Sensation an Uni Graz
Bislang älteste Buchteile zufällig entdeckt
Muss die Geschichte des Buches neu geschrieben werden? Offenbar ja, denn bei Routinearbeiten in den Sondersammlungen der Bibliothek fanden Forscherinnen und Forscher der Universität Graz das weltweit älteste bekannte Fragment eines Buches in Kodex-Form.
GRAZ/STEIERMARK. Das Team der Universität Graz ist sich sicher: Ein ägyptischer Papyrus aus dem 3. Jahrhundert vor Christus weist Spuren einer Heftung auf, die darauf schließen lässt, dass er Teil eines Buches gewesen sein muss. Entdeckt wurde das Fundstück bei routinemäßigen Arbeiten von Restauratorin Theresa Zammit Lupi in den Sondersammlungen der Universitätsbibliothek.
Ganze 400 Jahre älter als die bislang bekannten ersten Bücher der Welt, dürfte der Zufallsfund die davor wissenschaftlich erforschte Zeitliste zur Geschichte des Buches nun auf den Kopf stellen: „Die frühesten bisher bekannten Codices mit Belegen für eine Heftung in Buchform wurden auf 150 – 250 n. Chr. datiert und befinden sich in der British Library und in der Chester Beatty Library in Dublin", sagen Erich Renhart und Thomas Csanády, die Leiter der Sondersammlungen der Grazer Universitätsbibliothek.
Umhüllung einer Mumie
Das nur etwa 15 x 25 cm große Papyrusstück befand sich bereits seit fast 120 Jahren an der Universität Graz, allerdings in den Untiefen der Sondersammlungen. Es wurde bei einer Grabung in der ägyptischen Nekropole von Hibeh (heute El Hiba) südlich von Fayum (El-Fayoum) entdeckt und gehört nun zu einer 52 Objekte umfassenden Sammlung von Papyri, die zum Teil in der Ptolemäerzeit (305–30 v. Chr.) als sogenannte Kartonage zur Umhüllung von Mumien verwendet wurden.
Es handelt es sich um ein Doppelblatt aus einem Notizbuch, auf dem um 260 v. Chr. Rechnungen für Bier- und Ölsteuer in griechischer Sprache festgehalten wurden. „Diese Entdeckung war ein echter Glücksfall. Zuerst sah ich ein Stück Faden, erst dann bemerkte ich das Format eines Buches. Ich sah einen zentralen Falz, die Heftlöcher und den geschriebenen Text innerhalb klar definierter Ränder auf dem Papyrus", erklärt die Restauratorin Theresa Zammit Lupi. Weitere Kodexfragmente erwarten die Forscherinnen und Forscher in den Sammlungen aber vorerst nicht.
Sondertagung im Herbst
„Der Kompetenz des Teams der Sondersammlungen der Universität Graz ist es zu verdanken, dass ein frischer Blick auf bereits lange Zeit bekannte, digitalisierte Objekte – in diesem Fall das Grazer Mumienbuch zu neuen Erkenntnissen führte. Man darf auf die Diskussionen in der Fachcommunity gespannt sein“, führt Pamela Stückler, die Leiterin der Universitätsbibliothek Graz, aus.
Noch in diesem Herbst sollen internationale Spezialistinnen und Spezialisten zu einer Tagung nach Graz eingeladen werden, um das Buchfragment und damit die Geschichte des Buches neu zu diskutieren.
Hier kannst du dir die Präsentation des Sensationsfundes ansehen:
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