"Wir brauchen die 30-Stunden-Woche für alle!", fordert der Soziologe Jörg Flecker.

Die 30-Stunden-Woche sollte bald Realität werden, wenn es nach dem Soziologen Jörg Flecker geht. | Foto: Bilderbox
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Lange Arbeitszeiten und hoher Zeitdruck bedeuten für Österreich laut der OECD (Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit) nur Platz 27 von 32 Ländern, was die Bewertung der Qualität des Arbeitsumfelds durch Arbeitnehmer angeht. Erste Auswirkungen sind laut Arbeiterkammer bereits durch steigende Krankenstandstage aufgrund psychischer Beschwerden wie Burn-out oder Depressionen und damit verbundene Kosten für die Sozialversicherung erkennbar.

Gestiegene Arbeitsintensität

"Wir brauchen die 30-Stunden-Woche für alle!", nennt Jörg Flecker von der Uni Wien eine mögliche Lösung. "Die Arbeitsintensität und der psychische Stress sind gestiegen. Wir dürfen die Arbeitszeitverkürzung nicht mehr aussetzen." Nur so könne man es in einer alternden Gesellschaft auch schaffen, Arbeitnehmer gesund bis zu einem etwaigen höheren Pensionsantrittsalter zu bringen.

Weniger Arbeitslose

Doch die 30-Stunden-Woche würde sich laut dem gebürtigen Grazer nicht nur positiv auf die Gesundheit auswirken: "Indem man die Arbeit auf mehrere Köpfe verteilt, könnte man die steigende Arbeitslosigkeit bekämpfen."

Gleichberechtigung

Da in Österreich vor allem Frauen häufig in Teilzeitarbeit beschäftigt sind, sieht Flecker in der verkürzten Arbeitszeit außerdem eine Chance für die Gleichberechtigung: "Wenn alle weniger arbeiten, führt das zu einer Angleichung von Männern und Frauen."

Bessere Verteilung

Dass Unternehmen durch gleichen Lohn bei weniger Arbeit höhere Kosten entstünden, könne laut Flecker zu einem Umdenken führen: "In Österreich ist das Vermögen sehr ungleichmäßig verteilt. Weniger Gewinne und dafür mehr Geld für Arbeitnehmer könnten das ausgleichen." Wichtig sei dabei aber, das "Problem auf eine europäische Ebene zu heben", damit einzelnen Ländern keine Nachteile entstünden.

Weniger Arbeit, mehr Effizienz

Es ist zwar keine 30-Stunden-Woche, doch mit der Einführung einer Kernarbeitszeit von Montag bis Donnerstag und einer Reduzierung der Arbeitsstunden von 38,5 auf 36 Stunden hat der Grazer App-Entwickler Bike Citizens ("Bike City Guide") trotzdem einen neuen Weg eingeschlagen.
Ein Weg, der sich laut Geschäftsführer Daniel Kofler nach anfänglichen Umstellungsschwierigkeiten als richtig erwiesen hat: "Am Anfang war es schwierig, von teilweise sechs auf vier Tage umzustellen. Jetzt ist aber zu sehen, dass die Leute damit umgehen können – die Effizienz der Arbeit ist auf jeden Fall gestiegen."

Mehr Zeit für Privates

Sinnvoll sei die Reduzierung der Arbeitszeit vor allem, da bei den "Bike Citizens" Kreativität eine wichtige Rolle spiele: "Die großen Ideen passieren einem nicht unbedingt am Schreibtisch. Oft kommen Einfälle zuhause oder bei einem Bier", so Kofler. Mehr Zeit für Privates soll deshalb die Qualität dieser unbewussten Arbeit steigern. Nicht zuletzt entstehe dem Unternehmen so, laut Kofler, auch ein Wettbewerbsvorteil: "Wir sind für neue Mitarbeiter interessant, weil die 'Work-Life-Balance' wichtiger wird."

WOCHE-Wissen

Die tägliche Normalarbeitszeit darf acht Stunden, die wöchentliche Normalarbeitszeit darf 40 Stunden nicht überschreiten.
Wird diese überschritten, fallen Überstunden an.
Das Arbeitszeitgesetz sieht aber verschiedene Modelle flexibler Arbeitszeit vor.
Wenn die Ausdehnung der Normalarbeitszeit ausgeglichen wird (z. B. durch das Einarbeiten von Fenstertagen), müssen keine Überstunden ausbezahlt werden.

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