Interview mit Omar Khir Alanam
"Habe mich mit meiner Realität versöhnt"
Er ist Poetry Slammer, Kabarettist, Keynote Speaker und ab 3. März gemeinsam mit Kati Kallus sogar auf dem "Dancing Stars"-Parkett zu sehen. Grund genug, um Omar Khir Alanam zum Interview zu bitten.
GRAZ. Omar Khir Alanam wurde 1991 in einem Vorort von Damaskus geboren. Aufgrund des Krieges musste er seine Heimat verlassen. Er floh zunächst in den Libanon und kam schließlich - nach zwei Jahren Flucht - in Österreich an. Seit mehreren Jahren lebt er nun bereits in Graz, ist stolzer österreichischer Staatsbürger und setzt sich literarisch und kabarettistisch mit seiner neuen Heimat auseinander. Im Gespräch mit MeinBezirk.at verrät er, was er sich für die österreichische Tanzshow vorgenommen hat, was Graz für ihn bedeutet und wie es ihm damit geht, so oft als "Vorzeigeflüchtling" herhalten zu müssen.
- Was bedeutet die Teilnahme an Dancing Stars für Sie?
Omar Khir Alanam: Dazu gibt es eine lustige Geschichte: Als ich im Libanon war, war das für mich eine sehr harte Zeit: Als geflüchteter Syrer im Libanon hat man einen unglaublich schlechten Start. Ich stand teilweise vor Libanesen, die in mir den Mörder gesehen haben, denn für die war ich nicht der Omar, sondern der Syrer. Einmal bin ich dann in ein Geschäft gegangen und der Besitzer hat gerufen: "Abdul, der Syrer?" Und dabei war er sehr herzlich und erfreut. Auch danach habe ich das immer wieder erlebt.
"Abdul, der Syrer" war ein Profitänzer bei der arabischen Version von "Dancing with the Stars". Und auf einmal bekam ich dadurch einen besseren Status, die Leute sind mit mir anders umgegangen, weil ich dann für sie "Abdul, der Syrer", war. Diese Geschichte war das erste, woran ich denken musste, als ich für Dancing Stars gefragt wurde.
Aber davon abgesehen habe ich mich sehr gefreut, weil ich dadurch auch die Möglichkeit habe, eine andere Seite von mir zu zeigen, die menschliche Seite: einfach als Omar, nicht nur als Flüchtling. Es ist eine tolle Gelegenheit, einmal nicht über Flucht oder Integration zu diskutieren, sondern auch zu tanzen und Spaß zu haben.
- Wie groß ist der Ehrgeiz für die Show?
Wir hatten am Anfang ein Fotoshooting, bei dem erklärt wurde, dass man jeden Tag trainieren muss. Da ging es auch darum, wie weit man gehen kann, weil Tanzen ein Leistungssport ist. Und ich sag: Ich bin von Syrien hierher gekommen, also habe ich schon vor, dass ich sehr weit komme (lacht).
- Abgesehen von Dancing Stars gestalten Sie auch Workshops in Schulen. Wie reagieren die Jugendlichen auf Sie?
Natürlich sehr unterschiedlich, weil es auch sehr unterschiedliche Schulen sind. In manchen Schulen gibt es viele Kinder mit Migrationshintergrund, oft auch in zweiter oder dritter Generation. Da beschäftige ich mich oft mit Heimat.
Obwohl ich weiß, dass es Leute in diesem Land gibt, die mich nie, nie, nie als Österreicher akzeptieren werden, sage ich, dass Österreich meine Heimat ist, weil Heimat auch eine Entscheidung ist. Das ist die Vision, die ich mit den Schülerinnen und Schülern teile.
- In Ihrem Buch "Sissi, Sex und Semmelknödel" setzen Sie sich mit der Seele der Österreicherinnen und Österreicher auseinander. Wenn wir es noch weiter runter brechen, wie nehmen Sie Graz wahr?
Ich hab mich gleich mit Graz befreunden wollen. Deshalb wollte ich Graz auch wie die Schwester von Damaskus wahrnehmen.
Am Anfang war Graz für mich sehr fremd, aber es war auch die Zeit, in der ich Deutsch gelernt habe. Deshalb bin ich oft in die Stadt gefahren, hab Leute beobachtet, angeschaut und angesprochen. Ich wollte die Sprache lernen, praktizieren. Und ich erinnere mich, dass Graz hier sehr freundlich war - von Anfang an.
Als ich mich dann schon mehr getraut habe, nachdem ich Deutsch gelernt habe, wurde ich aufmerksam auf irgendein Event, wo ich ein paar Leute getroffen habe. Zwei Tage später haben wir uns beim Lendwirbel wieder getroffen. Das war meine erste wirklich bewusste Erinnerung an Graz und das war unglaublich schön, weil es multikulti war und die Leute sehr offen waren. Für mich war Graz von Anfang an diese Multikulti-Stadt, auch durch die Studierenden und die Freundinnen und Freunde, die ich kennengelernt habe.
- Auf Ihrer Homepage steht "Ich bin der, den jeder Politiker kennt". Was hat es damit auf sich?
Das ist zynisch gemeint und bezieht sich stark auf die Zeit um 2017. Da war ich nur der Flüchtling und nicht der Omar. Und als Flüchtling war ich der, über den alle gesprochen haben. Jede Politikerin, jeder Politiker kennt mich - mich, den Flüchtling, nicht den Omar.
- Wie geht es Ihnen damit, jetzt als "Vorzeigeflüchtling" gehandelt zu werden?
Das bedeutet viel Druck. Sogar so viel, dass ich nach meiner Trennung Angst hatte, wie die Leute reagieren. Die Scheidungsrate in Österreich ist über 50 Prozent, täglich trennen sich Leute. Aber bei mir war es halt der Araber und die Einheimische, die sich getrennt haben. Ich habe dann immer dazu gesagt, dass wir im Guten auseinander gegangen sind - obwohl es eigentlich gar nicht notwendig wäre.
Aber ich versuche nie eine Gruppe zu vertreten, sondern meine Betrachtungen zu vermitteln. Ich weder Fisch noch Fleisch, ich bin einmal der Araber, einmal der Österreicher und wechsle in meinen Workshops auch spielerisch die Perspektiven. Ich lebe dazwischen. Das ist meine Realität. Aber irgendwann habe ich auch gelernt, mich mit meiner Realität zu versöhnen. Meine Familie habe ich zehn Jahre lang nicht gesehen. Ich vermisse sie, aber ich habe mich mit meiner Realität versöhnt.
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