Ausstellung "Idylle, blau"
Einblick in die Welt von Julia Haugeneder

Stack III, 2020
plexiglass, POM, bookbinding glue, pigment, bubble wrap, nyl
64 x 151 x 53 cm | Foto: Galerie Elisabeth & Klaus Thoman
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  • Stack III, 2020
    plexiglass, POM, bookbinding glue, pigment, bubble wrap, nyl
    64 x 151 x 53 cm
  • Foto: Galerie Elisabeth & Klaus Thoman
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INNSBRUCK. Bis 26. Juni 2021 gibt es die Ausstellung "Idylle, blau" der jungen Österreicherin Julia Haugeneder in der Galerie Elisabeth & Klaus Thoman zu sehen, in der ihre fast ausschließlich mit Buchbinderleim hergestellten Kunstobjekte präsentiert werden. Wir haben die sympathische Wienerin getroffen und sie zu ihrer aktuellen Ausstellung in Innsbruck und zu ihrem Leben als Künstlerin befragt!

Für mich ist die Unterscheidung zwischen „etwas zu sagen haben“ und „etwas erlebbar machen“ sehr wichtig. Ich versuche dabei selber sehr streng vorzugehen nach der Prämisse: Wenn ich etwas zu sagen habe, dann schreibe ich es auf. (Julia Haugeneder)

Faltung 215, 2020
bookbinding glue, pigment, bubble wrap
49 x 28 x 11 cm | Foto: Galerie Elisabeth & Klaus Thoman
  • Faltung 215, 2020
    bookbinding glue, pigment, bubble wrap
    49 x 28 x 11 cm
  • Foto: Galerie Elisabeth & Klaus Thoman
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Wie hat deine Reise als Künstlerin begonnen & seit wann verfolgst du diese Leidenschaft schon?

Einige Umwege haben dazu geführt, dass im Atelier zu arbeiten eigentlich das einzige ist, was ich wirklich gerne mache und auch langfristig machen will. Ich habe also erstmal Kunstgeschichte an der Uni Wien studiert und abgeschlossen, obwohl ich keine gute Kunsthistorikerin bin. Heute würde ich das Studium glaube ich sehr genießen, doch damals war es mehr ein Ersatz dafür, dass ich mich nicht getraut habe, mich an der Akademie zu bewerben. Nach 4-5 Jahren bin ich dann überraschenderweise im Bereich (Film-)Philosophie gelandet und habe begonnen, mich darin ein wenig einzurichten. Ich habe mein zweites Studium abgeschlossen und ein Doktorat begonnen, das ich sehr leidenschaftlich, aber ohne große Karriereziele verfolgt habe. Zu diesem Zeitpunkt studierte ich bereits seit einigen Jahren an der Akademie, zuerst bei Constanze Ruhm in der Klasse für digitale Kunst und später dann bei Gunter Damisch Grafik/ Druckgrafik. Erst dort habe ich das Selbstbewusstsein entwickelt, mich vielleicht auf die Idee einzulassen, Künstlerin zu sein. 

Auf Instagram begeistert die Künstlerin unzählige Menschen mit ihren Kunstwerken und gibt Einblicke in ihre Ausstellungen! | Foto: Ricarda Stengg
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Was hat es mit dem Namen der Ausstellung "Idylle, blau" auf sich?

Es gibt eine kurze Erzählung von Maurice Blanchot mit dem Namen „Idylle“, die mich sehr beeindruckt hat und von der ich den Titel geklaut habe, obwohl die Geschichte inhaltlich in keinem direkten Zusammenhang mit meiner Ausstellung steht. Es gibt darin eine Idee von scheinbar freiwilliger Einschließung in einen teils sehr unschönen, auch gewaltvollen Ort, das fasziniert mich sehr. Mit der Ausstellung in Innsbruck wollte ich einen Ort erlebbar machen, der in der Schwebe bleibt zwischen einer nahbaren Schönheit und einer unnahbaren Kälte. In gewisser Weise ist "Idylle" der Titel der Ausstellung und "blau" die Spezifikation, wie ein Ikea-Möbel, das einen Namen und hat weil man es in verschiedenen Farben kaufen kann, ist die Farbe die genauere Bezeichnung.

