Wifo-Studie
Wie man über Steuern den Bodenverbrauch minimieren kann

Raubbau am Boden, wie hier in Zürs. | Foto: WWF
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Können Steuern den Bodenverbrauch bremsen? Dazu präsentierte das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) im Auftrag der Hagelversicherung eine aktuelle Studie "Steuerpflichtige Instrumente zur Verringerung des Bodenverbrauchs in Österreich". Fazit: Zusätzlich zu raumplanerischen Maßnahmen braucht es eine fiskalische Strukturreform mit unter anderem Zweckwidmung von Steuern zur Sanierung von Altbestand und zur Mobilisierung von Leerstand.

ÖSTERREICH. „In Österreich findet eine schleichende Zerstörung der Natur durch Verbauung statt!“, schlägt Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung, Alarm. Wetterextremereignisse wie Überschwemmungen nehmen durch die Verbauung in Österreich massiv zu. „Wir haben in Österreich zu wenig Respekt vor der Lebensgrundlage Boden!“, so der Experte.
 

Selbstversorgung sinkt

130.000 Hektar Agrarflächen wurden in den letzten 20 Jahren verbaut, wodurch der Selbstversorgungsgrad in Österreich sinke – Brot werde noch zu 90 Prozent im Land produziert, Erdäpfel zu 80 Prozent, Obst und Gemüse nur mehr zu 50 Prozent, Soja und Getreide überhaupt nur noch zu 30 Prozent. Weinberger über diese Zahlen: "Das bedeutet, Österreich ist im Bereich der Selbstversorgung bereits verletzbar." Durch den Rückgang der Ackerböden hätten zwischen den Jahren 2000 bis 2020 insgesamt 480.000 Menschen weniger ernährt werden können. Zusätzlich wachse die Bevölkerung, was das Problem befeuere und den Importbedarf erhöhe.

Höhere Lebensmittelpreise

Österreich verbaue derzeit konkret 11,5 Hektar täglich, also mehr als das Vierfache dessen, was sich die Regierung als Ziel gesetzt habe – mit 15 Meter Straßenlänge pro Kopf verfüge das Land über die höchste Straßenlänge pro Kopf in Europa. Gleichzeitig verfüge Österreich über die höchste Supermarktanzahl in ganz Europa, erinnerte der Chef der Hagelversicherung. Das bedeutet auch, dass in Österreich die KonsumentInnen höhere Preise für Lebensmittel zahlen müssen.

Ursachen dieser Zerstörung

Als einen Grund nennt Weinberger die "Raum-(Un)ordnung" in Österreich. Als weiteren Grund
sieht er steuerliche Gründe. salopp gesagt: Je mehr Gemeinden die Natur zerstören, umso mehr Steuereinnahme erhalten sie über Grund- und Kommunalsteuer, weil deren derzeitige Ausgestaltung Anreize für Gemeinden bieten, unbebautes in bebautes Land umzuwidmen (weil das die Grundsteuer erhöht). Weinberger: "Diese Steuern steuern falsch! Wenn wir so weiter tun, wie in den letzten 20 Jahren, gibt es in 200 Jahren keine Agrarflächen mehr!" Österreich müsse Agrarland bleiben. Dazu brauche es aber ausreichend Böden. Denn, so Weinberger: "Von Beton kann niemand abbeißen."

Für Wifo-Chef Gabriel Felbermayr ist das Thema auch volkswirtschaftlich relevant, weil "ungezügelter Bodenverbrauch" Wohlstand kostet:

"Wir können Boden nicht wie Erdöl importieren, Boden kann nicht vermehrt werden. Boden ist knapp, auch, weil Österreich topographisch nicht viel Ackerland zur Verfügung hat."

