Zweite Chance für Jugendliche: Sozialstunden statt Gefängnis

Eigentlich würde sie folgendes erwarten: Eine Geldstrafe, eine Vorstrafe oder gar das Gefängnis. Doch Jugendliche, die eine Straftat begangen haben, bekommen oft eine zweite Chance. Sie können ihre Schuld quasi „tilgen“ indem sie Sozialstunden in gemeinnützigen Einrichtungen leisten. In Graz machen das derzeit 34 Jugendliche und 29 junge Erwachsene (unter 21 Jahren). Ihre Delikte? Meist sind es Fälle von Sachbeschädigung, kleinere Diebstähle oder auch leichte Körperverletzungen. „Das Ziel ist es, eine Verhaltensänderung durch Einsicht zu erzielen“, sagt Anneliese Piber vom Verein Neustart, der die Jugendlichen betreut. In knapp 80 Prozent der Fälle
geht der Plan auf und es folgen keine weiteren Straftaten. Möglich ist das Ableisten von Sozialstunden in Graz in derzeit rund 70 Einrichtungen. „Wegen des großen Bedarfs suchen wir laufend neue Einrichtungen“, sagt Pieber.

DER ABLAUF
Verordnet werden Sozialstunden – meist jungen Ersttätern – als sogenannte Diversionsmaßnahme vom Staatsanwalt.
Anstelle einer Gerichtsverhandlung folgen Arbeitsstunden für das Gemeinwohl.
Die Zahl der Stunden schwankt bei Jugendlichen zwischen 20 und maximal 120. Sie müssen binnen sechs Monaten geleistet werden. Arbeit oder Schule können Betroffene nebenbei fortsetzen.
Was dazu gehört: Der fällige Schadenersatz muss bezahlt werden. Die Tat und die Arbeit wird mit einem Sozialarbeiter besprochen.

BEI OBST UND GEMÜSE
Mit dem Lieferanten Lebensmittel abholen, Regale einschlichten oder den Boden putzen: Auch im Vinzimarkt, einem Markt für sozial Bedürftige, leisten Jugendliche Sozialstunden ab.
So auch Sami (18). Sie hat einen Fahrschein der Linien Graz gefälscht. „Ich hätte eine Vortsrafe bekommen können“, sagt sie. Stattdessen kann sie nun 30 Stunden im Geschäft mithelfen. „Die Arbeit ist schon lästig, aber so denkt man darüber nach, was man getan hat“, sagt sie. Und: „Ich lerne nebenbei den Umgang mit Kunden.“
Gut 200 Jugendliche haben im Vinzimarkt schon Sozialstunden geleistet. „Es gibt vereinzelt schwierige Fälle, aber mit rund 90 Prozent habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt die Betreiberin Heidi Anderhuber.

MITANPACKEN BEI DER FEUERWEHR
Den Besen in die Hand nehmen und ab ans Einsatzfahrzeug: Beim Autoputzen helfen den Feuerwehrleuten auch regelmäßig Jugendliche, die hier ihre Sozialstunden machen. Vorwiegend sind es Burschen, die hier zum Einsatz kommen. Im Winter übernehmen sie beispielsweise auch das Schneeräumen und den Streudienst. Dabei sind die Jugendlichen stets unter Aufsicht. „Wir leisten gerne einen Beitrag, damit sie sich sinnvoll in die Gesellschaft eingliedern können“, meint der Einsatzdirektor Johann Kirnich.

WILDTIERE PFLEGEN
Vogel-Waisen füttern, Käfige säubern und Gehege bauen: Das steht beim Verein „Kleine Wildtiere in großer Not“ an. Verantwortung für Tiere zu übernehmen tut gerade manch schwierigen Jugendlichen gut, meint Monika Grossmann: „Einige kommen zuerst cool daher, und wenn sie ein Tierbaby in Händen halten, werden sie auch ganz weich.“