Finanzberaterin Potzgruber
"Da standen lauter Yuppies mit Hosenträgern"

Im Rahmen unserer Serie "Frauen in der Wirtschaft" erzählt die Vermögensexpertin und Finanzberaterin Margit Potzgruber im Gespräch mit MeinBezirk.at, wie sie zu diesem Beruf gekommen ist, und warum Frauen vorsichtiger beim Investieren sind.

ÖSTERREICH. Von der Bergbauerntochter, die einen Bauern heiraten sollte, zur angesehenen Finanzberaterin mit Kanzlei im ersten Wiener Bezirk: Margit Potzgruber über ihren steilen Karriereweg. Die Vermögensexpertin ermutigt Frauen, diesem Beruf nachzugehen.

MeinBezirk.at: Sie sind Finanz- und Vermögensberaterin. Wie genau kann man sich Ihren Arbeitsalltag vorstellen?
Margit Potzgruber: Ich habe viel mit Menschen und deren Bedürfnissen zu tun. Da steckt sehr viel Papierarbeit, und sehr viel Markt-Recherche dahinter: Sondieren, Vergleichen und auch Verhandeln. Beispiel: Jemand möchte eine Wohnung finanzieren. Ich kläre mit ihm ab, was für Anforderungen und Bestände er hat, vergleiche die Marktsituationen und verhandle dann mit den Banken. Schließlich kann der Kunde aus mehreren Angeboten das passendste wählen. Gerade bei Wertanlagen versuche ich, die Bedürfnisse des Kunden zu verstehen. Da geht es darum, Werte zu erhalten und zu mehren und darum, Geld verfügbar zu haben. Hier arbeite ich mit ihnen gemeinsam ein passendes Konzept aus.

Welche Ausbildung braucht man für diesen Beruf?

Heutzutage macht man am besten ein Wirtschaftsstudium. Ansonsten muss man gerne mit Menschen arbeiten wollen und sich auch ein bisschen mit Zahlen beschäftigen. Es geht aber nicht um Finanzmathematik, sondern eher darum, Lösungsansätze zu erarbeiten. Diese Herausforderung macht mir Spaß.

Sie sind im niederösterreichischen Voralpenland auf einem Bauernhof aufgewachsen. 1996 wagten Sie den Schritt in die Finanzdienstleistungsbranche. Seit dieser Zeit beraten und begleiten Sie Kunden zum Aufbau ihrer finanziellen Vorsorge. Seit 2008 betreiben Sie eine eigene Kanzlei in der Wiener Innenstadt. Wie sind Sie zu diesem Beruf gekommen?
Da bin ich reingeschlittert. Tatsächlich bin ich eine Bergbauerntochter. Der Karriereplan war damals ein klassischer: Ich sollte einen Bauern heiraten. Ich aber wollte etwas anderes, wusste aber nicht, was. Denn ich wurde nie gefördert. Also habe ich mich einfach erkundigt. Ich war immer schon neugierig, habe immer gern mit Menschen kommuniziert. Kurzzeitig war ich in der Modebranche, weil mich Mode vor 30 Jahren schon interessiert hat. Da musste ich aber immer in einem Geschäft stehen, und es war sehr kurzlebig. Verdient hat man auch nicht viel. Mode ist für mich nach wie vor eine Energiequelle für Kreativität.

Damals war dann das Thema Marketing angesagt, und das klang total spannend. Es war eine Zeit, wo man, wenn man fleißig war, alles erreichen konnte. Es gab keine Barrieren, außer im Kopf. Ähnlich wie heute bei den Influencern. Ich habe mich also im Bereich Marketing in allen Wifi-Kursen eingeschrieben, habe auch einen online-Kurs gemacht, mich weitergebildet, alles aufgesogen, wie ein Schwamm. Schließlich habe ich jemanden kennengelernt, der im Marketing einer Vermögensverwaltung tätig war. Er hat mir Unterlagen gegeben und mich eingeladen. Ich kam an jenem Abend um 20.15 Uhr – das weiß ich heute noch – in sein Büro, das um diese Uhrzeit noch voll war! Das war wie im Film „Wall Street“: Da standen lauter Männer mit Hosenträgern. Ich bekam die Chance, dort als Praktikantin zu arbeiten. Man brachte mir bei, dass dieser Job eine sozialpolitische Aufgabe ist, weil wir Menschen beibringen, wie sie mit Geld umgehen. Damals gab es dafür noch keine Bildung. Über Geld sprach man einfach nicht.