Das aktuelle Steuer- und Ordnungsrecht würde den Bodenverbrauch befeuern. Das Problem: Versiegelte Flächen sind irreversibel und haben Auswirkungen auf die Biodiversität als auch CO2-Speicherung. Und Österreichs Zersiedelung ist teuer – weil damit hohe Infrastrukturkosten einhergehen. Auch für dem Tourismus schade die hiesige Bodenpolitik, weil "die Landschaft wird nicht schöner durch die Versiegelung."

Lösungsmaßnahmen über Steuern

Anders als beim Klimaschutz ist Bodenversiegelung ein nationales Thema, dh wir können selbst Änderungen vornehmen, ruft Felbermayr in Erinnerung. Folgende Beispiele für Maßnahmen, die sich auf eine Reduzierung des Bodenverbrauchs auswirken würden, führte Wifo-Ökonomin Margis Schratzenstaller anhand der Wifo-Studie an, und hob die derzeit laufenden Gespräche zu Bodenschutzstrategie und Finanzausgleich als Chance hervor (zb Grundbesteuerung – aktuell nur geringe Belastung von Boden. Derzeit existierende Abgaben wie in Tirol bundesweit ausrollen!) :

  • Einführung einer bundesweiten Leerstandsabgabe mit Leerstandsregister, dh. bereits für Bauland genutzte Flächen würde dem Staat mehr bringen, siehe Beispiel Tirol, wo dies bereits praktiziert werde. Auch müssen man sich die Frage stellen, woher der Leerstand kommt. Mit der Wiedereinführung der Zweckwidmung des Wohnbauförderungsbeitrags und eines Teils der Verwendung der Mittel für Altbausanierung könnten helfen, den Leerstand einzudämmen. 
  • Grunderwerbssteuer senken. Eine hohe Steuer führe dazu, dass bestehende Immobilien weniger verwendet werden.
  • Bundesregierung muss sich quantitative Messgrößen mit konkreten Zielen setzen.

Indirekt könne man über eine erhöhte Treibstoffsteuer, die Abschaffung oder Verminderung der Pendlerpauschale bzw. Abschaffung der Befreiung für Abgaben der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur ebenfalls positive Effekte erreichen.

Mögliche Strategien zur Vermeidung des Bodenverbrauchs

Schratzenstaller führte auch drei weitere Beispiele an, wie Österreich zu weniger Bodenverbrauch kommen könnte:
Vermeidung: Eindämmung der Widmung unbebauter Flächen in Bauland
- Handel mit Flächenzertifikaten (Bsp. Deutschland mit Pilotversuchen) – bundesweite Einführung von Flächenzertifkaten von max. verbrauchten Flächen und diese an Gemeinden weiter geben - pro Kopf umgerechnet. Gemeinden, die mehr Flächen brauchen, könnten Zertifikate dazu kaufen, schrumpfende Gemeinden könnten ihre hingegen verkaufen.
- Co2-Zertifikate, wenn unbebautes Land umgewidmet wird, weil ja die CO2-Speicherkapazität in Siedlungsland viel geringer als zb in Wäldern oder Grünland. -> Bepreisung wäre Lückenschluss in der CO2-Bepreisung. 
- Gemeindeübergreifgende Planung von Flächen, zb für Supermärkte – wäre auch finanzieller Anreiz für Gemeinden

Wiederverwertung (Nutzung von Leerstand)
- Flächendeckende verpflichtende Leerstandsabgabe (Problem mit Supermärkten kriegt man nicht mit steuerlichen Instrumenten in den Griff)
- Reform der Wohnbauförderung
- Bewertung leerstehender Betriebsgebäude

Intensivierung: Bauland intensiver nützen: Ein Viertel der gewidmeten Flächen liegen brach -Nutzung von bereits verbautem Bauland, also Verdichtung
- Bundeweit verpflichtende Zweitwohnsitzabgaben
- Reform des Wohnbauförderungsbeitrags (Zweckwidmung zur Sanierung von Altbestand, um Altbestand zu sanieren - derzeit ungebunden)

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