Urbanisierung
Das Bild der "gefährlichen Stadt" hält sich auch in Graz

- Es gibt Orte in Graz, an denen sich die Menschen tendenziell unsicher fühlen. Das subjektive Sicherheitsempfinden kann dabei von verschiedenen Einflüssen abhängen.
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Die Grazerinnen und Grazer haben ein hohes subjektives Sicherheitsempfinden – das mag durchaus den Bemühungen des städtischen Sicherheitsmanagements und der Arbeit der Polizei zu verdanken sein. Dennoch gibt es Orte, an denen sich scheinbar auffallend viele Menschen unsicher fühlen. Das Bild der großen, unsicheren Stadt ist ein historisch gewachsenes Phänomen und zum Teil künstlich erzeugt, meint Ethnologin Katharina Eisch-Angus.
GRAZ. "Messerstecherei am Griesplatz", "Brutaler Überfall im Volksgarten" oder "Vergewaltigung im Stadtpark" – Schlagzeilen wie diese werden den meisten Grazerinnen und Grazern bekannt vorkommen. Wohl, weil sich jene Meldungen seit Jahren häufen, sind es auch die besagten Orte, an denen sich die Menschen in Graz tendenziell unsicher fühlen – das ergab eine Umfrage des Marktforschungsinstituts "m(research", die MeinBezirk.at 2021 in Auftrag gegeben hat.

- Das Bild von der großen Stadt als Ort von Unsicherheit, Krankheit und Kriminalität im Gegensatz zum friedlichen, idyllischen Land ein kulturell gewachsenes.
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Erfreulicherweise scheinen sich die Grazerinnen und Grazer aber grundsätzlich sehr sicher in ihrer Stadt zu fühlen – das gaben rund 90 Prozent der 351 Befragten im Rahmen der Erhebung an. "Unser Eindruck ist, dass sich die Menschen sehr sicher fühlen", bestätigt auch Gilbert Sandner von der Magistratsdirektion für Sicherheitsmanagement und Bevölkerungsschutz. Dass es aber auch Orte gibt, die bei dieser positiven Bilanz negativ hervorstechen, ist dem Sicherheitsmanager bewusst. "Es gibt Punkte, die uns wohlbekannt sind."
Vorsicht bei Pauschalisierungen
"Es gibt aus verschiedenen Gründen Orte, an denen mehr passiert. Man muss aber mit Pauschalisierungen aufpassen", sagt Ethnologin Katharina Eisch-Angus. Die Professorin ist am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Uni Graz tätig und forscht mitunter zum Thema Sicherheit. Der Griesplatz und der Volksgarten in Graz seien Paradebeispiele dafür, wie die Ängste der Bevölkerung teils ausgeschlachtet würden, sagt sie.

- Das Bild vom Griesplatz als "Ort der Gefahr" hält sich in Graz hartnäckig.
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"Das ist gefährlich in verschiedener Hinsicht. Zum einen, weil es die Menschen in ihrem Alltagsleben beeinträchtigt, wenn diese Ängste geschürt werden. Zum anderen werden auf diese Art und Weise Ausgrenzungen geschaffen." In Graz sei dies relativ einfach: "Die unheimlichen Anderen sind auf der anderen Flussseite. Das hält sich hartnäckig."
Das hartnäckige Bild der gefährlichen Stadt
Dass gerade der Griesplatz mit Abstand auf Platz eins in Sachen gefühlte Unsicherheit landet, hat laut der Ethnologin auch historische Gründe. "Gries hat diesen Ruf schon immer gehabt. Das ist ja die alte Grazer Vorstadt, wo die Dienstboten und Zuwanderer aus Südosteuropa gewohnt haben und zum großen Teil war Gries auch das jüdische Viertel", erzählt Eisch-Angus.

- Ethnologin Katharina Eisch-Angus analysiert, Sicherheit sei ein politischer Begriff, der zunehmend an Bedeutung gewonnen hat.
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Generell sei das Bild von der großen Stadt als Ort von Unsicherheit, Krankheit und Kriminalität im Gegensatz zum friedlichen, idyllischen Land ein kulturell gewachsenes – "das kommt noch aus dem 18. und 19. Jahrhundert." Nachdem sich Graz zunehmend als urbane Metropole positioniert, präge sich entsprechend auch hier das Bild der gefährlichen Großstadt ein. Dass Graz kontinuierlich wächst, sei laut dem Grazer Kriminalreferats-Leiter Gerhard Lachomsek auch für die Polizei spürbar. "Es gibt in Graz aber trotzdem keine Örtlichkeiten, von denen ich sage, dass man sich dort fernhalten soll, wie das in anderen größeren Städten oft ist."
Auch der Grazer Sicherheitsmanager betont, Graz sei sicherer als manche meinen würden: "Aus Erfahrung glaube ich sagen zu können, dass man sich oft unsicherer fühlt im Verhältnis dazu, wie viele Straftaten da wirklich passieren." Dass Graz tatsächlich in vielerlei Hinsicht sicherer wird, bestätigt der Kriminalreferats-Leiter: "Wir liegen erfreulicherweise oft hinter den eigenen Prognosen", verrät Lachomsek. Eine pauschale Aussage darüber zu treffen, wie sicher Graz nun wirklich ist, sei aber schlichtweg nicht möglich, sagt er.

- Die Stadt und die Polizei arbeiten mit Maßnahmen wie der Ordnungswache stetig daran, dass sich die Grazerinnen und Grazer sicher fühlen.
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Sicherheit als politischer Begriff
Dass Sicherheit als solche nicht messbar sei, sagt auch Eisch-Angus. Die Ethnologin geht sogar noch einen Schritt weiter: "Streng genommen existiert Sicherheit in unserer Welt nicht – wenn man es drauf anlegt, ist man nie sicher." Sicherheit sei darüber hinaus auch nicht erlebbar. Nichtsdestotrotz wird das Thema subjektive Sicherheit zunehmend forciert, auch in Graz. "Wir versuchen natürlich, dass sich die Bevölkerung sicher fühlt, etwa durch den strategischen Einsatz der Ordnungswache, mit dem Heimwegtelefon oder durch Streifentätigkeiten", erläutert Sandner.
Die Ethnologin kann solchen Maßnahmen wenig abgewinnen, sie sagt: "Wenn mir seitens des Staates, der Politik und der Polizei ständig gesagt wird, 'wir sorgen für eure Sicherheit', dann bekomme ich erst in den Kopf gesetzt, dass ich mich unsicher zu fühlen habe." Eisch-Angus ist der Meinung, die Politik habe das Thema Sicherheit in den letzten zwei Jahrzehnten als "Holzhammer-Argument" für sich entdeckt. Wichtiger als jene Bemühungen, die das subjektive Sicherheitsgefühl steigern sollen, wäre es aus ihrer Sicht, soziale Ungleichheit und strukturelle Probleme stärker zu thematisieren, um um das Miteinander in der Stadt noch positiver – und sicherer – zu gestalten.

Urbanisierung in Graz
Wie sich der Megatrend hin zu städtischen Lebensformen in Graz äußert, liest du auf unserer Themenseite.
Ein anderer "Megatrend", mit dem wir uns beschäftigen, ist die "Silver Generation". Mehr dazu liest du hier:
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