Kritik an Insolvenznovelle
Privatkonkurse und Firmenpleiten 2021 gesunken

Während die Zahl der Privatkonkurse in Österreich im 1. Halbjahr 2021 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres leicht rückläufig ist, gibt es in den einzelnen Bundesländern teils gravierende Unterschiede.  | Foto: KK
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  • Während die Zahl der Privatkonkurse in Österreich im 1. Halbjahr 2021 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres leicht rückläufig ist, gibt es in den einzelnen Bundesländern teils gravierende Unterschiede.
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Im ersten Halbjahr sind Privatkonkurse in Österreich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum leicht gesunken. Nur Vorarlberg tickt hier anders. Ein neues Gesetz, das im Juli 2021 in Kraft tritt, bringt privaten Schuldnern zudem massive Erleichterungen. Erfreuliche Zahlen auf den ersten Blick auch bei den Firmeninsolvenzen: Diese sind im ersten Halbjahr 2021 massiv rückläufig, wie eine Analyse des Schuldenberaters KSV 1870 zeigt. Doch die Experten warnen vor negativen Auswirkungen wirtschaftspolitischer Maßnahmen.

ÖSTERREICH. Seit Beginn des 1. Lockdowns in Österreich ist die Zahl der Privatkonkurse um rund 30 Prozent gesunken. Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung ist die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren im ersten Halbjahr 2021 um rund 4 Prozent auf 3.250 Fälle gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres gesunken. Im Vergleich zu 2019 fällt die Entwicklung mit einem Minus von knapp über 41 Prozent noch viel deutlicher aus. In den ersten sechs Monaten haben sich heuer auch die Passiva um circa 15 Prozent auf 385 Millionen Euro reduziert.

Wenig Chancen zum Ausgeben und vorsichtigerer Umgang mit Geld

Grund für die erfreuliche Tendenz dürfte laut Experten sein, dass im vergangenen Jahr fehlende Konsummöglichkeiten, die Menschen generell vorsichtiger mit ihrem Geld umgegangen sind und gerade zu Beginn der Pandemie das Angebot einer professionellen Schuldnerberatung nur eingeschränkt möglich war.

Pandemie kein "Insolvenzbeschleuniger"

Die Experten vermuten, dass Schuldner auf die bevorstehende Umsetzung der Insolvenznovelle warten, um sich danach innerhalb von drei Jahren (bisher 5 Jahre) ihrer Schulden zu entledigen. Für Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz zeigen die aktuellen Insolvenzzahlen bei den Privaten, dass die Corona-Krise kein "Insolvenzbeschleuniger" für sie ist. Nachdem sich private Schulden erfahrungsgemäß eher über Jahre hinweg aufbauen und häufig insbesondere auf „Persönliches Verschulden“, wie übermäßigen Konsum, zurückzuführen sind, ist auch weiterhin aufgrund der Pandemie nicht mit dramatisch mehr Privatkonkursen zu rechnen.

Unterschiede in den Bundesländern

Während die Zahl der Privatkonkurse in Österreich im 1. Halbjahr 2021 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres leicht rückläufig ist, gibt es in den einzelnen Bundesländern teils gravierende Unterschiede. Salzburg verzeichnet mit einem Minus von über 40  Porzent den größten Rückgang, während Vorarlberg ein Plus von knapp 20 Prozent verzeichnet. Eine ähnliche Situation bei den geschätzten Passiva: Einem Rückgang von etwas über 42 Prozent in Salzburg steht ein Zuwachs von über 62 Prozent in Vorarlberg gegenüber. Zudem verzeichnet mit dem Burgenland (+ 50 %) ein weiteres Bundesland deutlich höhere Passiva. 

Exekutionsnovelle könnte Änderungen bringen

Ändern könnte die fallende zahl an Privatinsolvenzen jedoch die Exekutionsnovelle, die ab 1. Juli 2021 in Kraft treten wird. Und zwar dann, wenn der Privatschuldner von Amts wegen für zahlungsunfähig erklärt wird. In diesem Fall können dann sowohl Gläubiger wie auch Schuldner dessen Privatinsolvenz beantragen, um diverse Fristen nicht untätig verstreichen zu lassen.

Kritik an Insolvenznovelle 

Die Experten sehen in der Insolvenznovelle, die am 17. Juli 2021 in Kraft treten soll, einen starken Faktor, privates Schuldenregulierungsverfahren hinauszuzögern, ähnlich wie im Jahr 2017, als die Zahl der Privatkonkurse ebenfalls eingebrochen war, um im darauffolgenden Jahr massiv anzusteigen: „Bereits damals haben viele private Schuldner auf die gesetzliche Neuregelung gewartet, um sich rascher zu entschulden. Das scheint sich nun zu wiederholen“, so Götze.

Das neue Gesetz soll zwar für private Schuldner massive Erleichterungen bringen. Die Entschuldungsdauer von Privatpersonen soll von fünf auf drei Jahre verkürzt werden, nachdem diese bereits 2017 von sieben auf fünf Jahre reduziert worden war. Aus Sicht des KSV1870 ist das jedoch der falsche Ansatz, auch im Hinblick auf die Volkswirtschaft. Schon jetzt zeige sich, dass durch die Abschaffung der Mindestquote im Abschöpfungsverfahren die durchschnittliche Rückzahlungsquote vermutlich weit unter 10 Prozent liegen werde.

