Klingender Seiltanz eines Dirigenten

Als der Dirigent Hannes Steinwender in der Maschine Richtung Mumbai/Indien saß, wusste er nicht genau, was ihn dort erwartete. Es war ein Wechselbad der Gefühle.

Als einen pädagogischen Seiltanz und als große Gradwanderung bezeichnete der Weizer Dirigent seine zweiwöchige Arbeit mit Kindern aus den indischen Slums in Mumbai.
Interviews mit BBC auf der Dachterrasse seines Hotels standen neben seiner Chorarbeit genauso am Programm.
Hannes Steinwender, ein gebürtiger Hartberger und mit seiner Familie in Krottendorf bei Weiz ansässig, erinnert sich an diese aufregenden, emotional gespickten Tage.
„Ich sagte zu“
Im Mai des Vorjahres war es, als ein Kollege von Steinwender anrief und fragte ob er nach Indien, nach Mumbai fliegen möchte, um dort einen Kinderchor zu dirigieren. „Ich wußte überhaupt nicht, was mich dort erwartete. Ich überlegte nur kurz und sagte zu. Klar war, dass es sich um eine Arbeit mit einem Kinderchor handelte. Ich wusste nicht, um welchen Kinderchor,“ erzählt Steinwender.
Tatsächlich waren es Kinder die beim Projekt „Muktangan“ mitwirkten. Das sind Kinder aus den Slums, denen es ermöglicht wird, in eine Schule zu gehen und die englische Sprache zu erlernen, um später einmal leichter den Weg aus den Slums zu finden.
„Mich erwarteten 20 Kinder, die noch nie ein Instrument sahen und mit keinem Orchester gemeinsam aufgetreten sind. Die Kinder konnten keine Noten lesen, die Stücke wurden auswendig gelernt. Zwei Wochen hab ich mit diesen Kindern gearbeitet und versucht einen Chor zu formieren. Dann galt es, diese völlig unbedarften jungen Menschen mit dem Orchester zusammenzuführen, das war für mich eine große Herausforderung. Anfangs dachte ich, wie geh ichs an. Bis zum Schluss wusste ich nicht, machen die Kinder bei der Aufführung das was wir geprobt haben oder nicht,“ erzählt Steinwender bewegt weiter. Viele glückliche Umstände waren es, die in all diesen Tagen zusammentrafen.
Geprobt wurde täglich in der Früh bei bereits 30 Grad und einer 80-prozentigen Luftfeuchtigkeit.
Zum Konzert selbst waren nur die Eltern der Kinder eingeladen. Darum wurde beschlossen, eine eigene Aufführung nur mit dem Kinderchor im Wohngebiet der Kinder durchzuführen.
Das Konzert selbst, Kinderchor mit dem Bombay Chamber Orchestra war der absolute Wahnsinn, so Steinwender: „Noch nie sah ich mehr als 1000 Menschen auf einem Platz versammelt und weinen.“
„Es blieb alles hängen. Ich hatte gleich den richtigen Draht zu den Kindern. Es gibt nichts, was ich je vergessen werde. Gleich einem Traum,“ so Steinwender abschließend.
Wobei man, wie er sagt, nicht die emotionalen Dinge, die sich dahinter abspielten vergessen darf. So wurden aus den Kindern Anish und Mangesh, die beste Freunde waren, plötzlich Feinde, nur weil Anish ein kurzes Solo sang. Anish sah es als die Chance seines Lebens, um aus den Slums zu kommen. Der Kontakt zu diesen Kindern besteht nach wie vor.
Steinwender hat vor Ort spontan Instrumente organisiert, die er den Kindern schenkte. In Weiz erklärte sich der Lions Club bereit zu helfen.
Vor drei Wochen war er in London um an einem Gespräch mit dem Filmteam teilzunehmen. BBC produzierte zur Arbeit in Mumbai den Film „The Sound of Mumbai: A Musical“, welcher derzeit beim Toronto-Filmfestival läuft. In Ausarbeitung ist eine Doku in deutscher Version, damit der Film auch in Österreich gezeigt werden kann.

Fakten
Der musikalische Bogen von Hannes Steinwender spannt sich über ein breites Spektrum. Er ist Chorleiter, Dirigent und Komponist.
Neben mehreren Ensembles ist Steinwender Leiter des Chores und Orchesters des Kirchenmusikvereines Hartberg.
2003 gründete er den Jugend- und den Kinderchor in Weiz und leitet diese auch.
Zusammenarbeit mit folgenden Orchestern bzw. Ensembles:
Wiener Concert-Verein (Kammerorchester der Wr. Symphoniker)
Bombay Chamber Orchestra
Capella Leopoldina
Capella Calliope
Capella Savaria
Savaria Symphony Orchestra,
u.a.
Noch mehr über den Dirigenten und Künstler Johannes Steinwender kann man auf www.johannessteinwender.at erfahren.