Schluss mit dem Greenwashing
Ein Plädoyer für Tiroler Hafermilch

Gelingt auch mit Pflanzenmilch: Latte Macchiato | Foto: Emily Allen via flickr.com
  • Gelingt auch mit Pflanzenmilch: Latte Macchiato
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Es braucht nicht viel, um gewisse Lobbyisten zum Schäumen zu bringen: Dass die (fiktive) Hüttenwirtin in einem Tourismus-Werbespot der einkehrenden (fiktiven) Krampusdame einen Latte Macchiato mit Hafermilch zubereitet - und das auch noch mit einem Lächeln!-, lässt die Tiroler Milchwirtschaft vor Ärger hochkochen und die Werbemacher panisch zurückrudern.

Wie sehr steht eine ganze Branche mit dem Rücken zur Wand, wenn ein einziges Wort in einem Reklamefilmchen solche Defensiv-Reaktionen auslöst? Ja, das System Milch steht massiv am Prüfstand. Nicht nur, weil viele Landwirt:innen unter massivem Kostendruck stehen und etliche Betriebe aufgeben müssen. Wer Österreichs Milch-(Über)-Produktion verteidigen will, muss gewaltig viel ausblenden.

Systemimmanente Brutalität. Auch wenn Landwirt:innen nicht müde werden zu betonen, wie sehr sie ihre Tiere lieben, lässt sich die grausame Realität abseits der Alm-und-Weidewerbung auch mit den allerschönsten Worten nicht wegleugnen. Wie die erschütternden Aufdeckungen des VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN immer wieder aufs Neue belegen, werden Jahr für Jahr Zigtausende Stierkälber wenige Wochen nach der Geburt auf qualvollen Lebendtransporten Richtung Südeuropa verfrachtet. Etliche Tiere landen sogar auf Todesschiffen in den Nahen Osten, wo es durchaus üblich ist, Rinder auf offener Straße betäubungslos zu schlachten. Ein Video zeigte: Eines dieser Tiere trug eine Tiroler Ohrmarke.

Überproduktion. Die österreichische Milchwirtschaft produziert - allen Hochglanz-Botschaften zum Trotz - nicht nur für Einheimische und Reisegäste, sondern weit über den Eigenbedarf hinaus. Die 3,8 Millionen Tonnen Rohmilch, die 2021 aus Österreichs Kühen herausgemolken wurden, gehen zu einem beträchtlichen Anteil in die Verarbeitung. Und dann oftmals weiter in den Export. Der Selbstversorgungsgrad bei Kuhmilch beträgt 177 Prozent, wir erzeugen also beinahe doppelt so viel, wie wir im Inland derzeit verbrauchen. Landschaftspflege sieht anders aus. Denn die Klimabilanz der Milcherzeugung ist lange nicht so grün wie die Almwiesen es suggerieren.

Treibhausgas-Emissionen. So idyllisch die grasigen Hänge auch aussehen auf den Hochglanzbildern und so erfreulich der hohe Bio-Anteil in Österreich ist - auch extensive Weidehaltung ohne Kraftfutter aus Übersee kann die Methan-Emissionen aus dem Rindermagen nicht einmal ansatzweise ausgleichen. Die Datenlage ist glasklar: Weidende Rinder sind Netto-Emissionsquellen. Sorry, Greenwashing-Beauftragte.

Hallo Hafer.
Pflanzliche Milchalternativen auf Haferbasis schneiden im Vergleich dazu um Welten besser ab: So kommt ein Liter österreichischer Bio-Haferdrink auf schlanke 0,38 Kilo CO2-Äquivalente, während Bio-Kuhmilch aus Österreich einen Klima-Fußabdruck von 1,039 Kilo CO2-Äquivalenten pro Liter auf die Waage bringt. Sogar konventioneller Import-Haferdrink (0,4 kg CO2-Eq/L) verursacht nicht einmal halb so viele Emissionen wie die erwähnte Bio-Milch von österreichischen Kühen. Ganz zu schweigen von konventioneller österreichischer Kuhmilch mit einer Klimabilanz in Höhe von 1,31 kg CO2-Eq/L. Regionalität allein ist also kein Kriterium. Was zählt, ist die Produktionsweise und die Emissionen, die dabei anfallen.

Warum in aller Welt gibt es dann noch keine Tiroler Hafermilch? Das wäre einmal ein klares Zeichen für mehr Nachhaltigkeit. Angesichts der Klimakatastrophe, die sich im Alpenraum ganz besonders schnell zuspitzt - Stichwort Gletscherschmelze! -, muss eine pflanzliche Agrarwende auch und gerade in Tirol stattfinden. Immerhin gibt es schon etliche Hersteller, die österreichischen Hafer zu Pflanzendrinks verarbeiten. Liefern Tiroler Hafer-Produzent:innen da hoffentlich auch Rohstoffe zu oder befindet man sich noch im Dämmerschlaf?

Hafermilch, gewachsen und veredelt in Tirol. Das wäre eine Win-Win-Situation für die Tiere, für das Klima und ja, auch für die Tiroler Landwirtschaft. Letzten Endes geht es darum, ein Tirol zu bewahren, für das es sich noch lohnt, Werbung zu machen. Was will man sonst in Zukunft noch touristisch vermarkten? Schotter-Schifahren? Waldbrand-Wandern?  Après-Muren-Partys?

Wach auf, schönes Tirol. Und produzier Hafermilch.

Quellen:

> BMLRT: "Selbstversorgungsgrad bei Lebensmitteln"

> Garnett, T. et al (2017): "Grazed and confused? Ruminating on cattle, grazing systems, methane, nitrous oxide, the soil carbon sequestration question – and what it all means for greenhouse gas emissions." Food Climate Research Network. Oxford Martin Programme on the Future of Food. Environmental Change Institute, University of Oxford. Download-Link

> Statistik Austria: "Kuhmilchproduktion 2021 leicht gestiegen"

> Statistik Austria: "Versorgungsbilanzen für tierische Produkte 2021"

> VGT Austria: "Tiroler Landwirtschaftskammer fühlt sich bedroht durch Hafermilch"

> VGT Austria: "Totes österreichisches Milchkalb in Spanien - Kälber auf Transporten misshandelt"

> Vegane Gesellschaft Österreich: "Tiefsitzender Schock bei Landwirtschaftskammer Tirol: Krampus trinkt Hafermilch"

> VÖM: "Milchwirtschaft: Bilanz 2021 und Ausblick 2022"

> Zamecnik, G. et al (2021): "Klimaschutz und Ernährung – Darstellung und Reduktionsmöglichkeiten der Treibhausgasemissionen von verschiedenen Lebensmitteln und Ernährungsstilen. Endbericht." Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, Österreich. Download-Link

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