Gibt es eine "Botschaft", die du mit der Ausstellung übermitteln wolltest?

Für mich ist die Unterscheidung zwischen „etwas zu sagen haben“ und „etwas erlebbar machen“ sehr wichtig. Ich versuche dabei selber sehr streng vorzugehen nach der Prämisse: Wenn ich etwas zu sagen habe, schreibe ich es auf. Das kommt bestimmt von meinem sehr akademischen Hintergrund, aber ich bin davon überzeugt, dass Kunst keine komplizierte Art sein sollte, etwas zu sagen. Viel eher möchte ich durch meine Arbeit im Atelier etwas herausfinden, von dem ich nicht präzise sagen könnte, was es ist. Ich verstehe durch meine Arbeit Stück für Stück z.B. meine intuitiven Vorlieben für Materialien, für Formen, die ich für naheliegender als andere empfinde. All das erzählt über meine eigene Verstrickung, also von meiner bürgerlichen Herkunft, dem Ort an dem ich lebe und bestimmt auch der Zeit. Diese Verstrickung zu verstehen und, da es ja wohl kaum nur mich betrifft, erlebbar zu machen, ist zwar nicht die Botschaft, aber im besten Fall das Ergebnis meiner Arbeit. Die Reihenfolge ist hier wesentlich glaube ich: also zuerst etwas zu machen und es erst dann sprachlich zu fassen. Das ist also die lange Antwort, die kurze ist: ich hab keine.

Wieviele Objekte gibt es in der aktuellen Ausstellung insgesamt zu sehen und erzählen sie alle eine gemeinsame Geschichte?

Ja, die Ausstellung Idylle, blau ist wie eine begehbare Installation, die aus vielen Teilen besteht – es ist aber kein dogmatisches Ensemble, die einzelnen Skulpturen könnten in anderem Kontext auch alleine ausgestellt werden. Ich hatte schon letztes Jahr bei meinem ersten Besuch in den Räumen der Galerie eine sehr klare Vorstellung, in welcher Tonhöhe die Ausstellung sein sollte – ich arbeite zwar nicht ortsspezifisch, aber der Ausstellungsort hat einen großen Einfluss darauf, welche Arbeiten ich entwickle. In der Ausstellung selbst gibt es ca. 20 Skulpturen, manche in Gruppen angeordnet auf Plexiglas-Möbel/ Skulpturen, manche direkt am Boden, und nur zwei an der Wand. Alle Objekte sind aus Leim, gefüllt mit Luftpolsterfolie.

Das Instagram-Feed der Künstlerin gibt Einblicke in ihre Arbeiten! | Foto: Ricarda Stengg
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Erste Ausstellung mit Sound

Im Zentrum des Raums ist eine Sounddusche montiert; von hier aus hört man zwei Frauenstimmen, eine auf Deutsch, eine auf Englisch. Sie sprechen über Neddy, den Schwimmer, aus Frank Perrys Film „The swimmer“, von 1968, aber auch Freud's Deckerinnerung. Der Text wurde von Ulrich Meurer für diese Ausstellung geschrieben – er hat vor Jahren auch mein Doktorat betreut und es ist mir eine große Freude, mit ihm für diese Ausstellung gearbeitet zu haben! Es ist die erste Ausstellung, bei der ich mit Ton arbeite.

Welches ist dein liebstes Kunstwerk?

Ich hoffe immer, sie alle gleichermaßen zu mögen, aber klar, mit manchen hat man eine speziellere Geschichte. In dieser Ausstellung würde ich die blaue Wandtasche nennen, weil sie die erste Arbeit war, die ich für diese Ausstellung gemacht habe. Damit hat sie im Grunde den Ton für alle weiteren Objekte gesetzt. Deswegen hängt sie auch an der Wand, der man als letztes in der Ausstellung begegnet, so als wäre die Ausstellung der Rahmen für diese Begegnung. 

