"Leaving War Behind"
Poetische Erinnerung an das Trauma des Krieges
Mit "Leaving War Behind" arbeitet Helga Cornelia Pfeifer aus St. Oswald bei Plankenwarth zusammen mit ihrem Sohn Philipp Raffael Pfeifer die Folgen des Zweiten Weltkrieges in ihrer Familie auf.
ST. OSWALD BEI PLANKENWARTH. Bei der Aufarbeitung des nationalsozialistischen Verbrechens fällt häufig der Terminus Kollektivschuld. Er besagt, dass die Schuld einer Tat nicht der Täterin beziehungsweise dem Täter, sondern einem Kollektiv zugesprochen wird – dass die Tat mitunter so grausam und damit auch nicht greifbar ist oder war, dass ein einzelner sie kaum tragen kann. Die, die die Tat nicht begangen haben, waren eventuell aber moralisch oder rechtlich daran beteiligt, nur durch Zustimmung oder unterlassener Hilfeleistung. Adolf Hitler und die Nazi-Elite alleine konnten den Zweiten Weltkrieg nicht führen und den Holocaust nicht durchführen, es braucht also ein Kollektiv, in diesem Fall das deutsche Volk.
Der Kollektivschuld steht das kollektive Trauma gegenüber – ein schwer einzuordnender Begriff. Auch wenn die Kinder und Enkelkinder keine persönlichen Erinnerungen haben, so bleibt doch immer die Geschichte einer Familie im Inneren. Der Holocaust, dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit, kam nicht zufällig zustanden und war keine kurzzeitige Katastrophe. Dass nachkommende Generationen nichts für die Taten ihrer Eltern oder Großeltern können, versteht sich, dennoch wiegt bei der Kinder- und Enkelkindergeneration das "dunkle Geheimnis" innerhalb der Familie nicht selten schwer. Helga Cornelia Pfeifer hat darüber ein Buch geschrieben. Die St. Oswalderin arbeitet poetisch eine exemplarische Familiengeschichte auf. Ihre. Dabei geht sie auf Spurensuche und legt offen, wie der Zweite Weltkrieg auch Jahrzehnte später das Leben der Generationen prägt.
Wie geht man damit um?
"Leaving War Behind. Poesie der Erinnerung", den Krieg hinter sich lassen. So nennt sich die literarische Aufarbeitung der Familiengeschichte von Pfeifer. Sie widmet ihre Gedichte ihren Vater, und doch stehen sie stellvertretend für viele, die dieselben oder ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Wie geht man damit um, was in der Zeit passiert ist, als die Nationalsozialistinnen und -sozialisten an die Macht kamen, sie ausübten, gestoppt wurden? "Während mein Vater gelebt hat, war das alles kaum ein Thema. Hin und wieder hat er etwas erzählt. Aber es wurde kaum nachgefragt. Das ist etwas, das mir im Nachhinein leid tut. Es ist ganz schwer. Nicht erklärbar", sagt Pfeifer.
Der Vater hat wenig vom Krieg erzählt. Das, was aber gesprochen wurden, ist bei Pfeifer aber tief hängengeblieben. Nachgefragt wurde kaum – wie es für diese Generationen exemplarisch ist. Weil es ohnehin kaum Antworten gab. "Das führt tiefer, denn wir müssen uns fragen: Warum gab es keine Antworten? Zum Teil, weil das Grauen so groß war, dass man es nicht in Sprache fassen kann. Nach dem Krieg waren alle damit beschäftigt, den Einstieg in das Leben wieder zu schaffen. Aber das ist nur mein Versuch einer Erklärung", sagt sie.
Neue Wege finden
Mit der Zeit hat sich die Autorin mit anderen Büchern und anderen Familiengeschichten auseinandergesetzt. "Die Auswirkungen des Krieges auf die Seele sind groß. Die Menschen sind in ihrem tiefsten Inneren nicht darauf ausgerichtet." Das kollektive Trauma "umfasst viele Gefühle. Mit diesem Begriff versuche ich es zu begreifen. Ich habe mehr Gefühle übernommen, etwa Angst", so Pfeifer. "Diese Gefühle sind einem aber nicht bewusst, aber dadurch bestimmen sie unser Handeln. "Viele tragen das Trauma des Zweiten Weltkrieges in sich. Wir müssen und dem zuwenden und es hinter uns lassen, um eine neue Art des Seins zu finden, die dem Frieden zugute kommt und ihn ermöglicht. Es braucht einen Weg aus dem Schweigen."
Der Titel des Buches "Leaving War Behind" kann also auf zwei Wegen gelesen und verstanden werden: Pfeifers Auseinandersetzen mit der Familiengeschichte und dass Krieg einfach hinter sich gelassen werden kann, dass Friede möglich ist. Ihr Sohn sorgte für die Illustrationen. Es sind Fotomotive, die zu den Texten passen. Aber sie sind großteils in schwarz-weiß gehalten, um den Kontrast hervorzuheben und Bild und Wort sichtbar zu machen.
- "Leaving War Behind" ist bei edition keiper erschienen und ab sofort erhältlich.
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