Familienflüsterer Dr. Streit
Digitale Medien selbstkontrolliert nutzen

Digitale Spiele und Plattformen wirken wie Kokain – sie sind Dopamin-Beschleuniger. Ein Verzicht fällt daher gar nicht so leicht. | Foto: pixabay
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  • Digitale Spiele und Plattformen wirken wie Kokain – sie sind Dopamin-Beschleuniger. Ein Verzicht fällt daher gar nicht so leicht.
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Anlässlich der Fastenzeit spricht Psychologe und Familienflüsterer Philip Streit über die Kraft des Medien-Verzichts. Eine Chance – nicht nur für Kinder – um das eigene Ich zu finden und zu stärken.

GRAZ. Verzicht ist die bewusste Entscheidung, etwas wegzulassen und aufzuschieben. Wir wissen seit dem "Marshmallow" Experiment von Walter Mischel: Wer dies kann, ist leistungsfähiger und erfolgreicher. Verzichten ist eine Funktion der Selbstkontrolle und der Willenskraft. Diese ist nach Roy Baumeister in einem starken Selbst angelegt, das durch gute Beziehungen entsteht. Es braucht Willenskraft, aber es braucht genauso sinnvolle und gute Motive, die verhindern, dass die Willenskraft zu schnell erschöpft ist.

Medien rücken "reales Ich" in den Hintergrund

Gerade beim Medien- und Handykonsum aber scheint der Verzicht nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Erwachsene, besonders herausfordernd zu sein, denn wir leben in einer widersprüchlichen Welt. Technologische Entwicklungen sollen uns helfen, Zeit für Wesentliches zu sparen, doch genau diese nehmen uns auch viel Zeit. Schließlich ist es ja so toll, online zu sein, wo alles piept und leuchtet und ständig Neues gepostet wird. Das lässt einen nicht zur Ruhe kommen. So erzeugen wir digital ein zweites Ich, unser reales Ich gerät mitunter in den Hintergrund, wir vergessen es. Dann wundern wir uns, wenn wir desorientiert sind.

Nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch für Erwachsene kann Medien-Verzicht heilsam sein. | Foto: WKO Freistadt
  • Nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch für Erwachsene kann Medien-Verzicht heilsam sein.
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Warum digitaler Verzicht schwerfällt

Was macht nun den digitalen Verzicht für Jugendliche so schwer? Zum einen wirken digitale Spiele und Plattformen wie Kokain – sie sind Dopamin-Beschleuniger. Es gibt immer noch etwas zu erreichen, immer einen neuen Anreiz, immer etwas, das das Selbst und die Würde scheinbar steigert. Das hält unser Belohnungssystem bis zur Erschöpfung am Laufen, wie bei Ratten und Hamstern in psychologischen Tierversuch - und das nicht nur bei Kindern.

Zudem kennen Eltern die Spiele ihrer Kinder oft nicht und fürchten den Einstieg der Kinder in die digitale Welt. Das ist so, als würden sie das Wasser nicht kennen, in dem ihre Kinder schwimmen lernen.Erwachsene hoffen außerdem auf verlässlichen Datenschutz, aber den gibt es nicht. Es braucht Bewusstsein für den eigenständigen Schutz der eigenen Daten. Das verlangt bei Kindern und Jugendlichen oft ein Eingreifen der Eltern.

Auf digitale Medien verzichten

Der eigentliche Grundgedanke Neuer Medien kann dabei verloren gehen: Nämlich eine Stütze für ein gelingendes Leben zu sein. Die Fastenzeit bietet nun eine gute Gelegenheit, um Rahmenbedingungen für den Medienverzicht und neuer Gewohnheiten zu erarbeiten. Denn es geht gerade im Medienbereich um eine selbstkontrollierte und selbstgesteuerte digitale Entgiftung. Entscheidend dafür sind neue Gewohnheiten. Hier einige Ideen für einen gelingenden Umgang mit Neuen Medien:

  1. Übernimm Verantwortung für dich selbst und deine Kinder. Hilf mit, um bei deinen Kindern, aber auch bei dir selbst eine gesunde Selbststeuerung zu fördern.
  2. Kenn dich sich aus. Interessiere dich  für die Spiele und Plattformen deiner Kinder und lerne, diese zu bedienen. Dann kennst du das Wasser, in dem deine Kinder digital schwimmen.
  3. Sei wachsam und präsent und sag bei Bedarf Nein. Das funktioniert deutlich besser als zu lamentieren.
  4. Schaffe klare Abläufe für dich selbst und für deine Kinder, wie etwa: Kein Handy am Morgen, beim Essen und in der Schule. Fixe Spielzeiten ohne Handy und das Handy kommt raus aus dem Schlafzimmer.
  5. Glaube an dich selbst und deine Effizienz. All unsere Erfahrungen zeigen, dass klar ausgesprochene "Handy-Karenzen“ nicht zur Eskalation, sondern zur konstruktiver Diskussion führen.
  6. Fasse ein klares Ziel und einen klaren Plan, der das größere Ganze im Auge hat. Begegne deinen Kindern und motiviere sie.
  7. Sei ein Vorbild
  8. Bleib nicht alleine und hol dir Hilfe.

So kann es schnell gelingen, dass unsere Kinder digitale Medien selbstkontrolliert und balanciert nutzen und Handys und Medien so eingesetzt werden, wie es ihrem Zweck entspricht: Dass sie einen Beitrag für ein gutes Leben leisten.

Der Experte für Familienfragen: Philip Streit. | Foto: Konstantinov
  • Der Experte für Familienfragen: Philip Streit.
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Der Experte

Philip Streit ist klinischer Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut, Lebens- und Sozialberater. Seit 1994 leitet er das Institut für Kind, Jugend und Familie in Graz, das unter 0316 77 43 44 für dich da ist. Hast du Fragen, wie du dein Leben gestalten sollst, brauchst du Rat? Deine Fragen an Dr. Philip Streit gerne jederzeit an: redaktion.graz@regionalmedien.at


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