Lost Place
Badlwandgalerie ist Zeitzeugin für das Industriezeitalter
Die 1844 fertiggestellte Badlwandgalerie zwischen Peggau und Frohnleiten gilt als einzigartiges Industriedenkmal, das als bautechnisches Zeugnis für die Modernisierung der Steiermark im 19. Jahrhundert steht. Heute ist die Galerie aufgrund der drohenden Einsturzgefahr gesperrt, sie wird aber als inoffizielle - wenngleich keineswegs ungefährliche - Kletterroute genutzt.
GRAZ-UMGEBUNG. Unzählige LKW und noch mehr Autos fahren täglich an der mittlerweile einsturzgefährdeten Badlwandgalerie vorbei, nur die wenigsten denken dabei aber wohl daran, dass das Industriedenkmal auf der Brucker Straße zwischen Peggau und Frohnleiten schon im Jahr 1844 aus dem Felsen geschlagen wurde und seither als stummes Denkmal eine bewegte Geschichte miterlebte.
Platz für die Eisenbahn
Dass die Badlwandgalerie für die österreichische Südbahnstrecke Wien-Triest genau an dieser Stelle errichtet wurde, ist in erster Linie der Engstelle geschuldet, die sich aus dem Fels der Badlwand und dem Kugelstein ergibt. Inmitten von Fels und Erhebung floss zum Zeitpunkt der Erbauung noch die ungeregelte Mur, die dementsprechend hohe Wasserstände erreichen konnte.
Der fehlende Platz war es somit, der die planenden Akteure im 19. Jahrhundert dazu veranlasste, für die Eisenbahngleise die Badlwand bei Peggau abzusprengen und die Galerie zu errichten. Auf diese Weise wurden Bahn- und Individualverkehr übereinander gelegt.
Test für Semmeringbahn
Diese Errichtung stellte gewissermaßen einen Probelauf für die erst zehn Jahre später erbaute Semmeringbahn dar. Schließlich konnte beim Bau der Badlwandgalerie die technische Machbarkeit der Baukonstruktion getestet werden.
Darüber hinaus waren aber auch logistische Herausforderungen zu meistern, die von der Unterbringung und Verpflegung der knapp 2.000 Arbeiter über die Beschaffung von Material bis hin zur Bereitstellung des passenden Werkzeugs reichten - und auch für die Errichtung der Semmeringbahn hilfreiche Hinweise lieferten.
Logistik als Herausforderung
Von diesen Fragen rund um die Logistik weiß auch Steinmetzmeister Mario Ruml zu berichten, der sich im Rahmen seiner Diplomarbeit intensiv mit der Badlwandgalerie auseinandergesetzt hat und für die bessere Instandhaltung bzw. eine erneute Nutzung der Galerie eintritt. Im Gespräch mit MeinBezirk.at erklärt Ruml etwa, dass für den Galeriebau so viele Ziegel benötigt wurden, dass eine einzige Ziegelei den Bedarf unmöglich decken konnte - weshalb kurzerhand sämtliche Grazer Ziegeleien aufgekauft wurden. Nicht alle lieferten allerdings die selbe Qualität, was heute Instandhaltungsmaßnahmen mitunter erschwert.
Nicht hinlänglich geklärt werden konnte dagegen die Frage, wo die knapp 2.000 Arbeiter untergebracht wurden, die vorwiegend aus Italien, Böhmen oder Mähren stammten. An ihre Anwesenheit erinnern jedoch zum einen persönliche Inschriften in Felseinbuchtungen, die bis in das 19. Jahrhundert zurückdatieren, zum anderen aber auch die Ferdinandkapelle bei Badl. Letztere wurde zum Gedenken an die tödlich verunglückten Bauarbeiter errichtet, deren Zahl sich den Pfarrunterlagen von St. Martin zufolge auf 44 beläuft.
Wechselhafte Nutzung
Nach ihrer Errichtung wurde die Galerie nicht nur zur Zeugin für das Industriezeitalter, das für die Steiermark besonders ein Aufblühen der Eisenindustrie bedeutete, sondern sie fand sich auch in wechselhaften Funktionen wieder: Während zunächst beide Eisenbahngleise unter der Galerie und der Individualverkehr auf der Galerie verliefen, wurde im 20. Jahrhundert zuerst das eine, dann auch das zweite Richtungsgleis außerhalb der Galerie verlegt.
In den 60er-Jahren wurde dann auch eine Straßenrichtung vor die Badlwandgalerie ausgelagert, da diese dem hohen Verkehrsaufkommen nicht mehr gewachsen war und es besonders in Zeiten des Reiseverkehrs auf der sogenannten "Gastarbeiterroute" zu gehäuften Staus kam. 1977 wurde schließlich auch die zweite Straßenrichtung vor der Galerie errichtet, da der desolate Zustand ein weiteres Befahren nicht mehr zuließ.
Ein bleibender "Lost Place"?
Seither gab es zahlreiche Auseinandersetzungen rund um die Frage, wer denn nun für Erhaltungsmaßnahmen zuständig ist. Dies sei Ruml zufolge grundsätzlich auch durchaus nachvollziehbar, da sich wohl niemand gerne um ein Bauwerk ohne Nutzung kümmert. Deshalb dürfe man, wenn es nach dem Steinmetzmeister geht, die Galerie aber noch lange nicht dem Verfall überlassen.
Stattdessen plädierte Ruml bereits in seiner Diplomarbeit für eine erneute Verwendung des Denkmals, indem beispielsweise ein Fahrradweg errichtet wird. Bislang wurden allerdings noch keine konkreten Schritte in Richtung einer Reaktivierung unternommen, weshalb die Badlwandgalerie weiterhin ihr Dasein als "Lost Place" fristet. Lediglich von Klettersportlerinnen und -sportler wird die Felswand mitunter noch als inoffizielle Route genutzt, wenngleich das Klettern wegen der Einsturzgefahr - nach Einschätzung von Ruml zurecht - streng verboten ist.
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