Jubiläumsinterview
Landesparteichef Hermann Schützenhöfer zum 75-Jahr-Jubiläum der Steirer-ÖVP

Erster großer Auftritt: Hermann Schützenhöfer am Landestag der Jungen ÖVP. | Foto: ÖVP
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  • Erster großer Auftritt: Hermann Schützenhöfer am Landestag der Jungen ÖVP.
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Am 18. Mai 1945 wurde die ÖVP Steiermark gegründet, kaum einer ist so befugt, darüber zu sprechen, wie der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer – immerhin ist die Volkspartei seit 50 Jahren seine politische Heimat. In einem sehr persönlichen Interview sind wir der Verbindung zwischen Schützenhöfer und seiner Bewegung auf die Spur gegangen.
(Zum Jubiläum gibt es auch einen Podcast: Peter Siegmund interviewt Hermann Schützenhöfer)

Wie hat eigentlich alles begonnen?
Hermann Schützenhöfer: Das hat schon ganz früh begonnen, meine Eltern waren immer schon treue ÖVP-Wähler. Und ich habe mein ganzes Leben gut formuliert, gut gesprochen und geschrieben. Damit sind die Vorzüge schon aufgezählt, in Englisch und Mathematik war's immer schlechter, nur die Aufsätze waren immer fantasievoll. Daraus hat es sich ergeben, dass ich von Kirchbach in der Südoststeiermark schon als Lehrling für alle Zeitungen geschrieben habe, von der Tagespost, der Kleinen bis hin zur Sonntagspost und der Bauernbundzeitung. Am meisten bezahlt wurde für die Fotos, ich hatte damals schon eine Kamera – und so bin ich da irgendwie reingekommen. Die "Kleine" hat mir damals geschrieben, dass ich zwar zu jung bin – aber weil ich der einzige Bewerber für Feldbach bin, probieren sie es halt mit mir ... (schmunzelt)

Ein spannender Start, oder?
Ja, ich war damals der einzige Lehrling, der bei der Sparkasse Kirchbach ein Konto hatte. Als Lehrling habe ich damals 200 Schilling verdient, als Berichterstatter für alle lokalen Zeitungen sind 150 Schilling dazugekommen. Dann gab es eine Ausschreibung für den "Orizont", die Zeitung der jungen ÖVP. Da war damals meine Schwester dabei, so bin ich dazugekommen, bin in der Grazer Glockenspielgasse gelandet und habe dort mitgearbeitet. 1970 habe ich meine Lehre abgeschlossen und hatte eigentlich schon eine Jobmöglichkeit bei der Raiffeisen Landesbank gehabt, im Expedit. Genau da hat mich der Walter Heinzinger, damals JVP-Obmann angesprochen – und am 1. September 1970 wurde ich Sekretär der jungen ÖVP.

50 Jahre – was macht die ÖVP für Sie aus?

Mich hat die ÖVP Steiermark immer aus zwei Gründen interessiert. Erstens, weil sie die erste Partei war, die Persönlichkeits-Wahlkämpfe gemacht hat. Das verdankt man meinem politischen Mentor Franz Wegart. Der war 1957 im Auftrag von Krainer senior drei Monate in den USA. Als er zurückkam berichtete er vom damaligen Präsidenten Eisenhower, bereits Ende der 50er-Jahre hatte man das übernommen: "Steirisch wählen heißt Krainer wählen", lautete damals der Slogan.
Der zweite Grund war das Programmatische: Man hat es immer wieder gelesen, etwa Koren, der immer vieles zugelassen hat, er hat das Widersprüchliche gefordert und gefördert. Das "Modell Steiermark" ist dann im Jahr 1972 erstmals herausgekommen. Dieser Plan, etwas zu verfolgen, die Steiermark als Land der Kunst und Kultur zu ermöglichen, nachhaltig. Und immer wieder etwas Neues zu wagen, das war schon etwas. Es ist die Mischung aus Bodenständigkeit mit Weitblick.

Worauf bauen Sie Ihre Politik?
Die katholische Soziallehre ist für mich der Fels in der Brandung, an die habe ich mich immer gehalten. Das hat mich schon immer fasziniert, so wie es bei "laborem exercens" von Papst Johannes Paul II. steht: Arbeit kommt vor dem Kapital, der Mensch will um seiner Selbstachtung wegen Einkommen durch eigene Arbeit. Deswegen habe ich 1984  auch den Mindestlohn erfunden, gegen alle Widerstände in der ÖVP.

Die in der Parteienlandschaft einzigartige Bünde-Struktur – ist das Fluch oder Segen?
Es war lange Segen, dann ein  bisschen Fluch, als wir in der Opposition waren, weil viele der Meinung waren, dass sie gescheiter sind. Die Bünde sind dann ein Segen, wenn das Primat der Partei ohne jede Diskussion im Vordergrund steht. Aber die ÖVP ist, wie sie ist: Wie jede Partei lebt sie vom Erfolg, es gibt nichts Erfolgreicheres als den Erfolg. Wenn Sebastian Kurz Umfragewerte wie jetzt gerade hat, ist es egal, was im Parteistatut steht. Wenn er abstürzt, hilft ihm auch das Statut mit den erweiterten Vollmachten nichts.

