In Krisenzeiten
So sicher ist die Lebensmittelversorgung in der Steiermark

Was in der Steiermark wächst, kann die Steirer:innen versorgen: Landesrat Hans Seitinger über die heimische Landwirtschaft. | Foto: M. Schwarzl
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  • Was in der Steiermark wächst, kann die Steirer:innen versorgen: Landesrat Hans Seitinger über die heimische Landwirtschaft.
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Wie steht es um die Ressourcen, wie gut kann die Steiermark überleben, wenn sie auf heimische Produktionen im Lebensmittelbereich angewiesen ist? Wir haben bei Agrar-Landesrat Hans Seitinger nachgefragt.

STEIERMARK. Die Versorgung der heimischen Bevölkerung ist auf allen Ebenen ein wichtiges Thema. Der steirische Agrarlandesrat Hans Seitinger pocht auf die Qualität der heimischen Landwirtschaft. Aber wie sicher sind wir wirklich?

MeinBezirk.at: Wie geht es Ihnen persönlich, wenn Sie die Bilder aus dem Krieg sehen? 
Hans Seitinger: Es ist erschreckend, ich bin da schon seit dem Balkankrieg sehr sensibilisiert, die Ukraine ist noch einmal eine andere Dimension. Leider weiß man, dass im Krieg jede Vernunft, jede Ethik ausgeschaltet ist. Wenn man bedenkt, dass allein eine Anzahl von Menschen in der Dimension von halb Österreich auf der Flucht sind, vor dem Tod davonlaufen ... – das ist sicher das Grausamste, was dir passieren kann.

Wie bewerten Sie das?
Die menschliche Ebene ist die wichtigste dabei, erst in zweiter Linie geht es dann um die Migrationsthematik, die man managen muss. Und nachgelagert geht es dann um wirtschaftliche Komponenten. Wir sehen jetzt dramatisch wie verschränkt Wirtschaft, Versorgung und Sicherheit sind und wie dieses Konstrukt ins Wanken gerät. Niemand hätte gedacht, welche gigantische Dimension der kriegerische Angriff auf ein Land auslösen kann.

Was bedeutet das für die Steiermark, gibt es schon Engpässe?

Heikel ist jedenfalls einmal die Energieversorgung. Am Gas hängen bei uns 150.000 Jobs in der Industrie. Auch viele Lebensmittelverarbeitungsbetriebe brauchen das Gas, etwa Molkereien, Gärtnereien und vieles mehr. Was sperre ich denn dann zu, wenn das Gas eng wird? Welcher Betrieb ist systemrelevant, welcher nicht? Natürlich spüren wir das auch in der Steiermark.

Auf regionale Produkte statt auf weit "Eingeflogenes" setzen. | Foto: Tobias Schneider-Lenz
  • Auf regionale Produkte statt auf weit "Eingeflogenes" setzen.
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Wie steht es um Lebensmittel?
Ich denke, dass wir einen Teil gut aufrecht erhalten können. Aber es kündigen sich schon jetzt einige extreme Entwicklungen an, zum Beispiel in der Fleischproduktion, weil man nicht weiß, ob man das Mischfutter, das man braucht, noch bekommt oder ob es noch leistbar ist. Es ist bereits bei großen deutschen ProduzentenThema, dass es jetzt nach Ostern kein Hühner- und kein Rindfleisch und nicht mehr ausreichend Eier geben wird. Es wird ernst.

Was tun?
Wir sollten alle darüber nachdenken, ob wir uns das System "Kauf fünf, zahl zwei" noch leisten können. Jetzt sollten wir auf die Qualität schauen, auf die Regionalität – und nur das einkaufen, was man wirklich braucht. Damit wir nicht einerseits Lebensmittel-Müll produzieren und andererseits dann irgendwann vor halbleeren Regalen stehen. Jeder muss mit Vernunft einkaufen gehen.

Also auch verzichten?
Es ist jedenfalls ein guter Zeitpunkt, über die Wertigkeit von Lebensmitteln nachzudenken. Diese Produkte sind keine Massenware, die man einfach wegschmeißt, wenn sie in die Nähe eines Ablaufdatums kommen oder der Kühlschrank nicht mehr zugeht. Die Arbeit des Bauern, die Arbeit von vielen Menschen in der Veredelung muss wieder wertgeschätzt werden.

Hans Seitingers wichtigste Ziele: Bewusstsein schaffen für Produkte aus der Steiermark, die Konsument:innen noch besser sensibilisieren. | Foto: Lebensressort/Streibl
  • Hans Seitingers wichtigste Ziele: Bewusstsein schaffen für Produkte aus der Steiermark, die Konsument:innen noch besser sensibilisieren.
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Was heißt das für die Preisgestaltung bäuerlicher Produkte?
Wir hatten erst kürzlich sehr intensive Gespräche mit den großen Handelsketten in Österreich. Und haben ihnen auch aufgezeigt, wie sich die Situation der Bauern darstellt. Dass Düngemittelpreise um 200 Prozent, Futtermittelpreise um 60 Prozent steigen, dass Energiepreise sich versechsfacht haben. Das kann nicht der Bauer schlucken, sonst müssten alle Bauern ihren Hof zusperren. Die Mehrkosten müssen eingepreist werden, daher wird auch der Handel die Preise an die Konsumenten weitergeben müssen. Wenn man das nicht will, muss man seitens der Bundespolitik Unterstützung für die Bauern ermöglichen.