Finanz- und Vermögensberaterin Margit Potzgruber: Wir brauchen mehr Frauen, mehr Role Models in diesem Berufsfeld, die auch Freude daran haben, Wissen weiterzugeben, zu beraten, zu begleiten.  | Foto: Kilian Scharf
  • Finanz- und Vermögensberaterin Margit Potzgruber: Wir brauchen mehr Frauen, mehr Role Models in diesem Berufsfeld, die auch Freude daran haben, Wissen weiterzugeben, zu beraten, zu begleiten.
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Sie haben gesagt, es gab keine Barrieren damals, außer im Kopf. Waren da nicht auch Barrieren, als sie in dieser sehr männerdominierten Branche begonnen haben?
Ich habe keinen Nachteil als Frau gespürt. Ich war ja Praktikantin, darum haben sich alle um mich gekümmert. Männer unterstützen gerne andere als Mentor. Weil ich auch selbst gerne unterstützend tätig bin, war es dann so, dass jeder dachte, ich bin die beste Sekretärin. Ich bekomme heute noch Angebote, ein Büro zu leiten. Ich nehme das nicht persönlich, sondern lasse die Männer in dem Glauben und beweise ihnen und mir selbst dann, dass ich vielleicht mehr draufhabe. Heute noch werde ich oft unterschätzt. Das kann aber auch vorteilhaft sein.

Sie waren ja auch im Netzwerk „Trenn dich“ tätig, wo Frauen und Männer bei Scheidungen im rechtlichen, aber auch vermögensverwaltenden Sinn beraten werden. Was für Erfahrungen haben Sie hier in Bezug auf geschlechterspezifischen Umgang mit Vermögen gemacht?
Ich habe mich im Alter von 30 Jahren stark in Frauennetzwerken engagiert. Das war damals, als ob man eine eigene Parallelwelt gründet, weil wir gegen diese gläserne Decke für Frauen gekämpft haben. Ich hatte eigentlich jeden Tag mit Männern zu tun, und mit dem Thema Geld, weil sich Männer früher mehr für Geld und Finanzen interessierten. Frauen sagten immer, dass sie sich im Auftrag ihres Mannes beraten lassen. Mit dem Engagement in diesen Frauennetzwerke konnte ich auch mehr mit Frauen zu tun haben. Erst in den letzten paar Jahren haben vermehrt Frauen das Thema Vermögen aktiv aufgegriffen.

Woran liegt es, dass Frauen sich dem Thema Vorsorge nicht so stark gewidmet haben und da erst jetzt „aufgewacht“ sind?
Männer gehen vielleicht ein bisschen leichtfertiger mit Geld um, und investieren auch schneller, Frauen überlegen sich 500 Mal, ob sie sich darauf einlassen, und welche die beste Strategie ist. Sie fangen erst gar nicht damit an, bevor sie nicht das richtige Konzept finden und sich überall erkundigt haben. Wenn sie dann aber einmal loslegen, dann bleiben Sie dran. Haben sich Frauen also einmal entschieden, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, würde ich sagen, ist das Ergebnis meist besser.

„Besser“ im Sinne von nachhaltiger?
Ja, nachhaltiger.

Finanzielle Unabhängigkeit ist ja meist besonders für Frauen wichtig. Merken Sie einen generellen Unterschied beim Knowhow zum Thema Finanzen?
Frauen neigen dazu, tief zu stapeln und sagen, sie kennen sich nicht aus, oder: ‚das Thema interessiert mich nicht‘. Männer hingegen reden gerne über Geld. Beim Auskennen ist es so, dass sogar ich mich ständig weiterschulen muss, weil gerade in diesem Bereich Wissen von gestern schnell überholt ist. Wichtig ist, dass man Strategien hat und Werte verfolgt. Es geht auch darum, etwas zu starten, dranzubleiben und langfristig damit Erfolge zu erfahren. Und auf diese Erfahrung aufzubauen. Und ja, einfach Freude am Geldverdienen zu haben.

