WOCHE-Familienflüsterer
Über die besondere Kraft der Resilienz
Familienflüsterer Philip Streit hat Tipps, wie man positiv bleibt und an Niederlagen wachsen kann.
Es gibt Situationen, in denen man glaubt, es ginge jetzt gar nichts mehr. Plötzlich den Job verlieren, das eigene Kind verunglückt schwer, der Partner trennt sich oder andere Niederlagen können jene Art von Aussichtslosigkeit auslösen. Eine solche herausfordernde Situation ist für viele von uns auch die anhaltende COVID-19-Krise: Wie kann ich mit den Belastungen umgehen? Wie geht es mit meiner Existenz weiter? Diese Unsicherheiten können sich unüberwindbar anfühlen. In uns kommt der Gedanke auf, wir wären zu dumm, um die Situation zu bewältigen. Somit werten wir die Situation als übermächtig, der wir uns nur ohnmächtig ergeben können und wir verfallen in Jammern, Aggression, Verzweiflung oder sogar Depression.
Aber es gibt etwas, das in jenen, fast aussichtslos erscheinenden Situationen der Niederlage wieder auf die Beine hilft. Es ist unsere Fähigkeit zur Resilienz, das „trotzdem Ja zum Leben sagen“ wie es der berühmte österreichische Psychiater Viktor Frankl in seinem Buch beschrieben hat. Resilienz ist die Fähigkeit schwierige Situationen und Augenblicke der Niederlage, ohne nachhaltige seelische Beschädigung zu überleben bzw. sogar gestärkt aus ihnen hervor zu gehen.
Tipps
Hier nun Ideen, wie Sie Resilienz in sich stärken, um besser mit schwierigen Situationen umgehen zu können:
1. Wenn Sie sich in einer aussichtslosen Situation befinden, halten Sie kurz inne. Akzeptieren Sie die Situation, so wie sie ist.
2. Behalten Sie sich Ihren Optimismus. Lenken Sie Ihren Fokus auf das Positive. Glauben Sie an das Gute in sich und in der Welt.
3. Übernehmen Sie Verantwortung und werden Sie aktiv. So entstehen neue Lösungen und Ideen, um die Situation besser bewältigen zu können.
4. Bleiben Sie nicht allein. Suchen Sie den Austausch und bitten Sie um Unterstützung. Gute Beziehungen helfen vor allem dabei, in der schwierigen Situation ruhig und gelassen zu bleiben.
5. Entdecken Sie hinderliche, tief im Inneren sitzenden Vorannahmen und Ängste. Hinterfragen Sie sie, argumentieren Sie dagegen.
6. Vermeiden Sie Denkfallen, wie überhastete Schlussfolgerungen, "nur ich bin schuld" oder "nur die anderen sind schuld".
7. Ersetzen Sie Phrasen wie „ich soll“ und „ich muss“ durch „ich werde“, „ich tue“ und „ich will“.
8. Entdecken Sie, unter welchen Umständen Sie zum Katastrophisieren neigen. Betrachten Sie das Ganze aus einer optimistischen Perspektive.
9. Geben Sie nicht auf. Sagen Sie sich anstatt „Ich kann das nicht“ lieber „Das geht noch nicht, aber ich bleibe dran“.
Der Experte
Philip Streit ist klinischer Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut, Lebens- und Sozialberater.
Seit 1994 leitet er das „Institut für Kind, Jugend und Familie“ in Graz, das auch jetzt für Sie unter 0316/77 43 44 da ist.
Web:www.ikjf.at
Leser-Fragen bitte an: redaktion.graz@woche.at
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