Die Bünde sind aber Talenteschmiede, oder?
Es ist insgesamt für die Parteien schwieriger geworden, Menschen aus dem Volk in ihre Reihen zu bekommen. Man muss sich nur die Zusammensetzung des Landtages anschauen und ich sage da auch "mea culpa", weil ich ja Parteiobmann bin – aber ich habe dann auf Biegen und Brechen das Reißverschlusssystem durchgesetzt, auf bestimmte Berufsgruppen und auf die Jungen geschaut, da muss man schon auch Autorität ausüben, um die durchzubringen.

Vermissen Sie da im Landtag etwas?

Ja, schon. Es ist nicht mehr so die feine Klinge. Wenn ich an einen Bernd Schilcher denke oder Richard Piaty oder auch die Rededuelle etwa zwischen Lopatka und Flecker, mit einem gewissen Spieltrieb ausgestattet. Ich bin ja mit vielen, auch mit Flecker immer gut ausgekommen.

Was sind denn die prägenden Menschen in Ihrem politischen Leben?
Da ist natürlich einmal Franz Wegart, dann kommt da lange nichts. Aber natürlich auch Krainer, Klasnic, Hirschmann. Wir waren damals ein Team, auch gemeinsam mit Herbert Paierl und Erich Pöltl. Wir haben damals sogar versucht, Josef Krainer, als er nicht mehr so wollte, zu Reformen zu bewegen. Wir sind zwar abgeprallt, aber wir waren eine spannende Mischung, das Krainer-Haus hat damals eine wichtige Rolle gespielt.

Was haben Sie gelernt?
Dass man in der Politik immer wieder Widerstände überwinden muss. Zum Beispiel die Gemeindestrukturreform. Das hätten Voves und ich nicht durchgebracht, wenn wir nicht gesagt hätten, wir schauen jetzt nicht auf die Bünde der ÖVP und die Sektionen der SPÖ, wir machen das für unsere Kinder und Enkelkinder. Da gab es ein Zeitfenster, ich weiß nicht, ob es später noch gegangen wäre. Das konnten nur zwei machen, die im Ernstfall am Ende der Periode gehen hätten können. Voves ist eh gegangen ...

Die Zentrale war aber immer der Karmeliterplatz in Graz?
Ja, von 1945 weg, das Haus wurde uns damals von den Sowjets zugewiesen. Und es gab eigentlich nie Pläne, dort wegzugehen. Heute sind wir froh, das Haus ist groß. Wir sind am Überlegen, ob wir das Haus allen Bünden als Heimstätte anzubieten.

Ein Blick Richtung Bund: Die Steirer-ÖVP galt immer als "Königsmacher" ...
Na ja, wir haben manchmal ja auch danebengehaut, wenn ich da nur an die Draken denke. Auch die Abwahl von Alois Mock war kein Ruhmesblatt. Aber ja, wir haben da eine Geschichte der Reformer, beginnend mit Krainer Senior, der hat sich auch von Julius Raab und anderen nichts sagen lassen. Aber der Einfluss war nicht so groß wie viele gedacht haben.

Josef Riegler hat dann 1995 die "Ökosoziale Marktwirtschaft erfunden – retro, aber spannend?
Ich glaube, dass Riegler das Konzept 25 Jahre zu früh geschrieben hat, die Leute haben das damals noch nicht begriffen. Ich glaube, dass es jetzt umsetzbar ist, weil es angekommen ist. Heimische Produkte werden immer wichtiger, Produktsicherheit spielt für die Menschen eine Rolle.

50 Jahre Parteimitglied, 41 Jahre verheiratet, wie geht das zusammen?
Meine Frau hat vom ersten Tag weg gewusst, worauf sie sich mit mir einlässt, wir haben uns ja  bei der Jungen ÖVP kennengelernt. Ich war ja gerade in der Corona-Zeit mehr daheim als in den letzten zehn Jahren. Jeden Abend zuhause sein, das habe ich in der Dimension nicht gekannt. Und ich habe gemerkt: Selbst wenn ich keine Funktion mehr hätte, ich kann mir nicht vorstellen, immer daheim zu sein. Ich will mehr Zeit mit meiner Frau verbringen, will mit ihr reisen, aber jeden Tag daheim zu sein, das würde ich nicht aushalten. Meine Frau übrigens auch nicht.

Letzte Frage: Wer soll diese Partei von Ihnen übernehmen?
Das werde ich in diesen Tagen oft gefragt. Ich trage das im Kopf mit mir herum, komme momentan aber nicht viel zum Nachdenken (lächelt).

Erster großer Auftritt: Hermann Schützenhöfer am Landestag der Jungen ÖVP. | Foto: ÖVP
50 Jahre danach: ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer | Foto: Scheriau
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