Viele Frauen arbeiten immer noch Teilzeit. Tun sie sich dadurch schwerer, Vermögen anzusparen?
Frauen investieren eigentlich meistens in ihre Kinder und Familie. Sie ordnen dem alles unter, somit bleibt dann meist wenig für sie selbst übrig. Sie könnten ja sagen, sie sparen etwas für die Familie, um sich selbst zu überlisten. Es gibt sehr viele Alleinerzieherinnen, die selbstständig sein wollen und wenig Geld zur Verfügung haben. Wenn ich denen sage, sie sollten sich etwas für sich weglegen, tun sie sich einfach schwer, wenn nix da ist. Aber für Familie und ihre Kinder ist dann immer etwas da. Wenn sie ein bisschen etwas mit der Idee weglegen, dass es für die Kinder ist, und das Geld später splitten, haben sie schon Erfahrungen gesammelt.

Margit Potzgruber: Erfolg ist, wenn man gegen einen Widerstand etwas Großartiges schafft. | Foto: Kilian Scharf
  • Margit Potzgruber: Erfolg ist, wenn man gegen einen Widerstand etwas Großartiges schafft.
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Hat sich das Beratungsumfeld in den letzten Jahren geändert? Was hat zum Beispiel die Pandemie, was die Inflation mit Ihren Kunden gemacht?
Die Pandemie hat dazu geführt, dass man auch online Termine wahrnimmt, etwa für Vorgespräche. Und man hat sich in der Pandemie, so wie man vielleicht seinen Kleiderkasten aussortiert hat, vermehrt die Vermögenswerte und Finanzunterlagen angeschaut. Inflation und Teuerung haben dazu geführt, dass man Lösungen überdenkt, etwa das gute alte Sparbuch oder die klassische Lebensversicherung. Der Bausparer wird die Inflation vielleicht nicht wettmachen. Also muss man irgendetwas tun. Und somit haben sich viele Menschen mit dem Thema auseinandergesetzt. Es gibt auch inzwischen viele Online Tools, über die man sich weiterbilden kann. Das finde ich super.

Würden Sie Frauen dazu raten, sich in diesem Berufsfeld niederzulassen?
Ja, unbedingt. Denn wir brauchen mehr Frauen, mehr Role Models in diesem Berufsfeld, die auch Freude daran haben, Wissen weiterzugeben, zu beraten, zu begleiten. Sie sollten diese Scheu verlieren, dass es hier um Geld geht, um komplizierte Finanzmodelle. Für technisches Wissen kann man im Hintergrund immer auf ein Netzwerk von Expertinnen oder Experten zugreifen, die rechtliche, steuerliche Fragen oder Fragen im Bereich Finanzmathematik klären und die Modelle im Hintergrund bedienen. Ich als Frau behalte den Überblick, ziehe alle Fäden und berate dann die Kunden. Das ist etwas sehr Weibliches. Und das ist in diesem Beruf auch förderlich.

Was sollen junge Frauen mitbringen, um in diesem Beruf erfolgreich zu sein?
Wenn sie neugierig sind, sich einen Mentor bzw. Vorbilder suchen, sich untereinander mit anderen Frauen austauschen, aber auch mit Männern, die mit Finanzen zu tun haben, vielleicht schon ein Trainingsprogramm als Praktikum machen, entweder in einer Bank, oder in einer Vermögensverwaltung. Einfach reinschnuppern und selber durchstarten, mit kleinen Beträgen anfangen, um ein Gefühl dafür zu bekommen.

Und welche Eigenschaften sollten Frauen mitbringen, wenn sie diesen Job anstreben?
In der Beratung braucht man die Eigenschaft, Freude daran zu haben, mit Menschen zu arbeiten und man muss sein Gegenüber auch mögen. Wir als Vermögensberater haben mittlerweile sehr viel Compliance und Richtlinien einzuhalten. Wenn man da nicht Freude an der Sache mitbringt, ist es schwierig. Wenn man Menschen dabei begleitet und hilft, ein Ziel umzusetzen oder unterstützt diese Angst oder Scheu vor Geld zu verlieren ist das neben guter Bezahlung sehr Sinnstiftend Ich betreue Kunden oft über viele Jahre hinweg und zähle dann fast schon zur Familie. Wichtig ist auch, neugierig zu bleiben, und offen für Neues.

Was bedeutet für Sie Erfolg?
Erfolg ist, wenn man gegen einen Widerstand etwas Großartiges schafft.

Und was bedeutet Wert für Sie?

Wert ist etwas, das Freude, Freiheit und Sicherheit gibt. Wert kann auch Schönheit sein, etwas, woran man sich einfach erfreut und das einem Energie gibt.

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