränderten Bedürfnissen der Generation Z zu tun hat, für die sich die Bedeutung der Arbeit geändert hat, Stichwort Work-Life-Balance, Wertschätzung, Nachhaltigkeit, Sinnhaftigkeit, und was geändert werden muss, damit die Wirtschaft Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter findet und vor allem auch bindet, damit die Wirtschaft nicht, überspitzt gesagt, den Bach runtergeht.

Ergebnisse einer Umfrage von Jugendforscher Simon Schnetzer* über neue Erkenntnisse zu Lage und Bedürfnisse der Generation Z und Y in Freizeit und Beruf flossen ebenso in die Diskussion ein, wie die aus der Marketagent-Studie von lifeCREATOR Consulting von Heinz Herczeg. Laut der Studie von Simon Schnetzer leidet die Generation Z unter Zukunftsängsten und finanziellen Problemen, sie wünscht sich mehr Sicherheit. Laut der Marketagent-Studie von Heinz Herczeg April 2022 erfüllen nur rund 50 Prozent der österreichischen ArbeitgeberInnen die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 50 Prozent sind enttäuscht. 

Vier-Tage-Woche als mögliches Instrument von Work-Life-Balance

Zur Frage um notwendige Veränderungen bei den Rahmenbedinungen in Politik und Wirtschaft, also was Arbeitgeber und Politik heute ihren Arbeitskräften bieten müssen, erzählte Jubin über seine Erfahrungen mit der Einführung der Vier-Tage-Woche (bei vollen Bezügen) in seinem Unternehmen watchado, die seit diesem Jahr eingeführt wurde. Dabei habe man stark auf die Bedürfnisse der MitarbeiterInnen Rücksicht genommen. Dadurch notwendige Nachbesetzungen habe es kaum gegeben, zeitliche Lücken habe man fast nicht kompensieren müssen. Was die Zufriedenheit der Besetzung angeht, spüre man schon mehr Motivation. Manche MitarbeiterInnen würden die gewonnene Zeit für einen Nebenjob nützen, um so ihre finanzielle Situation zu verbessern.

Wünsche der MitarbeiterInnen berücksichtigen

Billa-Vorstand Nagele stellt fest, dass MitarbeiterInnen die Nähe zu ihrem Arbeitsplatz immer wichtiger geworden ist. Die Zentrale in Wiener Neustadt sei geographisch für viele nicht ideal, sodass man sharing-Arbeitsplätze in Wien-Nähe errichtet habe. Überhaupt versuche man bei Billa, den Wünschen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so gut wie möglich entgegen zu kommen, um diese weiter an das Unternehmen zu binden und ihnen das Arbeiten so angenehm wie möglich zu machen.

Zu wenig Chancen für Frauen am Arbeitsmarkt

Für Kovar ist ganztägige Kinderbetreuung ein großes Manko in der Möglichkeit, mehr Frauen im Berufsleben einzubinden. Immer noch seien viele Frauen nur halbtags berufstätig, beklagte Kovar, und immer noch seien es die Frauen, die für Kinderbetreuung hauptsächlich zuständig seine, obwohl es schon Möglichkeiten gebe, sich die Betreuung aufzuteilen. Auch würden viele Frauen in der Pflege mit Angehörigen tätig sein, was ihre Chancen am Arbeitsmarkt zusätzlich verringere. Nagele konnte dieses Argument nicht wirklich nachvollziehen: Bei Billa würden mehr Frauen als Männer beschäftigt sein, Frauen und Männer seien in dem Unternehmen zudem gleichgestellt. Honarfar beklagte, dass das System des Pensionssplittings viel zu wenig bekannt gemacht worden sei. 

Überregulierung als Hemmschuh in den Kommunen

Salomo, der sich in seiner Funktion als Oberbürgermeister vermehrt als Krisenmanager sieht, glaubt, dass es besonders wichtig sei, heutzutage die Bürgerinnnen und Bürger in politische Entscheidungen und Prozesse mit einzubeziehen, um die Regionen auch für Junge attraktiv zu machen. Was die Förderung von Selbständigen betrifft, beklagte der Bürgermeister eine "Überregulierung" der Politik. Hier sei ein gesundes Maß an Einschätzung bei den Ortsverwaltern  gefragt – eine Eigenschaft, die sich oft erst nach ein paar Amtsjahren einstelle. Das würde auch viele Bürgerinnen und Bürger in eine zufriedenere Position bringen. Gleichzeigit bedauerte Salomo, dass die Menschen gerade in Zeiten der Krise nicht mehr "Dankbarkeit" und Glücksempfinden aufbringen – in Mitteleuropa Attribute, die durchaus Berechtigung hätten, wenn man sich die Lage in anderen Kontinenten anschaue. Honarfar erklärte dieses Phänomen damit, dass, je näher Missstände an die Menschen kommen – Stichwort Unfall– desto betroffener seien sie auch.