Mit welchen Materialien arbeitest du großteils und wieviel Zeit nimmt ein Ausstellungsstück in Anspruch?

Ich arbeite seit wenigen Jahren fast ausschließlich mit Buchbinderleim. Dazugekommen ist seit dieser Ausstellung Plexiglas. Alle meine Materialien sind aber auf Acrylbasis, das bedeutet, sie sind alle in der Welt des Plastik zu verorten. Für die konkrete Umsetzung einer Arbeit brauche ich nur wenige Tage und das v.a. nur wegen der Trocknungszeit, die den größten Teil der Zeit einnimmt. Ich habe eine Arbeitsweise gefunden, die meiner Ungeduld entspricht; wenn ich im Atelier arbeite, habe ich es gern, wenn die Dinge schnell gehen und die Arbeit mit Buchbinderleim kommt mir dabei sehr entgegen. Ausserdem fällt es mir leichter zu arbeiten, wenn ich meine Materialien selbst herstelle, wie beispielsweise die großen bunten Flächen aus Leim, aus denen ich meine Objekte falte. Ganz anders ist es mit den Linolschnitten – daran schneide ich monatelang, an dem in Innsbruck habe ich ca. 3 Monate praktisch täglich ein paar Stunden gearbeitet. Diese beiden Arbeitsweisen ergänzen sich ziemlich gut.

Woher holst du dir deine Inspiration und welche Themen liegen dir ganz besonders am Herzen?

Den Ausgangspunkt vieler Arbeiten bilden Dinge, von denen wir im Alltag umgeben sind – die blaue Wandtasche z.B. habe ich begonnen, weil ich einen tollen Wassertank auf einem LKW gesehen habe, den wir auf der Autobahn überholt haben. Das ist aber immer nur der Startpunkt, weil die Objekte, die ich dann mache, in den allermeisten Fällen im Prozess dann völlig anders werden, als ich das ursprünglich geplant hatte. Ich brauche meist nur einen Grund anzufangen, in dem Fall den Wassertank. Sobald ich mit dem Material arbeite, nehmen die Dinge dann einen ganz anderen Lauf, als ich das hatte kommen sehen. Und ich arbeite seriell, das bedeutet, ich mach nicht eine Skulptur, sondern immer einen Teil von einem Ensemble. Es liegt mir glaube ich näher in Beziehungen von Dingen zu denken, als in Einzelpositionen. Jedes dazukommende Objekt steht in einem Verhältnis zu schon existierenden. Ich stelle mir die Arbeiten also als Gruppe vor und da gibt es immer noch ein Plätzchen, das frei ist, das das nächste Objekt einnehmen soll.

Was ist in Zukunft noch alles geplant und wirst du erneut in Innsbruck ausstellen?

Erstmal sind heuer noch zwei kleine Ausstellung in Wien und Frankfurt geplant und dann hoffe ich immer noch sehr, dass ich meinen zugesagten AiR Aufenthalt in Chicago nachholen kann – letztes Jahr hat die Pandemie das verunmöglicht und auch heuer ist es nicht gewiss, ob ich den Aufenthalt nachholen kann, aber ich bleibe erstmal optimistisch. Und dann sind wir ja immer noch mitten in einer Pandemie – ich hatte bis jetzt großes Gluck und konnte trotzdem ausstellen und arbeiten. Aber der Kunst- und Kulturbereich ist mit großen Schwierigkeiten konfrontiert und ich bin sehr gespannt, wie sich das auf uns alle auswirken wird.

Öffnungszeiten der Galerie:

Dienstag bis Freitag: 12–18 Uhr
Samstag: 10–15 Uhr
und nach Vereinbarung

Adresse: 
Maria-Theresien-Straße 34, 6020 Innsbruck

Weiterführende Links:
www.juliahaugeneder.com
Instagram Julia Haugeneder
www.galeriethoman.com

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