„Durch die neuerliche Verkürzung werden viele Schuldner keinen Antrieb mehr haben, überhaupt Zahlungsplanquoten anzubieten und werden den Gläubigern lediglich einen „Nullzahlungsplan“ vorlegen“

, bemängelt Götze. Schuldner müssten dann den Gläubigern lediglich eine Quote anbieten, die der Einkommenslage der folgenden zwei anstatt der bisher fünf Jahre entspricht. Dadurch wird die Anzahl erfolgreich abgeschlossener Zahlungspläne erheblich zurückgehen und es wird in weiterer Konsequenz zu deutlichen Quotenreduktionen insbesondere bei den nicht besicherten Gläubigern kommen.

Der KSV1870 plädiert dafür, den Betrachtungszeitraum von Schuldnern auf zumindest drei Jahre anzuheben und mit jenem der zukünftig angedachten Entschuldungsdauer gleichzusetzen. 

Firmenpleiten mit historischem Tiefstand

Laut KSV1870 Hochrechnung ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr 2021 um rund 48 Prozent auf 1.000 Pleiten im Vergleich zum Vorjahr gesunken, gegenüber 2019 beträgt das Minus sogar 61 Prozent. Das bedeutet zugleich den niedrigsten Wert an Firmenpleiten seit über 40 Jahren. Gleichzeitig sind die geschätzten Verbindlichkeiten überproportional stark um rund 79 Prozent auf 365 Millionen Euro zurückgegangen. Ebenfalls rückläufig entwickelt hat sich die Zahl der betroffenen Dienstnehmer, die auf 3.400 (- 66,7 %) gesunken ist. Zudem müssen sich 6.400
Gläubiger mit einer Insolvenz eines Geschäftspartners auseinandersetzen – das sind um knapp drei Viertel weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Baubranche am wenigsten von Pleiten betroffen

„Seit Beginn des 1. Lockdowns vor über 15 Monaten gibt es pro Woche rund um die Hälfte weniger Unternehmensinsolvenzen als vor der Krise – und das in Zeiten der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg“, erklärt Götze. Dabei verzeichnet die Bauwirtschaft mit 29 Prozent weniger Pleiten den geringsten Rückgang seit Ausbruch der Pandemie. Während die Situation im Handel (- 53 %) den wirtschaftlichen Gegebenheiten entspricht, verzeichnet die Gastronomie einen Rückgang von 59 Prozent. Das entspreche nicht den tatsächlichen Umständen, zumal diese Branche mit am stärksten von der Krise betroffen sei – ebenso die körpernahen Dienstleister mit minus 55 Prozent.

„Safety-Car-Phase“ verzögert Gesundung der Wirtschaft

Verantwortlich für die anhaltend niedrigen Insolvenzzahlen seien die künstlichen Eingriffe der Bundesregierung, dank dieser sich zahlreiche Unternehmen in einer trügerischen Sicherheit wähnen. Zwar geht vorübergehend die Zahl der Insolvenzen zurück, gleichzeitig vergrößert sich jedoch der Schuldenberg der Betriebe fortlaufend. Und an dieser Konstellation wird sich aufgrund der angekündigten „Safety-Car-Phase“ für Steuerschulden, die ab kommenden Juli für drei Monate geplant ist, vorläufig wenig ändern, so die Experten. Denn dadurch verlängert sich für Unternehmen nur die Möglichkeit, die Rückzahlung ihrer Schulden hinauszuzögern. 

Bundesländervergleich bei den Pleiten

Der Blick in die Bundesländer zeigt, dass die Zahl der Firmenpleiten in allen neun Bundesländern massiv gesunken ist. Am deutlichsten fällt das Minus in Salzburg aus, wo es einen Rückgang um mehr als 64 Prozent zu verzeichnen gibt. Am niedrigsten fällt dieser in Wien aus, aber selbst dort beträgt das Minus rund 40 Prozent. Ein ähnliches Bild im Bereich der geschätzten Verbindlichkeiten: In acht von neun Bundesländern sind die Passiva stark rückläufig. Ausgerechnet in Salzburg sind diese um über 31 Prozent angestiegen. 

Massiver Rückgang bei Passiva

Neben der Zahl der Firmenpleiten (- 48,1 %) sind im ersten Halbjahr 2021 auch die geschätzten Verbindlichkeiten dramatisch gesunken – und zwar um 79,1 Prozent. Grund dafür sind nicht nur die ausbleibenden Unternehmensinsolvenzen selbst, sondern die Pleiten wurden zuletzt bedeutend kleinteiliger. 

Für das kommende Jahr 2022 erwartet der Gläubigerschutzverband die Rückkehr zum „normalen“ Insolvenzaufkommen, wie es aus der „Vor-Corona-Zeit“ bekannt ist. „In den kommenden Monaten werden erste Nachzieheffekte in überschaubarem Rahmen erkennbar sein, die sich definitiv ins Jahr 2022 und darüber hinaus ziehen werden“, erklärt Götze.

Weniger Insolvenzen im Corona-Jahr
317.000 Personen arbeitslos, 75.000 in Schulungen
Während die Zahl der Privatkonkurse in Österreich im 1. Halbjahr 2021 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres leicht rückläufig ist, gibt es in den einzelnen Bundesländern teils gravierende Unterschiede.  | Foto: KK
Die Experten sehen in der Insolvenznovelle, die am 17. Juli 2021 in Kraft treten soll, einen starken Faktor, privates Schuldenregulierungsverfahren hinauszuzögern. Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz 2.v. links): „Durch die neuerliche Verkürzung werden viele Schuldner keinen Antrieb mehr haben, überhaupt Zahlungsplanquoten anzubieten und werden den Gläubigern lediglich einen „Nullzahlungsplan“ vorlegen“. | Foto: RMA

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