Via Handy spioniert der Staat seine Bürger aus

Die WOCHE hat einen Tag eines Redakteurs aufgrund seiner Handynutzung grob nachgezeichnet. Die roten Kreise markieren jeweils den ungefähren Standort – etwa so, wie es bei einer Handyortung möglich ist. Und? Wo waren Sie heute? | Foto: Arge Kartographie, Montage: WOCHE
  • Die WOCHE hat einen Tag eines Redakteurs aufgrund seiner Handynutzung grob nachgezeichnet. Die roten Kreise markieren jeweils den ungefähren Standort – etwa so, wie es bei einer Handyortung möglich ist. Und? Wo waren Sie heute?
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Wer ein Handy hat, sollte wissen: Das Geheimnis, wer wann wo und mit wem telefoniert, wackelt.

Wer telefoniert, gibt einiges preis: Wann und wie lange rede ich? Mit wem? Wer bekommt SMS, E-Mails? Welche Webseiten rufe ich auf? Via Handysender lässt sich selbst der eigene Standort auf rund 150 Meter genau ermitteln. Diese Daten gibt es über jeden Handybesitzer, auf ihrer Basis erstellen Netzbetreiber Rechnungen. Ein Gesetz mit dem sperrigen Namen „Vorratsdatenspeicherung“, das Ende April beschlossen werden soll, könnte diese Daten bald auch für Behördern deutlich mehr öffnen als bisher. Tagesabläufe wären damit leicht nachvollziehbar (siehe Grafik).

Basis „begründeter Verdacht“

Schon bisher durfte die Staatsanwaltschaft auf diese Daten zugreifen. Thomas Mühlbacher, Leiter der Staatsanwaltschaft Graz: „Es gibt Kriminalitätsfelder, wo man nicht einfach einen Uniformierten hinschicken kann. Wenn ein Richter es bewilligt, können wir die Daten bei den Netzbetreibern ausheben.“ Basis für eine Bewilligung ist ein „begründeter Verdacht“, ein Anlass.
Kritiker befürchten aber, das neue Gesetz könne aufgrund seiner Formulierung diese richterliche Instanz künftig „umgehen“: Dort heißt es etwa, dass die Behörden „zur Abwehr allgemeiner Gefahren“ und bei „schweren Straftaten“ zugreifen dürfe. „Gefahren“ und „Straftaten“ sind nicht näher definiert und damit Auslegungssache. Wann also künftig zugegriffen wird und wer das tun darf, ist heiß umstritten.

„Österreich geht viel zu weit“

Die Situation lässt bei der Präsidentin der Rechtsanwaltskammer, Gabriele Krenn, die Alarmglocken läuten. „Das Ziel war die Bekämpfung von Terrorismus. Österreich geht aber viel weiter und inkludiert Straftaten, die vom Terrorismus meilenweit entfernt sind.“ Dass Daten „präventiv“, also zur „Abwehr“ von noch gar nicht passierten Straftaten, genutzt werden könnten, sei unverhältnismäßig. Außerdem sei allein die Speicherung der Daten unbescholtener Bürger wohl grundrechtswidrig – wie in mehreren anderen EU-Ländern, darunter Deutschland. Denn „jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privatlebens und ihrer Korrespondenz“, sagt Krenn.
Auch Mühlbacher, dessen Arbeit durch das neue Gesetz „vereinfacht“ würde, betont: „Die Herausforderung ist, gleichzeitig den ,gläsernen Menschen‘ und schwere Straftaten zu verhindern. Wir brauchen jetzt eine Verhältnismäßigkeit in der Politik – und später in der Anwendung von uns.“

So fühlt sich Überwachung an

Die WOCHE machte den Selbstversuch: Mit GPS-Ortung und dem Google-Tool „Latitude“ haben sich die Redakteure Katharina Prügger und Klaus Krainer eine Woche lang gegenseitig „bespitzelt“. Auch mit Handys ist das im Internet jetzt schon möglich: Und schon weiß man jederzeit, wo der andere ist.
Prügger fand einerseits die Möglichkeit verlockend: „,Jetzt hat der schon seit zwei Stunden sein Handy aus! Was macht er? Will er was verheimlichen?‘ Genau das waren meine mich selbst erschreckenden Gedanken“, sagt Prügger. „Das Schockierendste: Von einem Tag auf den anderen wollte ich unbedingt mehrmals täglich wissen, wo mein Kollege ist – ganz nach dem Motto ,Schauen kann man ja‘.“
Krainer schildert die „Gegenseite“ und hatte das Gefühl, beobachtet zu werden: „Ich habe zwischendurch die GPS-Ortung abgeschaltet. Es geht nicht nur um den Ort, an dem man sich befindet: Die naheliegende Interpretation der Information macht es aus. Wer ungefähr weiß, wo der andere ist, überlegt sich automatisch, was er dort tut.“ Für beide war klar: „Diese Möglichkeiten sind beängstigend“.

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