Wissenschaft belegt
Politik hält über 50 Prozent der Wahlversprechen
Spannende Studie der Uni Graz: Forscherinnen und Forscher untersuchten die Wahlversprechen der politischen Parteien – und wie viele davon gehalten und wie viele gebrochen werden.
GRAZ. Es ist ein internationales Programm, an dem die Grazer Wissenschafterin Katrin Prapotnik mitarbeitet. Im Rahmen des so genannten "Comparative Pledges Procect" beschäftigen sich rund 60 Forschende in 16 Ländern der Welt mit den Mechanismen demokratischer Prozesse. Spannendes aktuelles Forschungsfeld, das Prapotnik unter anderem gemeinsam mit dem Briten Robert Thomson von der australischen Monash University bearbeitet: die Wahlversprechen politischer Parteien.
Parteien "braver" als gedacht
Überraschendstes Ergebnis vorab: Entgegen der landläufigen Meinung, dass die Politik viel verspricht und wenig bis nichts hält, sprechen die Fakten eine ganz andere Sprache: Im Schnitt werden 60 Prozent aller Wahlversprechen, die von Regierungsparteien gemacht werden ganz oder zumindest teilweise erfüllt. Und die Forschung hinter diesen Zahlen kann sich sehen lassen, immerhin wurden im Zeitraum von 1974 bis 2016 gesamt 57 Regierungen in zwölf Ländern der Welt betrachtet und untersucht. Zum Vergleich zurück nach Österreich: Hier liegt die Erfüllungsquote bei 55 Prozent, die Alpenrepublik liegt also in Sachen "Versprochen und gehalten" unter dem internationalen Schnitt.
Übrigens: Einparteien-Regierungen (wie in den USA oder Großbritannien) setzen naturgemäß mehr um als Koalitionsregierungen. In Koalitionen bringt der stärkere Partner mehr auf Schiene als der "Junior", der ist tendenziell nur in den eigenen Ressorts erfolgreich. Und, so Prapotnik: "Es ist leichter, wenn keine Instanz darüber oder darunter involviert ist." Für Österreich bedeutet das: Am leichtesten setzt man Themen um, bei denen man weder auf die EU noch auf die Bundesländer Rücksicht nehmen muss.
153 Wahlversprechen pro Partei in Österreich
In Österreich hat sich Prapotnik die Wahlversprechen von sechs Regierungen im Zeitraum 1990 bis 2013 (unter den Kanzlern Vranitzky, Klima, Schüssel, Gusenbauer und Faymann) angesehen. Schon beachtlich: Im Schnitt waren es 153 Wahlversprechen pro Partei und Wahlprogramm. Diese Zahl ist über die Jahre immer wieder gestiegen. Thematisch spielen dabei der Wohlfahrtsstaat (27 Prozent), die Umwelt (10 Prozent) und die Institutionsreformen (7 Prozent) die größte Rolle. "Vor allem Begriffe wie Vollbeschäftigung und Senkung der Arbeitslosigkeit waren Dauerbrenner über die Jahre", so Prapotnik. Auch die Einführung oder die Abschaffung der Studiengebühren hatten die Parteien immer wieder auf der "Speisekarte". Übrigens: Die höchste Erfolgsquote hat das Regierungsteam der SPÖ-ÖVP-Ära 1996 bis 2000 (zuerst Kanzler Vranitzky, ab 1997 Klima, Vizekanzler Schüssel): Die SPÖ setzte damals 74 Prozent, die ÖVP 72 Prozent ihrer Wahlversprechen in die Tat um.
Am meisten Umsetzung in der Außenpolitik
Ganz anders das Bild bei dem Einhalten der Wahlversprechen: Da gibt es die höchste Erfolgsquote in der Außenpolitik (73 Prozent), der Wirtschaft (67 Prozent) und dem Umweltschutz (52 Prozent). Conclusio der Forschenden: Wahlversprechen sind doch mehr als "hot air", also heiße Luft. Wenn die Wissenschaft das sagt – dann dürfen die Bürgerinnen und Bürger doch noch auf bessere Zeiten hoffen ...
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