Familienflüsterer Dr. Streit
Wenn Eltern sich dauernd einmischen

Für viele eine frustrierende Situation: die Eltern mischen sich ständig ein, auch wenn die Kinder bereits erwachsen sind. Familienflüsterer Dr. Streit gibt Tipps, wie man sich abgrenzen kann, ohne zu verletzen. | Foto: KK
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  • Für viele eine frustrierende Situation: die Eltern mischen sich ständig ein, auch wenn die Kinder bereits erwachsen sind. Familienflüsterer Dr. Streit gibt Tipps, wie man sich abgrenzen kann, ohne zu verletzen.
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GRAZ. Als Psychologe ist Streit oft damit konfrontiert, dass Eltern ihre Kinder bevormunden. Diese meinen zu wissen, welche Ausbildung oder welcher Beruf am besten für ihr Kind ist und es komme sogar vor, dass Eltern in Firmen vorstellig werden, um zu erklären, wie ihre Kinder im Job am besten eingesetzt werden, so der Psychologe und Psychtherapeut.

Wenn Überfürsorge im Machtkampf endet

„Helicoptering“ nennt man dieses Phänomen, bei dem Eltern in Überfürsorge alles besser wissen. Sie kreisen quasi wie ein Helicopter über ihren Kindern. Helicopter-Eltern haben oft konkrete Ziele für ihr Kind vor Augen, noch bevor ihr Kind selbst derartige Gedanken hat – mögliche Folge: Je nach Temperament wenden sich Kinder ab und beenden die Beziehung zu ihren Eltern oder verinnerlichen den Gedanken, dass sie selbst nichts zustande bringen und leiden still vor sich hin. Helicopter-Beziehungen zu erwachsenen Kindern können in einem aggressiven Machtkampf enden.

Aber warum mischen sich Eltern ins Leben erwachsener Kinder ein? Die meisten machen es in bester Absicht etwa, weil sie ihrem Kind schlechte Erfahrungen ersparen wollen. Dabei wird übersehen: Kinder müssen ihre eigenen Erfahrungen machen. Niemand anderer kann sich stellvertretend für sie entwickeln.

Wachsame Sorge

Andererseits ist es auch ein soziokulturelles Phänomen: Die Pubertät beginnt heute zwar früher, das selbstständig werden aber später. Laut neuer Studien zieht es sich oft bis zum 30. Lebensjahr hin – oft aufgrund längerer Ausbildungswege. Es gibt auch das „Nesthocker-Phänomen“: Selbst 35-Jährige leben noch im „Hotel Mama“. Manche Eltern mischen sich auch ein, weil sie schlechte Erfahrungen mit ihren Kindern gemacht haben: Sie schwänzen die Schule, konsumieren übermäßig Alkohol oder Drogen. Wenn dann aber ein Machtkampf entsteht, scheitern Eltern oft erst recht. Was ist die Lösung? Nichts zu tun? Mitnichten.

Es ist sinnvoll, dass sich Eltern auch über das 18. Lebensjahr hinaus für ihre Kinder verantwortlich fühlen – entscheidend ist allerdings das „wie“. Junge Erwachsene brauchen oft einen Anker im Leben. Den können Eltern bieten, in Form von wachsamer Sorge: Sie verfolgen die Entwicklung ihrer Kinder aufmerksam und pflegen eine gute Beziehung zu ihnen. Ist diese wertschätzend, ist es auch leicht, auf mögliche Fehlentwicklungen hinzuweisen und seine Meinung zu sagen. Das ermöglicht eine konstruktive Auseinandersetzung. Fest steht: Junge Erwachsene sind oft im Dilemma sich entscheiden zu müssen zwischen Verpflichtungen den Eltern gegenüber und ihren eigenen Wünschen. Letztendlich ist es ihre eigene Aufgabe hier herauszukommen.


Was können „Kinder“ tun?

1. Entdecke, was du wirklich willst und gehe konsequent deinen Weg. Dann investierst du deine Energie nicht in den Abwehrkampf gegenüber den Eltern, sondern in deine Zukunft. Berate Sie dich gerne mit Freunden.

2. Werte nicht immer alles ab, was deine Eltern sagen, sondern versuche zuzuhören. Manchmal sagen Eltern durchaus etwas Vernünftiges. Wenn man zuhört, kann man auch nachfragen wie etwas gemeint ist. Es bleibt bei einem selbst, ob man einem Vorschlag folgt oder nicht.

3. Setze  Beziehungsgesten gegenüber deinen Eltern und sei respektvoll. Oft geht es bei Belehrungsversuchen darum, dass Eltern sich ein Danke für ihre Bemühungen wünschen. Deine Eltern verdienen Wertschätzung.

4. Positioniere dich klar. Wenn du in einer Beziehung lebst, steh an der Seite deines Partners. Gestalte das Leben nicht in ein “Hin und her“ zwischen verschiedenen Positionen. Sei transparent und verbindlich. Wenn andere sich auf dich verlassen können, stärkt das deine Beziehungen.

5. Ermögliche deinen Eltern, an deinem Leben teilzuhaben – etwa beim gemeinsamen Mittagessen oder Besuchen der Enkel. Was wann passiert, hast du aber selbst in der Hand.

6. Wenn die Bevormundung überhand nimmt, darf etwas Widerstand sein. „Ich schätze euch als Eltern. Ihr habt einen fixen Platz in meinem Leben. Was ich aber nicht will, ist, dass ihr euch dauernd einmischt. Dagegen werde ich mich wehren.“
So können kannst du deinen eigenen Weg gehen und gleichzeitig eine gemeinsame Zukunft gestalten.

Der Experte

Philip Streit ist klinischer Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut, Lebens- und Sozialberater. Seit 1994 leitet er das „Institut für Kind, Jugend und Familie“ in Graz, das unter Tel. 0316 / 77 43 44 für dich da ist. Hast du Fragen, wie du dein Leben gestalten sollst, brauchst du Rat? Deine Fragen an Dr. Philip Streit gerne jederzeit an: redaktion.graz@regionalmedien.at

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