Wenn Österreich auf sich allein gestellt wäre – wie stünde es dann um die Lebensmittelversorgung?
Bei Gemüse, Obst, Fleisch und Getreide können wir uns sehr gut bewegen, da ließe sich Österreich zu 85 bis 100 Prozent versorgen. Beim Fisch hingegen liegen wir bei einem Versorgungsgrad von nur sechs Prozent. Aber insgesamt sind wir gut versorgt. Was allerdings niemand dazusagt: Wir sind ja auch ein Handelsland, vieles muss sogar exportiert werden, weil unsere höchsten Qualitäten in anderen Ländern sehr gefragt sind und auch entsprechend bezahlt werden. Im Gegenzug importieren wir auch vieles, bedauerlicherweise legen Lebensmittel immer noch weite Strecken zurück.

Das mehr schätzen, was so nah liegt: Die steirische Landwirtschaft sollte sich in Richtung Universalunternehmer entwickeln, zum Beispiel auch in Hinblick auf ihren touristischen Wert. | Foto: Christian Pfabigan
  • Das mehr schätzen, was so nah liegt: Die steirische Landwirtschaft sollte sich in Richtung Universalunternehmer entwickeln, zum Beispiel auch in Hinblick auf ihren touristischen Wert.
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Wie gegensteuern?
Das ist unser Auftrag jetzt, dass man die Kunden auf die heimischen Produkte einschwört und diese Märkte auch nachhaltig absichert. Das bedeutet auch, dafür den einen oder anderen Euro mehr zu bezahlen. Denn wir sehen das jetzt in der Krise: Die Lebensmittelproduktion ist nichts, was man mit einem Schalter ein- oder ausschaltet. Was wir erkannt haben: Auch freie Märkte brauchen Regeln. Und der Konsument spielt dabei eine sehr wichtige Rolle. Wenn man Lebensqualität übermorgen noch haben will, muss man das Konsumverhalten heute umstellen.

Auch im Hinblick auf die Klimakrise?
Ja, das ist nach wie vor neben dem Krieg unsere größte Sorge. Und es ist nach wie vor ein Wahnsinn, wie Lebensmittel quer durch die ganze Welt verfrachtet werden. Die Lebensmittelkennzeichnung muss schnellstmöglich umgesetzt werden, dann hat es der Konsument selbst in der Hand, diesen Wahnsinn abzustellen. Wenn er es nicht weiß, kann man ihm auch keinen Vorwurf machen, wenn er zu einem Produkt greift, das bereits tausende Kilometer unterwegs war. Wenn eine Krise zumindest einen kleinen Vorteil hat, dann jenen, das Systemfehler sichtbar werden.

Was kann unsere Landwirtschaft selbst besser machen?
Erstens müssen wir den Anspruch auf Qualität zu setzen, beibehalten. Zweitens müssen wir in der Landwirtschaft offen und transparent sein, wir müssen herzeigen, wie wir produzieren – auch um herzuzeigen, dass es anders geht als in der agrarischen Industrie. Und drittens muss es uns gelingen, den Bauern als Universalunternehmer auszubilden. Da geht es um touristische, energierelevante und Dienstleistungsbereiche. Er muss auf mehreren Beinen stehen. Insgesamt gilt: Der mittelgroße Familienbetrieb ist der sichere Betrieb, der in guten wie in schlechten Zeiten hält.

Wie könnte man im Energiebereich tun?
Der Landwirt ist bei uns meistens gut in Sachen Holz und Wald aufgestellt. Und das Holz, der wahrscheinlich intelligenteste Rohstoff, hat noch lange nicht sein Potenzial in Sachen Nutzung ausgeschöpft. Bis zum Holzdiesel gibt es da unglaubliche Möglichkeiten. Wir haben jedes Jahr einen Zuwachs von 8,5 Millionen Festmeter, geschlägert werden 4,3 Millionen, der Rest bleibt stehen. Da könnte man noch mehr nutzen. Insgesamt ist das erste Ziel, einmal die landwirtschaftlichen Betriebe energieautark zu machen. Außerdem sind wir als Bauern mittlerweile in der Lage als Energiedienstleister in den Kommunen ein verlässlicher Partner. Die Landwirte sollen sich stark am österreichischen Energiemix beteiligen: Es braucht die Windkraft, die Wasserkraft, die Biomasse und andere intelligente Energieformen. Der Landwirt soll aus meiner Sicht da eine zentrale Rolle spielen.

Mehr aus dem Ressort von LR Hans Seitinger:

Steiermark als Land der Souveränität und Sicherheit
850 Millionen Bäume als "grüner Schatz" der Steiermark
Acht Millionen Euro für den Hochwasserschutz (plus Video)
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