Aufklärung
Fälle von Genitalverstümmelung häufen sich in der Steiermark

Vor einem Jahr wurde eine FGM-Ambulanz am Universitätsklinikum in Graz eingerichtet.  | Foto: Kanizaj
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  • Vor einem Jahr wurde eine FGM-Ambulanz am Universitätsklinikum in Graz eingerichtet.
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Etwa 1.000 Frauen sind in der Steiermark Schätzungen zufolge von einer Genitalverstümmelung und damit von schwerwiegenden gesundheitlichen und seelischen Auswirkungen betroffen. Weil die Fälle sich vermehren, wurde in Graz auch das Beratungs- und Präventionsangebot ausgebaut. Die zuständigen Expertinnen geben Einblick in ihre Arbeit und informieren, wie mit dem heiklen Thema weibliche Beschneidung umgegangen werden soll. 

GRAZ. Starke Schmerzen beim Wasserlassen und Geschlechtsverkehr, lebensbedrohliche Komplikationen bei der Geburt, Angststörungen und Depressionen – das sind einige der schweren Folgen weiblicher Genitalverstümmelung (aus Gründen der Sensibilität "FGM/C" als Abkürzung für "Female Genital Mutilation/Cutting" genannt). In vielen afrikanischen Ländern wie etwa Ägypten, Somalia und Nigeria hat diese Art der Beschneidung aber eine wichtige Bedeutung für die jeweilige Kultur und so sind weiterhin viele Mädchen und Frauen betroffen – zunehmend auch in der Steiermark.

"Nachdem die Bevölkerungszahl von Personen aus den entsprechenden Ländern in Graz wächst, wird FGM/C auch bei uns vermehrt ein Thema", weiß Eva Tiefengraber, die die steirische FGM/C-Koordinationsstelle beim Roten Kreuz leitet. Tiefengraber schätzt, dass in der Steiermark etwa 1.000 Frauen leben, die von einer Beschneidung betroffen sind. Weil FGM/C in Österreich verboten ist, würde die Beschneidung in der Regel in der Heimat durchgeführt. "Wir können aber nicht ausschließen, dass es auch in Österreich stattfindet", befürchtet Tiefengraber. 

"Wir können nicht ausschließen, dass Beschneidungen auch in Österreich stattfinden."
FGM/C-Koordinatorin Eva Tiefengraber

Die steirische FGM/C-Koordinatorin Eva Tiefengraber weiß, Fälle von weiblicher Beschneidung häufen sich in Graz und der Steiermark.  | Foto: kk
  • Die steirische FGM/C-Koordinatorin Eva Tiefengraber weiß, Fälle von weiblicher Beschneidung häufen sich in Graz und der Steiermark.
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Erweitertes Angebot für Betroffene

Vor zwei Jahren wurde die FGM/C-Koordinationsstelle in Graz eingerichtet, bei der sich Betroffene beraten und begleiten lassen können. Knapp 100 Personen haben die Stelle in den vergangenen zwei Jahren genutzt. Vor genau einem Jahr, im Februar 2023 wurde das Angebot durch eine FGM-Ambulanz am Universitätsklinikum Graz erweitert, wo bislang 55 Patientinnen behandelt wurden. "Die Frauen wurden bis dato nirgendwo medizinisch betreut", sagt Marie-Christine Bertholin y Galvez, die die Ambulanz am Uniklinikum leitet. Denn aus Angst und Scham würden sich die Betroffenen nicht in eine reguläre Ambulanz trauen – zur eigens eingerichteten FGM-Ambulanz kommen die Frauen über die Koordinationsstelle des Roten Kreuzes, mit Dolmetschern und dem notwendigen Vertrauen.

"Empowerment" und Dialog auf Augenhöhe

"Das wichtigste ist, die Beschneidung nicht zu verurteilen, weil man damit auch die betroffene Frau verurteilt", betont die Gynäkologin. Das bekräftigt auch Tiefengraber, die daher auch vermitteln möchte, welchen Wert die Beschneidung für die Kulturen hat, aus denen die Frauen kommen: "So schrecklich das ist, ist es in den Ländern etwas positives. Wichtig ist daher, die Frauen nicht zusätzlich zu stigmatisieren oder als Opfer zu sehen. Das unterstützt den Dialog auf Augenhöhe."

"Das wichtigste ist, die Beschneidung nicht zu verurteilen."
Gynäkologin Marie-Christine Bertholin y Galvez 

Gynäkologin Marie-Christine Bertholin y Galvez leitet die FGM-Ambulanz in Graz.  | Foto: Privat
  • Gynäkologin Marie-Christine Bertholin y Galvez leitet die FGM-Ambulanz in Graz.
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Um von Beschneidung betroffene Frauen künftig noch besser unterstützen zu können, möchte man bei der FGM/C-Koordinationsstelle noch in diesem Jahr vermehrt Berufsgruppen-Schulungen für Hebammen, Lehrerinnen und Lehrer, Schul- und Kinderärztinnen und -ärzte sowie für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter anbieten. Wichtig sei laut Tiefengraber, neben den gesundheitlichen Themen auch das allgemeine "Empowerment" der Betroffenen: "Wir möchten die Frauen insgesamt stärken, sie über ihre Rechte und Ausbildungsmöglichkeiten aufklären und sie dabei unterstützen, ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen." 

Aufklärung für Interessierte

Zu einer offenen, kostenlosen Informationsveranstaltung unter dem Titel "Mein Körper gehört mir - Nein zur Genitalverstümmelung bei Frauen" laden am Donnerstag um 18.30 Uhr auch die VP Frauen Graz, die das Thema auch politisch stärker zur Sprache bringen möchten. FGM/C-Koordinatorin Eva Tiefengraber wird bei dem Vortrag in der steirischen ÖVP-Zentrale am Karmeliterplatz 6 auch einen Einblick in ihre Arbeit geben. Am Weltfrauentag, dem 8. März sowie am 15. März öffnet die Koordinationsstelle beim Roten Kreuz Interessierten zudem ihre Türen in der Leonhardstraße 41.

Hilfe für Betroffene

FGM/C-Beratungsstelle Steiermark, Österreichisches Rotes Kreuz
  • Merangasse 26 (Eingang Leonhardstraße 23), 8010 Graz
  • Telefon: +43 50 1445 10176
  • Mail: womencare@st.roteskreuz.at
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