„Nein“ bedeutet „Nein“

Mit welchen Fällen von sexueller Gewalt haben Sie aktuell zu tun?
Eine Frau, Anfang 20, wurde als Kind missbraucht und hat sich entschieden, ihr Trauma nun aufzuarbeiten, weil der Leidensdruck zu groß wurde. Eine andere Grazerin, Mitte 40, bekam eine Art K.O.-Tropfen verabreicht und wurde vergewaltigt. In Summe kann man sagen: Die Hälfte der Frauen kommt nach aktuellen Gewalt-erlebnissen, die andere Hälfte aufgrund Missbrauch in der Vergangenheit.

Wie können Sie helfen?
Ich selbst mache Beratung und Prozessbegleitung. Letzteres ist ein Großteil unserer Arbeit: Wir unterstützen Frauen, die eine Anzeige machen wollen. Andererseits bieten wir Psychotherapie: Zwei Therapeutinnen versuchen, die Frauen zu stärken, damit sie mit Gewalterfahrungen leben können.

Zum 30-jährigen Bestehen von „Tara“: Wie hat sich Ihre Arbeit gewandelt?
Gestartet ist der Verein als „Frauennotruf“. Man muss bedenken: Anfang der 80er-Jahre gab es in Graz keine Beratungsstelle für Frauen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben. Da war viel Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung nötig. Seit Anfang der 2000er-Jahre haben wir uns auf Therapie und Prozessbegleitung spezialisiert.

Wie viele Fälle werden zur Anzeige gebracht?
Österreichweit weiß man aus der Prozessbegleitung, dass auf 1000 Fällen von sexualisierter Gewalt nur 100 Anzeigen kommen und daraus ergeben sich nur 18 Verurteilungen. Bei uns ist der Anteil an Frauen, die eine Anzeige machen, höher: Einige kommen mit diesem Entschluss. Wir beraten die Frauen, raten ihnen aber nicht zwingend dazu – das ist ihre Entscheidung. Schließlich müssen sie das Erlebte vor Gericht genau schildern.

Warum gibt es so wenige Verurteilungen?
Es gibt leider ein Problem bei der Beweisbarkeit: Nach einer Vergewaltigung ist man im Schock, viele Frauen werfen die Kleidung weg, duschen und versuchen alles zu verdrängen. Erst nach Wochen gehen sie zur Polizei, das erschwert die Beweislage.

Hat sich der Umgang mit Missbrauch seit den 1980ern verändert?
Sexualisierte Gewalt hat es immer gegeben und wird es vermutlich leider immer geben. Auch heute sehen wir nur die Spitze des Eisberges. Seit den 2000ern ist der Zulauf bei uns aber gestiegen. Es gibt also Bewegung im Umgang mit dem Thema: Man muss bedenken, dass Vergewaltigung in der Ehe erst 1989 durch eine Gesetzesnovelle als Straftat deklariert wurde …

Was muss sich noch ändern?
Was als sexuelle Gewalt gilt, ist Definitionssache. Es ist wichtig zu sehen, dass das aber nicht erst bei Übergriffen beginnt, sondern bei blöden Sprüchen oder Klapsen auf den Po. Das erleben viele Frauen, sie sind sich dessen aber oft nicht bewusst.

Wird sexuelle Belästigung noch immer toleriert?
Wir müssen uns fragen, wie die Gesellschaft damit umgeht: Frauen werden ja öfters auf ihren Körper reduziert. Außerdem werden Frauen mitunter auch heute in eher devote Rollen gedrängt: Da gilt: Mädchen sollen freundlich und höflich sein. Oder: Sie sollen es vermeiden, Blicke auf sich zu ziehen, weil sie laut sprechen.

Warum sind Missbrauch und Belästigung aus Sicht der Opfer oft ein Tabu?
Es sind sehr scham-besetzte Themen. Derartige Erfahrungen sind eine totale Verletzung der eigenen Person und Integrität. Leider wird Frauen oft immer noch vermittelt, dass sie eine „Mitschuld“ daran tragen, etwa wegen ihrer Kleidung, oder wenn Alkohol im Spiel war. Das muss sich ändern! Wer bestohlen wird, schämt sich
ja auch nicht dafür!

Dabei leben wir ja in einer recht aufgeklärten Gesellschaft, oder?
Ja, aber das Gefühl für Beziehungen geht mitunter verloren.

Wie beurteilen Sie die viel zitierte Pornografisierung der Gesellschaft?
Es gibt bedenkliche Entwicklungen, etwa wenn Pornografie jungen Männern suggeriert, dass das „Nein“ einer Frau eigentlich „Ja“ bedeutet und dass man Frauen gegen ihren Willen zu sexuellen Handlungen treiben kann.

Hat Ihre Arbeit bei „Tara“ Sie selbst verändert?
Ja, mir wurde bewusst, dass auch ich durch bestimmte Rollenbilder geprägt bin, die besagen, wie man sich als Frau verhalten soll – dabei bin ich 37 und nicht 70 Jahre alt. Unsere Arbeit ist sehr wichtig: In den letzten 30 Jahren hat sich einiges bewegt, aber es gibt auch noch viel zu tun!

ZUR PERSON
Anke Hefen wurde am am 23.2. 1977 geboren.
Ausbildung zur Sozialarbeiterin und Musiktherapeutin,
- seit Juli 2013 Geschäftsführerin von „Tara“.

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