Interview mit Fatema Hamidi
Die gehörlose Goldschmiedin

Mit dem Video"Schatten und Licht" ist Hamidi auch Teil der SteiermarkSchau 2021.  | Foto: Hamidi
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  • Mit dem Video"Schatten und Licht" ist Hamidi auch Teil der SteiermarkSchau 2021.
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Fatema Hamidi ist seit ihrer Geburt gehörlos. Nach ihrer Flucht aus Afghanistan lernte sie erst mit neun Jahren in Österreich Gebärdensprache. Jetzt macht sie in Graz eine Lehre zur Goldschmiedin. Die Geschichte einer mutigen jungen Frau mit einem großen Traum. 

"Heute war großer Poliertag", deutet Fatema Hamidi. Sie habe viele Eheringe zum Glänzen gebracht, eine Kette, Ohrringe und einen Armreif. Die 23jährige ist im dritten Lehrjahr beim Juwelier Feichtinger und alle seien sehr zufrieden mit ihr, beschreibt sie. Diese Stelle zu finden war nicht einfach: Denn Hamidi bringt neben einem fremden Namen und einem Kopftuch – beides in Österreich schon Erschwernis auf dem Arbeitsmarkt – auch eine Einschränkung mit. Sie kann nicht hören. Die Firme Feichtinger habe beschlossen, es trotzdem zu probieren, beschreibt Hamidi.  

Kleine Hürden

Ob sie im Arbeitsalltag einen Dolmetscher dabei hat? Da ist Hamidi fast empört: Natürlich nicht.  Sie sei sehr visuell orientiert und schaue eben genau hin. Wenn das nicht hilft, werden Erklärungen zu den Arbeitsaufträgen auf kleine Zettel geschrieben. Das funktioniere gar nicht so schlecht, resümiert sie. Pausengespräche der Kollegen sind freilich schwierig, aber auch davon lässt sich Hamidi nicht beirren: "Was soll ich machen, es ist eben so", meint sie.  Zumindest habe sie in Österreich Gebärdensprache gelernt und gemerkt, dass Kommunikation möglich ist.

Möchte eigenen Schmuck kreieren: Fatema Hamidi. | Foto: Miriam Raneburger
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Und das nach neun Jahren in völliger Stille. Denn in Afghanistan ist Hamidi nicht mit Gehörlosen in Berührung gekommen: "Dort gibt es zwar Gebärdensprache, aber doch keine Förderzentren." Als Mädchen hätte sie zudem nicht in die Schule gedurft. Bis heute kann sie ihre Muttersprache Farsi weder lesen noch schreiben.

Hochzeitsschmuck in Afghanistan

Aber es gibt auch gute Erinnerungen an die Heimat: Zum Beispiel an den Schmuck, den afghanische Frauen zu Hochzeiten oder zur Geburt ihrer Kinder bekommen. "Bei uns glitzert und blinkt alles", beschreibt sie. In Afghanistan werde viel Goldschmuck verschenkt und alles sei noch Handwerk. Später, fährt sie mir ihrer Erzählung fort, sei sie auf einer Schmuckausstellung in München gewesen und habe dort ganz anderen, künstlerisch gestalteten Schmuck gesehen. Irgendwo da war ihr wohl zum ersten Mal klar, dass sie selbst Schmuck designen möchte.

Ein Handwerk, das nicht mehr selbstverständlich ist. Nicht nur gebe es immer weniger Goldschmiede in Ausbildung, zudem handle es sich auch bei vielen der Schmuckstücke, die Hamidi in ihrer täglichen Arbeit zum Polieren oder Reparieren bekomme, um billige Massenware. "Beim Polieren erkenne ich dann, was echtes Handwerk ist und was nicht." 

Was Hamidis Ziel ist? "Einfach berühmt werden", deutet die junge Frau selbstbewusst. | Foto: Hamidi
  • Was Hamidis Ziel ist? "Einfach berühmt werden", deutet die junge Frau selbstbewusst.
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Eigene Kreationen

Hamidi legte an der Ortweinschule in Graz die Abschlussprüfung in Schmuck- und Metallgestaltung ab und suchte nach einem Lehrplatz. Es klappte beim Juwelier Feichtinger, dem sie sehr dankbar ist, wie sie nicht müde wird zu betonen. Hier lernt sie das Handwerk: Schleifen, feilen, polieren. Aus dem Rohmaterial wird ein fertiges Schmuckstück. Am Wochenende zeichnet sie eigene Kreationen. Und nächsten Sommer wird sie dann fertig sein, beschreibt sie. Ausgelernt. 

Alles tun für eine Werkstatt

Und dann? Da hat Hamidi schon viele Pläne: Erst einen festen Job finden, dann einen eigenen Werkraum ausstatten, in dem sie eigenen Schmuck designen kann. Selbst Schmuckstücke kreieren, per Hand herstellen und verkaufen, das ist Hamidis größter Wunsch. "Und einfach berühmt werden", fügt sie mit einer Selbstverständlichkeit hinzu, die ihresgleichen sucht.

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