Neue Schauspielhaus-Intendanz
Andrea Vilter über das Theater der Gegenwart

- Andrea Vilter hat es als neue Intendantin des Schauspielhaus Graz von Berlin nach Graz verschlagen.
- Foto: Johanna Lamprecht
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Im Interview mit MeinBezirk.at berichtet die neue Intendantin des Schauspielhaus Graz, Andrea Vilter, was das Theater der Gegenwart für sie ausmacht und warum das Schauspielhaus mehr ist als nur seine Intendantin.
GRAZ. Einstand geglückt: Mit gleich drei Produktionen ist die neue Intendantin des Schauspielhauses Graz, Andrea Vilter, in ihrer Position gestartet. MeinBezirk.at hat sich mit ihr getroffen um mit ihr über die Anforderungen des Theaters der Gegenwart, ihre Vorhaben und ihren Bezug zu Graz zu sprechen.
- Frau Vilter, der Einstand ist geschafft, wie geht es Ihnen damit?
ANDREA VILTER: Wir können sehr zufrieden sein. Ich habe ja selber die Arbeit als Produktionsdramaturgin für die Einstands-Inszenierung von "Von einem Frauenzimmer" begleitet und bin mit der Arbeit sehr glücklich. So eine Eröffnung ist aber immer programmatisch. Ich wollte zeigen, für welches Theater ich stehe und was mir wichtig ist. Aber natürlich will ich auch das Spektrum aufmachen und gleich zu Anfang eine Vielfalt zu zeigen.
Gerade für ein Stadttheater, wie das Schauspielhaus, gilt es den Raum weit aufzumachen für verschiedene Ästhetiken, Handschriften, Theaterformen. Da sehe ich die Aufgabe der verschiedenen Spielstätten.
- Was macht für Sie die Faszination am Theater aus?
Das Besondere am Theater ist, dass es wirklich niemand alleine machen kann. Ich sehe mich als Fürsprecherin des Hauses, aber man darf das Haus dahinter mit den vielen Menschen nicht vergessen, die zu seinem Erfolg beitragen. Das Schauspielhaus ist mehr als seine Intendantin und ich bin hier, um ein tolles Theater mit den Menschen am Haus zu machen.

- "Das Theater ist sehr lebendig und arbeitet", findet Andrea Vilter.
- Foto: Johanna Lamprecht
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- Was muss das Theater der Gegenwart mitbringen und was braucht es für die Zukunft?
Ich finde das Theater hat ja eine ganz gute Gegenwart. Bei allen Beschwörungen, dass sich das Theater immer legitimieren muss, ist es sehr lebendig und arbeitet. Als Kunstform hat das Theater eine enge Verschränkung zur Wirklichkeit, zu gesellschaftspolitischen Themen und unserer Lebenswirklichkeit. Es kann alles verarbeiten und hat dadurch immer noch Relevanz. Für die Zukunft ist wichtig, so glaube ich, dass sich das Theater den Veränderungen annimmt und sich damit auseinandersetzt. Gleichzeitig ist es wichtig an eine Tradition anzuknüpfen, sich etwa bekannte Stücke immer wieder zeitgenössisch vorzunehmen. Seit etwa zehn Jahren gibt es Ansichten, dass wir unseren derzeitigen Theaterkanon, also das, was wir als Bildungsgut verstehen, zu eng betrachten. Ich möchte mich für die Erweiterung dessen einsetzen.
- Sie sind ja seit über 30 Jahren in der Branche, wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Ich weiß noch, als ich in jungen Jahren angefangen habe, waren die Diskussionen und Fragestellungen sehr ähnlich. Ist das Theater noch aktuell, hat es seinen Stellenwert in der Gesellschaft, wie wird die Zukunft? Das war für uns junge Theatermachende immer ein bisschen wie ein Damoklesschwert. Aber dieselbe Frage könnte man zu allen Kunstformen stellen. Ich vertrete, dass das Theater die Kraft hat aktuell zu bleiben und sich zu behaupten, aber natürlich darf man sich da nicht darauf ausruhen.
- Wo sehen sie die Schnittstelle zum Publikum?
Wir machen Theater per se fürs Publikum, es geht gar nicht anders. Theater ohne Publikum wäre kein Theater, deshalb ist das eine Einheit für mich. In Graz erlebe ich das Publikum als wirklich aufgeschlossen und neugierig, mehr als ich es aus anderen Städten kenne. Da ist ein großes Interesse an den Inhalten da. Das ist natürlich ein riesiges Pfund, mit dem man hier toll arbeiten kann.

