Nie wieder ist jetzt
Fürstenfelder Mahnwache als Weckruf für die Demokratie

- Vor 12 Jahren initiierte Gerald Guschlbauer die erste Mahnwache für die Opfer des Nationalsozialismus in Fürstenfeld. Warum die Erinnerung kein Verweilen in der Vergangenheit sondern aktuell wichtiger denn je ist, erklärt er im Gespräch mit MeinBezirk.
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Eine Mahnwache, ein neues Denkmal, ein klares Zeichen gegen das Vergessen: Fürstenfeld erinnert am 26. April an die Opfer des Nationalsozialismus: Gerald Guschlbauer, Initiator der Mahnwache, spricht mit MeinBezirk über die Lehren aus der Geschichte – und weshalb das Erinnern in Zeiten bedrohter Demokratien wichtiger ist denn je.
FÜRSTENFELD „Ich dachte, das würde einmalig bleiben“, erzählt Gerald Guschlbauer über die erste Mahnwache der Katholisch österreichischen Studentenverbindung Riegersburg im Fürstenfelder Stadtpark im Jahr 2012.
Der Anlass damals war der Wiener Korporationsball – der Vorgänger des jetzigen Akademikerballes –, der in jenem Jahr ausgerechnet am Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz stattfand.
Für Guschlbauer und viele andere war das ein Affront. „Wenn wenigstens ein Wort des Bedauerns gekommen wäre, hätte ich ja noch gesagt: gut, ist passiert. Aber da das nie gekommen ist, haben wir beschlossen, eine Mahnwache abzuhalten.“
Heute ist die Mahnwache in Fürstenfeld Teil der österreichweiten Gedenkinitiativen unter der Patronanz des Mauthausen Komitees. Sie findet am Denkmal für die jüdischen Opfer der Todesmärsche im Stadtpark statt, die Ende 1945 auch durch den Altbezirk Fürstenfeld verliefen.

- Bereits seit 12 Jahren hält die Katholisch österreichiche Studentenverbindung Riegersburg zu Fürstenfeld die Mahnwache ab.
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Erinnerung braucht Orte –und Menschen
Im heurigen Jahr bekommt die Mahnwache ein neues Element: Die Stadtgemeinde Fürstenfeld wird ein weiteres Denkmal enthüllen – gewidmet jenen Bürgerinnen und Bürgern, die im Nationalsozialismus wegen ihrer politischen Haltung, ethnischer Zugehörigkeit oder einer Behinderung ermordet wurden.
Der Standort des Denkmals – direkt bei der allgemeinen Sonderschule – ist bewusst gewählt. „Damit haben wir sofort im Blick, was wir aus der Vergangenheit lernen müssen, damit diesen Kindern nicht das Gleiche passiert“, erklärt Guschlbauer und erinnert an den menschenverachtenden Schulunterricht der NS-Zeit, in dem schon Volkschulkinder berechnen mussten, welche Kosten sich das Regime sparen würde, würde es keine Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung geben.

- Die Mahnwache der Studentenverbindung Riegersburg zu Fürstenfeld findet am Samstag, dem 26. April pünktlich um 12 Uhr im Stadtpark Fürstenfeld statt.
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Die Aufgabe der Jungen
Gerald Guschlbauer selbst arbeitet als Erzieher im Lehrlingsheim von Fürstenfeld. Schon 1988 reiste er mit Lehrlingen aus Fürstenfeld nach Mauthausen. Von 1994 bis 2001 wurde er vor Ort und nach der Exkursion wieder zurück in Fürstenfeld von zwei Zeitzeugen unterstützt: von Leo Kuhn, der als Widerstandskämpfer erst in Mauthausen und dann in Ebensee interniert war, und von Willi Gugig, ein jüdischer Wiener, der als einziger seiner in Europa verbliebenen Familienangehörigen die Shoah überlebte.
„Wir zwei sind schon alt, sagten die beiden oft“, erinnert sich Guschlbauer, „ihr Jungen müsst unsere Arbeit weiterführen.“ Für Guschlbauer war das das Vermächtnis von Kuhn und Gugig – und ein Auftrag.

- Vergangenes Jahr war es noch ein Provisorium, heuer wird das neue Mahnmal der Stadtgemeinde Fürstenfeld feierlich präsentiert - Die Inschriften fehlen auf diesem Foto nocht.
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Gedenken als Auftrag zur Demokratie
Die Mahnwache ist für Guschlbauer kein Selbstzweck, kein Verweilen in der Vergangenheit um der Vergangenheit willen, sondern ein Weckruf in einer Zeit, in der liberale Demokratien unter Druck stehen. „Wenn wir nicht in der Lage sind, unsere Demokratie zu verteidigen, dann sehen wir etwa am Beispiel Alexeij Nawalnys, wie schnell es gehen kann. Man wird verhaftet, kommt in ein Straflager – und irgendwann kommt die Todesnachricht.“
Demokratie, sagt er, lebt vom Miteinander, vom Zuhören, vom Diskutieren. Was ihm Sorge bereitet, ist der Verlust genau dieser Fähigkeiten: "Früher haben sich z. B. die Leute von jung bis alt in der Arztordination lebhaft unterhalten. Heute sitzt jeder vor dem Handy.“ Auch bei Jugendlichen und selbst frisch verliebten Pärchen beobachtet er, dass Kommunikation immer öfter nebeneinander statt miteinander passiert.
Und dabei ist Kommunikation für ihn das Fundament jeder Demokratie.
„Wir müssen einander zuhören, einander verstehen – und schauen: Wo ist der gemeinsame Weg? - Aber, ohne dass sich jemand selbst ganz aufgeben muss.“
Gerald Guschlbauer, Organisator der Mahnwache in Fürstenfeld

- Mahnmal für die Opfer der ungarischen NS-Todesmärsche.
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Kein Wegschauen mehr
Guschlbauer selbst ist kein Pazifist im klassischen Sinn. Er war beim Bundesheer, wechselte aber kurz vor Ende seines Wehrdienstes zum Zivildienst. Seine Familie war geprägt von der Geschichte des Zweiten Weltkriegs, sein Vater ein Überlebender von Stalingrad, der möglicherweise aus bitterer Armut heraus Hoffnungen in das NS-Regime setzte, noch ehe der Krieg begonnen hatte. „Damals konnte man nicht wissen, was passieren würde. Diese Ausrede haben wir heute nicht mehr“, lautet daher Guschlbauers eindringliches Fazit.

- Der Weg im Fürstenfelder Stadtpark, auf dem die Denkmäler stehen, ist dem Vorortspräsidenten des Österreichischen Cartllverbandes, Gerald Gringschgl gewidmet. Dieser war nicht nur im Widerstand gegen das NS-Regime aktiv, sondern war auch dafür Verantwortlich, dass die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Zug in der Schweiz großzügig für den Wiederaufbau und die Linderung der unmittelbaren Not in Fürstenfeld nach dem Ende des Weltkrieges spendeten.
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Ein lebendiges Versprechen
Die Mahnwache der Studentenverbindung Riegersburg zu Fürstenfeld findet am 26. April um 12 Uhr (pünktlich) im Stadtpark von Fürstenfeld statt und steht unter dem Motto „Nie wieder Krieg. Nie wieder Faschismus.“
Doch für Gerald Guschlbauer ist das keine bloße Parole. Es ist ein Versprechen – an die Vergangenheit, an die Gegenwart und an die Zukunft: „Wir müssen gut zusammenarbeiten und zusammenhalten. Der Zusammenhalt ist es, der uns als Gesellschaft trägt, wenn schwierige Zeiten kommen.
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