Reisebericht
Vietnam, eine Moped-Nation als Weltwirtschaftswunder
Eine steirische Delegation knüpft aktuell wichtige wirtschaftliche Kontakte in Vietnam. MeinBezirk hat einen Blick auf dieses spannende Land abseits von Business und Co. geworfen.
STEIERMARK. Die Bilder, die man von Vietnam im Kopf hat, geprägt von guten und weniger guten Hollywood-Schinken, lässt man am besten am Flughafen zurück – und lässt sich auf ein Land ein, das bunt, gegensätzlich und aufregend ist.
Was nach der Ankunft in der Hauptstadt Hanoi als erstes ins Auge sticht: Mopeds und Motorräder, so weit das Auge reicht. In der 8-Millionen-Einwohnerstadt gibt es angeblich 5,5 Millionen Zweiräder, gefühlt sind es noch um einige mehr. Straßen überquert man daher am besten nur im Schutz einer größeren Gruppe. Ampeln und Verkehrsregeln sind mehr Empfehlung als gelebte Praxis, eine Helmpflicht gibt es zwar, die abenteuerlichen Kopfbedeckungen der rasenden Vietnamesen haben mit einem Motorradhelm österreichischer Herkunft allerdings recht wenig gemeinsam. Die Motorrad-Invasion ist übrigens das Ergebnis eines wirtschaftlichen Aufschwungs, vor zehn Jahren, so Augenzeugen, haben noch Fahrräder das Verkehrsgeschehen dominiert.
Moped torpediert Umweltmaßnahmen
Der Haken an der Sache: Hehre grüne Ziele gibt es viele, allein fehlt es dem Land an Lösungen dafür. Denn – so gesteht es auch der Verkehrs-Vizeminister in einem Hintergrundgespräch mit der steirischen Politik ein – die Vietnamesen können sich weder andere Verkehrsmittel noch andere Energieformen leisten. Und der Traum von fünf Millionen E-Mopeds würde ja schon allein an der Lade-Infrastruktur scheitern.
Die politische Situation ist einfach erklärt: So viel Kommunismus wie notwendig, so wenig wie möglich. Längst hat man erkannt, dass staatlich geführte Strukturen zu langsam und zu ineffizient sind. Also wurde vielfach (teil-)privatisiert, die Partei zieht im Hintergrund die Fäden, die Politik nickt die wesentlichen Entscheidungen ab. Der Kapitalismus wird pragmatisch gesehen, in Hanoi siedeln sich direkt neben Hammer, Sichel und Ho-Chi-Minh-Büste nicht nur McDonalds, sondern auch Gucci, Prada und Co. an.
Dabei ist allerdings ein System ständiger Begleiter: die Korruption. Sie nimmt das ganze Land in Geiselhaft, spielt auf allen Ebenen eine unheilvolle Rolle. Das macht es für westliche Investoren immer ein Stück weit undurchsichtig, mit unseren Standards von Compliance-Richtlinien lässt sich vietnamesisches Wirtschaftsleben nur schwer vereinbaren. Gefeit ist davor niemand, der letzte Bürgermeister von Hanoi sitzt aktuell ebenso in Haft wie eine große Bankmanagerin. Man kann es auch in Vietnam übertreiben …
Weltwirtschaftswunder Vietnam
Wer sich allerdings mit den Gegebenheiten arrangiert, stößt auf ein Land, das sich höchst dynamisch entwickelt, vom Ukraine-Krieg unberührt zeigt und Profiteur der misslichen Lage des Null-Covid-Nachbarn China ist. Das Wirtschaftswachstum ist großartig (Prognose 2023: 7 Prozent), die Inflation (4 Prozent) überschaubar. Die New York Times kürte das Land zu einem der sieben Weltwirtschaftswunder. Dazu kommt ein enormer infrastruktureller Aufholbedarf des Schwellenlandes. Straßen, Spitäler, Energie und viele andere Bereiche sind höchst aufnahmefähig für interessierte Investoren. Einzig der touristische Bereich lahmt momentan etwas, in Folge der Covid-Lockdowns sind aus den rund 18 Millionen Ankünften 2019 gerade einmal rund zwei Millionen im Jahr 2021 geblieben.
Auch das wird sich wieder legen, das Land gilt längst nicht mehr nur als Geheimtipp, ist es doch ähnlich attraktiv wie Thailand, aber längst nicht so überlaufen und touristisch „verdorben“. Ohnehin weithin bekannt und beliebt ist die vietnamesische Küche. Geschmackvolle Suppen mit leichter Schärfe, Meeresfrüchte aller Art, viel Gemüse, all das auch für den steirischen Magen gut verträglich – allein dafür ist das Land schon eine Reise wert. Angeblich ist das Essen auf den Straßenmärkten ebenfalls einen Versuch wert. Dafür fehlte dem Autor dieser Zeilen allerdings der Mut …
Stichwort Corona: Damit ist man in Vietnam durchaus entspannt umgegangen, die Masken werden durchwegs freiwillig getragen, die Impfquote (auch dank Spenden aus Österreich) ist recht hoch.
Langer Rede, kurzer Sinn: Vietnam ist wirtschaftlich wie touristisch und kulinarisch ein echter Hoffnungsmarkt. Und auf den Straßen von Hanoi könnten sogar Moto-GP-Piloten noch etwas lernen.
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