Nach Nagl-Rede
Deutscher Verlag verklagt Stadt Graz wegen Urheberrechtsverletzung
Kurios: Weil Siegfried Nagl in seiner Dankesrede zur Ehrenbürgerschaft ein Gedicht zitierte, musste die Stadt Graz 955 Euro Strafe zahlen und eine Unterlassungsklage unterschreiben.
GRAZ. Was hat der ehemalige Grazer Bürgermeister Sigfried Nagl mit einem längst verstorbenen Pastor aus Berlin-Köpenick zu tun? Klingt nach einer absurden Frage, die Folgen dieser "Verbindung" haben allerdings für ein kurioses rechtliches Nachspiel gesorgt.
Nagl zitiert Gedicht eines deutschen Pastors
Aber die ganze Geschichte ganz von vorne: Am 17. November wurde Siegfried Nagl die Ehrenbürgerschaft der Stadt Graz verliehen. Aus diesem Anlass hielt er eine vielbeachtete und -gelobte Dankesrede. Mit einem einzigen kleinen Schönheitsfehler, den so wohl keiner ahnen konnte: Nagl zitierte in dieser Rede das Gedicht vom "alten Brunnen". Ganz korrekt, auch unter Nennung des Verfassers: Artur Kleemann, Pastor einer freien Kirche in Berlin-Köppenick. Die Stadt Graz wiederum stellte die gesamte Rede, inklusive Brunnen-Gedicht, auf ihre Website.
Stadt zahlt 955 Euro wegen Urheberrechtsverletzung
Jetzt allerdings wird's spannend: Eben dieser Kleemann, der irgendwann in den 1960er-Jahren verstorben ist, hat seinen literarischen Nachlass einem Verlag aus Baden-Württemberg vermacht. Und dieser Verlag verfügt scheinbar über findige Anwälte. Denn mit der Veröffentlichung auf der Website hat man das Gedicht – so die Meinung der deutschen Anwälte – öffentlich publiziert.
Folglich trudelte in der Kommunikationsabteilung der Stadt ein deftiges Anwaltsschreiben ein: Die Stadt wurde aufgefordert, das Gedicht von der Website zu entfernen, man musste unterschreiben, dass man die Verwendung des Gedichts künftig unterlassen wird – und mitgeschickt wurde auch gleich die Rechnung für Vergehen und anwaltliches Einschreiten: 955 Euro wurden umgehend nach Deutschland überwiesen. Zur richtigen Bewertung des Vorgangs: 600 Euro gingen an den Anwalt, 355 Euro an den Verlag ...
Unverständnis in der Grazer Kultur
Die Konsequenzen dieses Vorgangs könnten aber fatal sein: Im Prinzip müsste die Stadt Graz jede Rede der Gemeinderäte auf mögliche Zitate "durchsuchen", müsste sich um Rechte kümmern oder Zitate in öffentlichen Sitzungen verbieten. Maßnahmen, die wohl kaum im Interesse der Kunst und Kultur sein können.
Dies sieht großteils auch Michael Grossmann, Leiter der städtischen Kulturabteilung so: "Kunst soll ja unter die Menschen gebracht werden, eine Verhinderung ist sicher nicht im Sinne des Erfinders." Allerdings habe auch dies zwei Seiten: "Verwertungs- und Urheberrechte sind ein heikles Kapitel, sie haben natürlich auch ihren Sinn." Im vorliegenden Fall sei man aber damit wohl zu weit gegangen.
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