Politischer Islam
Wie radikale Muslime Jugendliche aufhetzen wollen

- Die Organisationen wecken beim jungen Zielpublikum Ängste und Misstrauen gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat und seinen Institutionen, heißt es in dem Bericht.
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Der Österreichische Fonds zur Dokumentation von religiös motiviertem politischen Extremismus (Dokumentationsstelle Politischer Islam) hat die erste Publikation 2023 veröffentlicht. Thema: islamistische Aktivitäten in den sozialen Netzwerken. Zielpublikum extremistischer Gruppierungen sind vor allem muslimische Jugendliche, womit ein Nährboden für eine weitere Radikalisierung geschaffen werde, heißt es in dem Bericht.
ÖSTERREICH. Die Dokumentationsstelle informiert über Aktivitäten islamistischer Influencer am Beispiel der drei Gruppierungen "Generation Islam", "Realität Islam" und "Muslim Interaktiv". Mit professioneller Social-Media-Arbeit und aktionistischen Kundgebungen wenden sich die Initiativen an eine junge Zielgruppe im gesamten deutschsprachigen Raum. Diese Gruppierungen nützen laut Bericht aktuelle Themen zur Verbreitung von religiösem Extremismus bei Jugendlichen – mit teils antisemitischen und anderen extremistischen Botschaften. In dem Bericht heißt es konkret:
Aktuelle gesellschaftliche Anliegen werden dabei im Sinne eines islamistischen Verständnisses umgedeutet und für die eigenen Zwecke instrumentalisiert. Adressaten ihrer Kampagnen und Auftritte sind in erster Linie muslimische Jugendliche, die kaum merkbar oder gar unbewusst mit islamistischem Gedankengut vertraut gemacht werden. Sie sollen damit langfristig an den Politischen Islam und ein geschlossenes Weltbild herangeführt werden.
Nährboden für Radikalisierung muslimischer Jugendlicher
Die vorrangig männlichen Aktivisten der drei Gruppierungen, die dem Spektrum des Politischen Islam zuzuordnen sind, scheinen der in Deutschland mit einem Tätigkeitsverbot belegten islamistischen Bewegung "Hizb ut-Tahrir" ideologisch nahezustehen. Die Organisationen wecken beim jungen Zielpublikum Ängste und Misstrauen gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat und seinen Institutionen, heißt es in dem Bericht.
Lisa Fellhofer, Direktorin der Dokumentationsstelle Politischer Islam:
„Die Gruppierungen versuchen aus einer islamistischen Ideologie heraus, den bestehenden liberalen Rechtsstaat zu überwinden. Über Social-Media-Kanäle wird ein junges Zielpublikum erreicht und eine virtuelle Gegenöffentlichkeit im Sinne einer religiös begründeten exklusiven Identitätspolitik geschaffen. Die Inhalte können den Religionsfrieden innerhalb wie außerhalb der muslimischen Glaubensgemeinden empfindlich stören“.
Auch Österreich wird thematisiert
Ihre Auftritte beinhalten populäre Themen, die bei muslimischen Jugendlichen eine Abwehrhaltung gegenüber der offenen Gesellschaft festigen sollen, heißt es vonseiten der Dokumentationsstelle. Unter anderem schaffen Forderungen, etwa nach einem Kalifat, den Nährboden für eine weiterführende Radikalisierung, so die Beobachter. Die jungen Abonnentinnen und Abonnenten der Social-Media-Kanäle stammen grenzübergreifend aus dem deutschsprachigen Raum. In den Videos werde auch Österreich immer wieder thematisiert. Kritische Stimmen, etwa Extremismus-Präventionsstellen oder wissenschaftliche Einrichtungen, werden öffentlich diskreditiert. In ihren Videos gehe es um Diskriminierungserfahrungen, politische Angriffe auf uns Muslime, die intellektuelle Überlegenheit des Islams sowie Alltagstipps“ für ein richtiges Leben in einer als unrichtig empfundenen Gesellschaft, so die Analysten.
Aufforderung zum Tragen der Burka
Ihre radikale Rhetorik zeige sich auch an der Einbettung globaler Geschehnisse in das ideologische Muster der Initiativen. "Generation Islam" begrüße etwa die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan als Sieg über den Westen. "Realität Islam" wiederum fordere auf Social-Media-Kanälen die muslimische Bevölkerung dazu auf, sich zur Burka zu bekennen. "Muslim Interaktiv" inszeniere sich über die sozialen Netzwerke hinaus immer wieder bei martialisch anmutenden Demonstrationen als "kämpferische Gruppierung". Bei Protesten der Gruppe im Februar 2023 in Hamburg sei unter anderem eine strikte Geschlechtertrennung auffällig gewesen. Bei bisherigen Kundgebungen sei es auch zu verharmlosenden Vergleichen mit nationalsozialistischen Verbrechen gekommen.
„Er ist wieder da“
Im November 2020 hatten rund 100 Mitglieder unter dem Motto „Rassismus und Diskriminierung in Österreich“ vor der Österreichischen Botschaft in Berlin gegen einen damals geplanten Straftatbestand „Politischer Islam“ demonstriert. Mit dem Slogan „Er ist wieder da“ und dem Hashtag #AnschluSS hätten sie Assoziationen zum Nationalsozialismus geweckt und beschworen durch eine Gleichsetzung der heutigen Situation mit den Zuständen im nationalsozialistischen Österreich 1938–45 die Gefahr einer „Shoah“ für Muslime: „Doch wir schreiben nicht das Jahr 1933; im Jahr 2020 geht es nicht um die Marginalisierung von Juden, sondern der islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs.“
Ziel: Unterwanderung des Staats
Fazit der Experten aus dem Bericht: Mit Dokumentationen zum Islam, zum „richtigen“ islamischen Glauben und zur „wahren“ muslimischen Identität (immer im eigenen extremistischen Verständnis) wird Lebenshilfe angeboten und Sinnstiftung vermittelt (und nebenbei subtil an die eigene extremistische Ideologie herangeführt). Alle drei Gruppierungen würden an einer Umgestaltung von Gesellschaft, Kultur, Staat und Politik anhand von Werten und Normen, die sie selber als islamisch definieren, arbeiten. Dazu bemühen sie sich gegenüber der eigenen Anhängerschaft um Skandalisierung und Emotionalisierung, knüpfen gezielt an Diskriminierungserfahrungen an und diffamieren Integration als „Assimilationsterror“ und „Bekenntniszwang“.


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