Elena Kirchberger
Die Österreicherin mit dem italienischen Herzen
Italienisch ist die Sprache ihres Herzens, sie gab ihr Selbstvertrauen und weckte den Mut zu ihrem Engagement: Elena Kirchberger berichtet, wie sie im Rollstuhl sitzend und mit Sehbeeinträchtigung durch eine Fremdsprache und einem Erasmus-Semester zu sich selbst fand.
GRAZ. Ihre italienischen Freunde bezeichnen Elena Kirchberger als "Austriaca dal cuore italiano", die "Österreicherin mit italienischem Herz". "Italien ist einfach ein Teil von mir", ist die junge Grazerin überzeugt, "Als Kind war ich mit meinen Eltern sehr viel im Urlaub dort. Sie waren auch Fans der italienischen Musik, damit bin ich aufgewachsen." Neben einem Grundkurs in der Schule hat sich Kirchberger die italienische Sprache selbst beigebracht. Das gelang so gut, dass sie den Einstufungstest für das Studium "Romanistik-Italienisch" an der Universität Graz mit sehr guter Leistung bestand und sogar ein Semester in der Sprachausbildung überspringen konnte.
Erasmus in Bologna
"Natürlich wurde Studierenden aber auch ans Herz gelegt: Eine Sprache lernt man am besten im Land selber", erzählt Kirchberger, "Da wollte ich nicht zurückstehen, und auch ein Auslandssemester absolvieren." Dieser Wunsch war kein einfacher, denn Elena Kirchberger ist auf den Rollstuhl angewiesen und schwer sehbeeinträchtigt. Doch, was sich die Grazerin in den Kopf gesetzt hat, das wollte sie umsetzen. "Wir haben alles von hinten aufgerollt", berichtet Kirchberger. Üblicherweise müssen Studierende bei Erasmus drei Wunsch-Universitäten angeben. Kirchberger hingegen nahm auf Vermittlung einer ihrer Professorinnen und Professoren direkt Kontakt mit der Universität in Bologna auf. Es folgten Besuche dort um die Situation abzuklären.
"Barrieren gibt es, meiner Meinung nach, nur im Kopf."
Elena Kirchberger
"In Bologna waren sie begeistert von mir und haben mir gleich alle notwendigen Formulare ausgefüllt und mitgegeben", erinnert sich Kirchberger, "Die habe ich dann der Uni Graz vorgelegt. Da kam anfangs oft die Frage: 'Wollen Sie sich das wirklich antun?' Aber dieser Satz hat mich doppelt und dreifach motiviert. Am Ende hatte ich alle überzeugt, aber ohne die Unterstützung beider Unis und meiner Eltern, die sich um bürokratische Angelegenheiten, etwa mein Pflegegeld, gekümmert haben sowie der OeAD (Anmerkung: Österreichische Agentur für Bildung und Integration) hätte das alles nicht funktioniert."
Räumliche und soziale Barrierefreiheit
Ein großes Thema war die (räumliche) Barrierefreiheit. "Dieses Thema berührt und beschäftigt mich sehr. Wir sind in der Europäischen Union, haben eine Behindertenrechtskonvention und Definition für Barrierefreiheit und Behinderung, schaffen es aber trotzdem nicht in allen EU-Staaten einheitliche Regelungen zu gestalten. Da habe ich den Unterschied zwischen Österreich und Italien stark gemerkt", erzählt Kirchberger. Unter anderem musste Kirchbergers Zimmer im Studentenheim baulich adaptiert werden. "Ich glaube, das ist heute noch das barrierefreiste Zimmer im ganzen Haus", schmunzelt Kirchberger.
Umso positiver fiel die Zwischenmenschlichkeit ins Gewicht. "In Italien ist die 'soziale Barrierefreiheit', wie ich sie nenne, viel weiter ausgeprägt", weiß Kirchberger, "Da wird nicht mein Rollstuhl, sondern die Person darin gesehen." Aber auch einschneidende Erlebnisse prägten Kirchbergers Aufenthalt in Bologna. "Nach zwei Monaten kam es zu Studentenprotesten. Da bin ich schon in beängstigende Situationen gekommen, wo Mülltonnen neben mir gebrannt haben oder Flaschen geworfen wurden. Das hat insbesondere meinen Spasmus so verstärkt, dass ich mich einige Tage nur noch schriftlich verständigen konnte."
"Ich will sensibilisieren"
Bereut hat Kirchberger ihr Erasmus-Semester dennoch nie: "Ich habe meine Grenzen kennengelernt, und ich habe gelernt, sie zu überschreiten. Ich sage gern, es gibt eine Elena vor Erasmus und eine nach Erasmus. Die nach Erasmus ist mir wesentlich sympathischer." Mittlerweile ist Elena Kirchberger an der ÖH Uni Graz als Referentin tätig und setzt sich im Hochschulbereich dafür ein, dass Menschen mit Beeinträchtigungen auf Augenhöhe begegnet wird. Darüberhinaus hält sie Sensibilisierungs-Workshops in Schulen ab.
"Meiner Meinung nach ist Kommunikation das erste Mittel zur Inklusion, sei sie verbal oder non-verbal. Irgendwie reden wir alle miteinander, und nur, wenn wir miteinander reden, haben wir die Möglichkeit in die Welt des anderen einzutauchen.
Elena Kirchberger
Der italienischen Sprache verdankt Kirchberger viel von ihrem Selbstbewusstsein, wie sie selbst sagt. "Es ist einfach die Sprache, die mir leichter fällt, die Sprache meines Herzens sozusagen", erklärt sie, "Und ich glaube, es zeichnet mich aus, dass ich eine Sicht auf die Dinge habe, die in Österreich vielleicht nicht so oft bedacht wird." Mittlerweile ist Kirchberger anerkannt deutsch-italienisch-zweisprachig. Derzeit absolviert sie ihr Doktorat an der Uni Graz und ist selbstständig als Sprachdienstleisterin und Nachhilfe-Lehrerin tätig (Infos dazu gibt es auf www.elena-kirchberger.com). Was sie allen Menschen, die sich für ein Erasmus-Semester interessieren, mitgeben würde? "Lasst euch nicht von ersten negativen Kommentaren abweisen und mit den Worten eines meiner Lieblingssänger, Norbert Schneider: 'Immer schee draunbleim.'"
Das könnte dich auch interessieren:
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.