Wertschätzung für MitarbeiterInnen wichtiger denn je

Ein Thema war auch das Thema Wertschätzung als notwendige Eigenschaft von Arbeitgebern gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, egal welcher Altersklasse. Basisdemokratische Führung sei nicht zielführend, meinte dazu Honarfar, jedoch sehr wohl ein hohes Maß an Respekt und Anerkennung. Für Kovar bringen Frauen oft mehr "soft skills" in die Arbeitswelt mit und sind daher beim Thema Vertrauen, Flexibilität und Wertschätzung Männern oft überlegen. Nagele, der bestätigte, dass der Applaus für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Supermärkten ein "Strohfeuer" war und verstummt ist, lobte einmal mehr die Arbeit der Supermarkt-Angestellten. Wertschätzung sei bei Billa ein Thema, das mithilfe eines im Vorstandsbereich auf freiwilliger Basis erstellten Wertekatalogs den Angestellten weitergegeben werde. Anhand dessen würde man immer wieder an jene Eigenschaften erinnert, die als Führungskraft von Bedeutung seien, um die Arbeitskräfte zu motivieren und mitzunehmen.

Nachhaltigkeit als sinnstiftendes Kriterium in der Arbeitswelt

Zum Thema Nachhaltigkeit und Soziales verteidigte Nagele das Engagement von Billa nicht nur in Bezug auf Produkte, die einen ökologischen Wert haben (zb. "Ja Natürlich"), sondern wies auch darauf hin, dass das Unternehmen Klimabündnis-Partner sei. Zudem würden viele MitarbeiterInnen freiwillig über die Filialen soziale Projekte initiieren und unterstützen. Was die Bodenversiegelung durch das Bebauen von Filialen auf Grünland angeht, verwiese Nagele darauf, dass das Unternehmen wichtiger Arbeitgeber in den Regionen sei und alle Baugenehmigungen legal erhalten habe. Stichwort Baugenehmigungen: Hier sah Salomo die Notwendigkeit, dass die Politik nicht nur ihrer Aufgabe nachkomme, die Gemeinden beim Instandhalten von öffentlichen Gebäuden zu unterstützen, sondern auch bei vielen gemeinnützigen Projekten die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen im Stich ließe. Man müsse aufpassen, dass in Europa nicht junge, gut ausgebildete Fachkräfte in andere Kontinente abwandern. Kovar machte darauf aufmerksam, dass es vor allem Frauen sind, die diese Themen vorantreiben. Doch beobachte sie, dass vor allem junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viel Wert auf sinnstiftende Arbeit legen. Auf die Frage, wie sich Unternehmen, die sich naturgemäß nicht mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen, verhalten sollen, meinte die Expertin, dass man als UnternehmerIn immer reflektieren müsse, welchen Aspekt von Nachhaltigkeit oder sozialem Engagement man publik macht, um mögliche neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu generieren. 

Wünsche an die Gesetzgeber

Auf die Frage nach den dringlichsten Rahmenbedingungen, die die Regierung schaffen muss, aber auch Unternehmen sich aneignen müssen, damit die Arbeitswelt in ein gesundes Lot kommt, wünscht sich Nagele bessere Rahmenbedingungen für nicht österreichische Arbeitskräfte, ein besseres Lohnsystem (mehr netto vom Brutto) und eine Entbürokratisierung.

Salomo wünscht sich vor allem, dass kleinere Unternehmen in den Regionen stärker gefördert werden, denn: Gehe in Großunternehmen, etwa eine Kette, pleite, würde dies mit dem Verlust von einer großen Anzahl an Arbeitskräften die Region viel mehr schwächen, als wenn ein oder zwei kleine Betriebe zusperren müssen. Auch er wünscht sich eine stärkere Deregulierung durch die Gesetzgeber.

Kovar würde flächendeckende Kinderbetreuung in Österreich genauso begrüßen, wie gleiche Bezahlung für Frauen, und eine Entlastung im Bereich Pflege.

Für Honarfar steht das Thema Gehälter im Fokus, aber auch die Notwendigkeit, dass an Schulen die Möglichkeiten der Berufswahl stärker aufgezeigt wird. Mädchen würden von Anfang an in bestimmte Berufe gedrängt werden. Adäquate Berufsberatung sein ein wesentlicher Bestandteil der Bewusstseinsbildung, für welche Berufszweige sich junge Menschen entscheiden.

*Studienergebnisse Junge Österreicher:Innen 2021 (Repräsentativbefragung 14-39-Jährige)
Seit dem Jahr 2010 erforscht Schnetzer im deutschsprachigen Raum den Einfluss von Digitalisie-rung auf die Lebens- und Arbeitswelten von morgen, um mit ArbeitgeberInnen, Brands oder Kommunen Zukunft zu gestalten.

Über die „Kommunalen Sommergespräche“

Die Denkfabrik wurde 2005 vom Österreichischen Gemeindebund gemeinsam mit der Kommunalkredit initiiert, um Gemeinden inhaltliche Impulse zu geben, neue Ideen und Lösungsansätze zu bieten und sich zu vernetzen.

 
Mehr zum Thema:

"Kommunale Sommergespräche" mit Fokus auf Bildung und Arbeit

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