Bei Schulden
So schützt man sich vor dem (Privat)-Konkurs

Gerade in Krisenzeiten sitzt die Geldbörse nicht so locker wie sonst. | Foto: Pixabay
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Ricardo-José Vybiral, Vorstand des Kreditschutzverbands KSV1870, im Gespräch mit den Regionalmedien Austria (RMA) über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die heimischen Unternehmen, und wie sich diese sowie Private vor dem Konkurs schützen können. 

RMA: Wie hat sich die Corona-Krise auf die Unternehmen in Österreich ausgewirkt?
Ricardo-José Vybiral: Neun von Zehn Betrieben spüren diese Krise: Vor allem Kleinstunternehmen (bis 1 Million Euro Umsatz) sind stark oder sehr stark betroffen, nämlich zu 43 Prozent. Ähnlich dramatisch verhält es sich mit den Kleinunternehmern (bis 9,99 Millionen Euro Umsatz), die zu 42 Prozent betroffen sind. Vor allem sind es jene Betriebe, deren Kapitalstruktur  schon vor Corona schwach ausgeprägt war. Je kapitalkräftiger ein Unternehmen vor dem März 2020 war, desto länger ist sein Atem. Bei den Branchen sind die Gewinner bei Land/Tiere/Forstwirtschaft, IT und Datenverarbeitung sowie Lebensmittelhandel zu finden, die Verlierer im Tourismus und der Gastronomie.

Was erwartet die heimischen Unternehmer im kommenden Jahr?
Als stärkste Veränderung erwarten wir eine hohe Marktbereinigung bei den Klein- und mittleren Unternehmen (KMU), eben wegen ihrer teils schwachen Eigenkapitalstruktur. Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Insolvenzen sich verdoppeln wird. Die Frist für Stundungen läuft noch bis Ende März, dann wird die Phase der Bereinigungen losgehen. Der Finanzminister hat jedoch eine Ratenzahlungsvereinbarung von bis zu drei Jahren angekündigt, das könnte sich positiv auswirken. Da sind aber noch viele Fragen offen, etwa die der Haftungen. Zudem werden die jetzt schon hohen Arbeitslosenzahlen wohl weiter steigen, vermutlich ebenso ab April. Und es wird der Trend zu Digitalisierung weitergehen. Corona gilt als starker Digitalisierungsmotor. 

Viele kämpfen aber derzeit gegen ihre Insolvenz. Was raten Sie den Betrieben, um zu überleben?
Wichtig wäre für Unternehmen, sich trotz der momentanen Krise langfristige Konzepte zu überlegen, um schnellstmöglich aus dem Krisenmodus zu kommen. Viele Themen, wie Umweltschutz, sind in den Hintergrund geraten, werden aber weiter an Bedeutung gewinnen. Unternehmen, die in Schieflage geraten sind, sollten schauen, dass sie sich schnell sanieren und nicht zu lange zuwarten. Denn Liquidition bedeutet Werte und Arbeitsplätze zu zerstören. Idealerweise überprüft man die eigene Bonität jetzt mehr denn je und analysiert mit ehrlichem Blick aufs eigene Unternehmen, wie man bei verschiedenen Wirtschaftsszenarien aussteigen würde. Wichtig ist zudem, mit Geschäftspartnern alles schriftlich zu protokollieren und auch, wenn dieser zahlungsschwach ist, weiter Rechnungen zu legen.

Was, wenn das Insolvenzverfahren nicht abzuwenden ist?
Prinzipiell werden in Österreich rund ein Drittel der heimischen Unternehmen saniert, so ein Antrag vorhanden ist. Das ist eine relativ hohe Ziffer. Die Stimmung bei den Richtern ist prinzipiell sehr unternehmerfreundlich, das gilt jetzt, in der Corona-Krise, mehr denn je. Wer rechtzeitig Insolvenz anmeldet, sich in der Vergangenheit redlich verhalten hat und die Pandemie nachweislich schuld an der Schieflage ist, braucht sich nicht zu fürchten.

Die Zahlungsmoral bei Privaten ist nach wie vor relativ hoch. Welche Finanztipps geben Sie Privaten in dieser Krise?
Ja, das stimmt. 90 Prozent der Privaten zahlen trotz Corona-Krise pünktlich. Unsere Tipps: Gehen Sie regelmäßig ihre Haushaltsrechnungen durch: Welche Einkünfte habe ich, welche Ausgaben? Vermeiden Sie nicht dringend notwendige Ausgaben. Eine 3-Monatsanalyse hilft. Lassen Sie nie Rechnungen einfach liegen, also kein Vogel-Strauß-Verhalten. Sonst entstehen Mahnkosten! Wenn Sie Rechnungen nicht bezahlen können, reagieren Sie und bitten Sie die Unternehmen, diese zu stunden. 

Der KSV1870 lehrt Finanzwissen an Schulen: Wie ist da der Stand? 
Wir haben gemeinsam mit "Teach for Austria" vor Corona begonnen, regelmäßig an Schule zu gehen, weil wir uns im Finanzdienstbereich in der Verantwortung sehen. Da gehen wir in Workshops Haushaltsrechnungen durch. Das werden wir künftig weiterhin tun, allerdings setzen wir jetzt mehr auf das "Train the Trainer"-Prinzip: Wir vermitteln das Finanzwissen an Geographielehrer, welche das Gelernte an die Schülerinnnen und Schüler weitergeben. Wir arbeiten eng mit den Bildungsdirektoren der Bundesländer zusammen. Bei Interesse können Direktorinnen und Direktoren solche Workshops buchen.

Finanztipps von Experten
- Drei Monatsgehälter ansparen
- Mit Haushaltsplan (z.B. via gratis App) Finanzen überblicken
- Schuldenfallen (z.B. Ratenzahlungen von Krediten, Kreditkartenschulden oder Kontoüberziehungen) vermeiden
- Verträge für Handy & Co. regelmäßig überprüfen
- Eigenes Kaufverhalten hinterfragen (z.B. Second Hand statt teurer Markenklamotten, Kochen statt Lieferservice)
- Rechnungen immer sofort begleichen, sonst erhöhen sich die Schulden
- Ist es schon zu spät: Bestehende Schulen abbauen, rechtzeitig mit Bankbetreuer über die Finanzsituation sprechen. 

Mehr Informationen: Kreditschutzverband KSV1870

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Gerade in Krisenzeiten sitzt die Geldbörse nicht so locker wie sonst. | Foto: Pixabay
Ricardo-José Vybiral, Vorstand des Kreditschutzverbands KSV1870 | Foto: KSV1870

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