- Schon im Frühjahr präsentierte sich Andrea Vilter mit Chefdramaturgin Anna Sophia Güther (v.l.).
- Foto: Lex Karelly
- hochgeladen von Andreas Strick
- Sie stammen ja aus Deutschland, wie ist Graz auf ihrem Schirm aufgetaucht und was schätzen Sie an der Stadt?
Ich kannte die Stadt nur von ein paar Besuchen, mochte sie aber da schon wahnsinnig gern, weil Graz einfach eine sehr schöne Stadt ist. Zuvor war ich in Berlin an der Uni und überhaupt nicht auf der Suche nach einer neuen Berufung. Ich bin angesprochen worden, als hier die Intendanz neu vergeben wird und wurde auch ein bisschen angeschubst, ob ich nicht ins Theater zurückkommen will. Ich habe dann sehr schnell Feuer für diese neue Aufgabe gefangen.
Mir persönlich gefällt an Graz das Renaissance-angehauchte Stadtbild, das trifft sehr meinen Geschmack. Oft wird ja oft beklagt, dass Graz ein bisschen weit weg ist. Das gilt für mich persönlich jetzt auch, weil ich meine Kinder in Berlin zurückgelassen habe, aber abgesehen davon fühle ich mich sehr wohl, gerade mit der vielen Natur. Das habe ich schon in München, wo ich lange war, sehr schätzen gelernt. Auch das ungewöhnlich große Kulturangebot spricht mich als Theaterschaffende natürlich an.
- Nun aber Hand aufs Herz: Uni oder Intendanz?
Ich ticke so: Was ich gerade mache, da bin ich voll am Start und so ist es jetzt natürlich die Intendanz. Aber da ich sieben Jahre als Professorin unterrichtet habe, nehme ich da viel in die Praxis mit. Das ist für mich eine wirklich sehr schöne Abfolge. Ich habe ja auch, während ich an der Uni unterrichtet habe, weiter als Produktionsdramaturgin gearbeitet, also das Theater nie wirklich verlassen.
- Wie wollen Sie diese beiden Welten miteinander verbinden?
Ich glaube, dass diese bei mir sowieso zusammenlaufen. Ich würde sagen, wahrscheinlich habe ich bestimmte Themen stärker im Blick, der ganze Bereich Vermittlung zum Beispiel. Den möchte ich noch mal ausweiten, wir sind gerade dabei wirklich alle Schulen und Schulformen in Graz anzusprechen. Da gibt es hier ja auch ein großartiges, umfangreiches Angebot.
In meiner Schule gab es weder eine Theater-AG noch irgendwelche Einfädelungen. Da wünsche ich mir schon, dass wir ein aktives Angebot mit Bezugspunkten zum Theater an Schulen schaffen.
- Wie hat es Sie dann in die Welt des Theaters verschlagen?
Das frage ich mich immer mal wieder selbst. Ich habe ganz früh eine große Leidenschaft für Literatur entwickelt, und da auch schon Dramatik gelesen. Es gilt, glaube ich, für einige Kunst- und Kulturschaffende, dass man eine Kunstform für sich entdeckt, die eine andere Dimension ins Leben bringt. Bei mir war das dann eben das Theater.
- Gibt es für Sie eigentlich einen eindeutigen Unterschied zwischen dem Theater in Deutschland und dem Theater in Österreich?
Nicht ganz grundsätzlich für das ganze Land. Man sagt ja, dass in Österreich das Theater grundsätzlich eine höhere Wertschätzung hat. Das würde ich auch unterschreiben. Die Grenze verläuft aber nicht klar. Am vergleichbarsten ist die Theaterszene hier mit München, da gibt es das auch, dass die Stadt und das Publikum ihr Theater tragen. In manchen deutschen Städten habe ich schon das Gefühl, dass man sehr für das Theater kämpfen und es legitimieren muss.
- Leider kämpfen wir heutzutage mit vielen Krisen. Wie erleben Sie diese am Theater?
Es gibt einen Spruch von Karl Valentin: "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit." Der ist zwar etwas abgenutzt, gilt aber immer noch. Man braucht nicht zuletzt am Theater viele Ressourcen. In meiner Leitungsposition habe ich auch die Verantwortung dafür zu sorgen, dass diese Ressourcen verantwortlich eingesetzt werden. Da muss man die Balance finden, wo man Einsparungen machen kann, die der Kunst zugute kommen. Das ist nun vielleicht anders als in früheren Zeiten, wo die Mittel noch reichlicher zur Verfügung standen. Da muss man genau schauen, das ist ja auch eine Frage der Nachhaltigkeit, die mir sehr wichtig ist.
Darüberhinaus glaube ich, dass dieser Live-Effekt nie abgesichert sein kann. Da unternehmen viele Menschen unfassbare Anstrengungen, um ein tolles Kunstwerk zu kreieren, aber man weiß nie, wie funktioniert die Premiere, wie wird die zweite oder dritte Vorstellung. Ich glaube dieses Miteinander-Erleben zwischen Publikum und den Menschen auf und hinter der Bühne, das bleibt immer etwas ganz Besonderes.
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