Von der Archäologin zur Kinderbuchautorin: "Wir brauchen mehr Raum für Fantasie"

Farbe und Freiraum:  Jasmine Wagner ärgert sich über Wahlplakate und fordert mehr Zeit für Kinder. | Foto: geopho
  • Farbe und Freiraum: Jasmine Wagner ärgert sich über Wahlplakate und fordert mehr Zeit für Kinder.
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Sie haben das Kinderbuch „Das Baumgesicht“ über die Bedeutung der Fantasie geschrieben: Haben Sie als Erwachsene noch Raum für Fantasie?
Ich habe meine Fantasie nie verloren! (lacht) Man sollte sich diesen Zugang erhalten – es gibt ja mehr als reine Logik. Als Künstlerin denke ich mir meine Bilder nicht aus. Die entstehen mehr aus Gefühlen als aus Gedanken.

Aber die Logik wird in unserer Gesellschaft höher bewertet als etwa Intuition …

An bestimmten Punkten kommt man mit reiner Logik aber nicht weiter, da muss man Eindrücke , Erfahrungen, etc. – was immer da ist – zusammenfließen lassen.

Warum haben Sie ein Kinderbuch dazu geschrieben?
Das war nicht geplant, die Geschichte ist mir bei einer Zugfahrt eingefallen. Kurz darauf habe ich übrigens erfahren, dass ich schwanger bin (lächelt). Zur Fantasie: Mir tut es weh, was mit vielen Kindern heute passiert. Viele werden schon mit fünf Jahren eingeschult und dann auf Logik und Leistung getrimmt. Dabei brauchen sie mehr Freiraum und Platz für Kreativität.

Zur Recherche für Ihr Buch haben Sie mit einem Psychiater gesprochen …
Ja, er sagt, zwischen 5 und 8 Jahren haben Kinder eine „magische Phase“, da ist die Vorstellungskraft besonders aktiv. Das ist für ihre Entwicklung nötig. Denn Fantasie braucht man um Probleme zu lösen, man muss sich eine Lösung vorstellen können. Auch abstrakte Begriffe wie Liebe oder Hass können Kinder nur mit Hilfe von Fantasie verstehen.

Die Heldin Ihrer Geschichte hat viel Vorstellungskraft.
Viola sieht in der Pflanze ihres Vaters ein Gesicht. Aber weder ihre Schwester noch ihr Vater interessieren sich dafür, deshalb entstehen auch Ängste. Nur die Lehrerin hört ihr zu und sagt ihr, dass auch die alten Griechen Wesen wie Baumnymphen kannten …

Sie finden, man soll die Vorstellungskraft mehr schätzen?
Ja, Kinder können Geschichten erzählen über Außerirdische, die in Rosenbüschen wohnen … Ich finde es wichtig, ihnen zuzuhören und nicht gleich zu sagen: Das stimmt nicht! Mit ihren Geschichten erzählen sie ja viel über sich und das, was sie beschäftigt!

In Ihrer Biografie gibt es einen Bruch: Sie haben jahrelang als Archäologin gearbeitet – ein Job, der auf Beweisen basiert …

Ja, ich war zwölf Jahre lang Archäologin und habe Ausgrabungen und Baustellen in der Wiener Innenstadt geleitet – etwa für das Palais Lichtenstein. Der Beruf ist sehr beweisorientiert, aber man braucht auch Fantasie, um die Stücke interpretieren zu können.

Was war Ihr beeindruckendster Fund?

Ein Kamel! Das Skelett von einem Kamel in Tulln. Es stammte von der Türkenbelagerung aus 1683. Bei Ausgrabungen an Gräbern habe ich auch viele menschliche Skelette geputzt, da hat man Zeit über das eigene Leben zu reflektieren! (lacht)

Warum der Wechsel in die Kunst?
Ich wollte das schon immer, aber meine Eltern wollten, dass ich etwas Ordentliches lerne. Doch schon nach meiner Doktorarbeit war mir klar, dass ich das nicht ewig machen werde. Nun habe ich den Beruf als Archäologin aufgegeben. Ich male, mache Filme mit meinem Lebensgefährten und schreibe … Was ich aber sagen muss, ist: Frauen haben es in der Kunst schwerer als Männer.

Inwiefern?
Männer können damit leichter Geld verdienen. Die meisten Kuratoren sind Männer und Bilder werden oft schlechter bewertet, wenn sie von einer Frau signiert sind.

Täuscht der Eindruck oder werden Kinderbücher eher von Frauen geschrieben? Was die Illustration betrifft, malen Männer oft dunklere Bilder und weniger im hellblau-rosa-Style …

Viele Produkte sind ja auf Mädchen oder Buben zugeschnitten.
Ja, das ärgert mich! Wenn Kinderbücher aus der Rolle fallen, haben viele Leute Angst, dass die Kinder dann Fragen stellen. Aber andererseits hängen nun Wahlplakate – auch an Spielplätzen – die Stimmung gegen Moscheen machen und Ängste schüren. Entscheidend ist, dass man Kindern einen offeneren Zugang zur Welt ermöglicht und sich mit ihren Fragen auseinandersetzt – vielleicht indem man mit ihnen über die Außerirdischen in den Rosenblüten spricht …

Steckbrief
geb. am 27. 1. 1974, 1998 bis 2010 Archäologin u.a. für das Bundesdenkmalamt, seit 2010 freischaffende Künstlerin, Kinderbuchautorin alias „Ariane Himmelgrün“ (Edition Keiper)

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