Roland Gratzer und die Kunst in Anger: das komm.st in der vierten Runde

Roland Gratzer: "Heimat ist ja immer dort, wo man her kommt." | Foto: kk
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  • Roland Gratzer: "Heimat ist ja immer dort, wo man her kommt."
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WOCHE: Sie sind seit vielen Jahren in Wien, was verbindet dich und was verbindest du heute noch mit der Ost-Steiermark? Roland Gratzer: "Heimat ist ja immer dort, wo man herkommt. Diesbezüglich habe ich es gut erwischt. Meine Familie lebt großteils dort und dazu noch viele alte Freunde. Sobald ich die Autobahnabfahrt Hartberg und gefühlte 1000 Kreisverkehre hinter mir gelassen habe, denke ich mir: Es gibt keinen Flecken auf der Erde, den ich besser kenne und wahrscheinlich auch besser verstehe."

Worin liegt der Reiz, ein Kunst- & Kulturfestival diesen Formats in Anger zu veranstalten? "Als mein Bruder und ich 2011 mit dem KOMM.ST Festival begonnen haben, gab es bereits eine dreißigjährige Tradition, kulturelle und künstlerisch anspruchsvolle Veranstaltungen in der Region Anger-Puch zu machen. Der „Angerer Frühling“ hat da viele Jahre lang große Dinge bewerkstelligt und vor allem große Überzeugungsarbeit geleistet, dass solche Veranstaltungen eine Bereicherung sind. Wir haben dem ganzen einen etwas anderen Dreh verpasst. In Wien kommt der zuständige Kulturpolitiker vielleicht für eine kurze Rede zur Eröffnung. Bei uns kommen die Bürgermeister mitsamt Gemeindearbeitern und Werkzeug und montieren schnell mal einen Beamer oder hängen eine Tür aus, wenn es zu voll wird. Gleichzeitig wird die Zusammenarbeit mit der lokalen Wirtschaft immer größer. Worin der Reiz liegt? Ich will jetzt nicht schleimen, aber das ist einfach das beste Publikum der Welt. Erstens wird der Besucherandrang immer größer und zweitens ist es ein ehrliches Publikum. Wenn was nicht gefällt, dann wird das auch gesagt. Viele glauben vielleicht, dass gewagte Dinge nur in einer großen Stadt funktionieren und angenommen und diskutiert werden. Nach drei Jahren KOMM.ST können wir sagen: Das ist kompletter Blödsinn."

Welche Quellen der künstlerischen Inspiration birgt Anger? "Das ist ganz einfach: Mit den Leuten reden. Nach einer Stunde Gespräch im Wirtshaus bekommt man mehr historische Erzählungen, Anekdoten und aktuelle Polit-Analysen, als in einem Jahr in irgendeinem Archiv. Wir haben heuer zum dritten Mal ein Artist in Residence Programm mit internationalen Künstlerinnen und Künstlern. Manche haben schon eine Idee davon, was sie machen werden, andere lassen sich vor Ort inspirieren. Ihnen fallen Besonderheiten auf, die uns Einheimischen niemals auffallen würden. Gleichzeitig treffen zwei Wochen lang kreative Menschen aus allerlei Branchen aufeinander, die sich gegenseitig inspirieren. Zusammengefasst: Lokale Besonderheiten, gemischt mit internationalen Ideen ergeben ein ziemliches leckeres Kunst-Menü."

Wie würden Sie jemandem aus Anger erklären, worum es bei komm.st geht? "Anger ist voll von besonderen, alten Orten. In diese alten Orte wollen wir neue Kunst bringen. Das ist kein Gegensatz, sondern befruchtet sich gegenseitig. Anger hat eine so lange Tradition, die wollen wir mit neuen Ideen und Zugängen aufleben lassen. Falls du im Mai auf Menschen triffst, die gerade eine Skulptur bauen, eine Brücke anmalen oder im Zaubererkostüm Drachen steigen lassen: einfach reden und fragen, was sie eigentlich machen. Wenn es sonst noch Fragen gibt: Im Festivalzentrum beim Feichtinger ist immer wer da."

Wie würden Sie jemandem aus Wien erklären, worum es bei komm.st geht? "Wer irgendwie genug hat von Veranstaltungen, auf denen mehr Menschen auf der Bühne als im Publikum sitzen, sollte im Mai ein paar Tage nach Anger kommen. Abgesehen von internationalen Künstlern und haufenweise Uraufführungen ist das Essen hier einfach nur fantastisch."

Das Programm ist sowohl lokal, regional als auch international, worauf dürfen sich die Besucher heuer gefasst machen bzw. freuen?
"Am Eröffnungstag eröffnen wir gleich mal drei vier Sachen. Das Artist in Residence Programm, unsere Straßen-Ausstellung „GEHschichten“, eine Foto-Ausstellung des Architekten Robert Tanzer und ein Zeitzeugenprojekt der neuen Mittelschule Anger. In den folgenden zwei Wochen spielen wir in verschiedenen Gasthäusern Theater und mein Bruder wird gemeinsam mit dem indischen Star-Sänger Mahesh Vinayakram ein Konzert in der Pfarrkirche geben. Nach dem Festival werden einige Dinge übrig bleiben. Ein neues, riesiges Gemälde des amerikanischen Malers Josh Ellingson oder eine riesige Metallskulptur des ebenfalls amerikanischen Künstlers Ryan Finnigan. Was sonst noch übrig bleibt, wird sich weisen. Es wird aber sicher einiges sein."

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