AMS-Studie Kinderbetreuung
Wir haben dringenden Handlungsbedarf.

Die Kinderbetreuung spielt eine wichtige Rolle am Arbeitsmarkt. | Foto: petrograd99/panthermedia
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  • Die Kinderbetreuung spielt eine wichtige Rolle am Arbeitsmarkt.
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Es gibt Gemeinden mit einem sehr gut ausgebauten Kinderbetreuungsangebot. Die Angebote für Kinderbetreuung in Tirol sind ausbaufähig. Der gesetzliche Bildungsauftrag der Gemeinden muss gesellschaftlich stärker anerkannt werden. Einen Personalmangel in der Kinderbetreuung können wir uns am allerwenigsten leisten und das traditionelle Rollenbild der Frau verhindert in vielen Gemeinden den Ausbau.  Das sind die Ergebnisse der Studie "Wenn Mama und Papa arbeiten", die vom Arbeitsmarktservice Tirol (AMS) in Auftrag gegeben wurde.

INNSBRUCK. Die zentrale Forschungsfrage der Studie legt den Fokus auf die Identifizierung von Optimierungsmöglichkeiten des institutionellen Kinderbetreuungsangebotes in Tirol mit dem Ziel, die Nutzung zu erhöhen und damit sowohl die Erwerbsbeteiligung der Eltern als auch die Bildungschancen der Kinder zu fördern. Einen besonderen Aspekt der Studie stellt die hohe Teilzeitbeschäftigung von Frauen in Tirol dar. Rund 11 Prozent der Männer gegen einen Teilzeitjob nach, bei den Frauen sind es 54,6 Prozent. Die Probleme bei der Kinderbetreuung bei einem Teilzeitjob sind vielseitig. Gleichzeitig ist auch die Entwicklung am Arbeitsmarkt eine Herausforderung. So muss in den kommenden Jahren von einem starken Rückgang der Altersgruppe zwischen 20- bis 64-Jährigen gerechnet werden. Außerdem werden bis zum Jahr 2030 zwischen 13.000 und 20.000 Pädagoginnen und Pädagogen für die Kinderbetreuung fehlen.

"Die Betriebe brauchen den Ausbau der Kinderbetreuung in Tirol genauso dringend wie Frauen und Kinder. Wir sprechen hier von potenziellen Fachkräften, die zu Hause bleiben müssen, weil sie nicht Vollzeit arbeiten können. Wir sprechen von Frauen, die ihre Erwerbskarrieren abbrechen oder unterbrechen müssen, mit allen finanziellen Nachteilen, und wir sprechen vor allem auch von Kindern, die keine Frühförderung bekommen und dann mit Defiziten in der Volksschule starten müssen. Da ist die Bildungsschere schon aufgegangen, bevor die Ausbildung überhaupt begonnen hat. Wir haben dringenden Handlungsbedarf“, so Sabine Platzer-Werlberger, Landesgeschäftsführung, AMS Tirol

Positive Beispiele

In einigen Tiroler Gemeinden (wie etwa Buch bei Jenbach, Mils bei Hall, Lienz oder Zams)gibt es ein sehr gut ausgebautes Angebot und Best-Practice-Beispiele für Kinderbetreuung und Elementarbildung. Maßgeblich dafür ist das Engagement der jeweiligen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie anderer Entscheidungsträgerinnen und -träger. Die Analyse für Tirol zeigt starke regionale Unterschiede in der Angebotslandschaft. Es geht darum, einen flächendeckenden Ausbau der Angebotslandschaft zu fördern, um eine qualitätsvolle Bildung und Betreuung aller Kinder - vom Krippenkind bis zum Schulkind – zu bieten. 

Philipp Seirer-Baumgartner (Arbeitsmarktbeobachtung und -forschung, AMS Tirol), Sabine Platzer-Werlberger (AMS-Landesgeschäftsführung) und Beatrix Hammer (AMS-Gleichstellungsbeauftragte für den Arbeitsmarkt) | Foto: BezirksBlätter
  • Philipp Seirer-Baumgartner (Arbeitsmarktbeobachtung und -forschung, AMS Tirol), Sabine Platzer-Werlberger (AMS-Landesgeschäftsführung) und Beatrix Hammer (AMS-Gleichstellungsbeauftragte für den Arbeitsmarkt)
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„Das fehlende Angebot an Kinderbetreuungsangebot ist ein großer Treiber, dass Frauen fünfmal häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer. Dadurch erleiden sie starke Einschnitte in ihrem Lebenseinkommen.“, erklärt Beatrix Hammer, Gleichstellungsbeauftragte für den Arbeitsmarkt, AMS Tirol und führt weiter aus: „Arbeitsuchenden Frauen wird durch das unzureichende Betreuungsangebot der Einstieg in den Arbeitsmarkt stark erschwert.“

„Die Angebote für Kinderbetreuung in Tirol sind ausbaufähig", betont Philipp Seirer-Baumgartner, Arbeitsmarktbeobachtung und -forschung, AMS Tirol. Der größte Bedarf zeigt sich zum einen bei den unter drei Jährigen und zum anderen bei den Schulkindern. Eine der größten Herausforderungen bei der Betreuung von Kindern bis drei Jahren sind die Kosten. So gibt es besonders für diese Altersgruppe viele private Angebote, wodurch die Eltern mit einem hohen finanziellen Aufwand belastet werden. Hier gilt es, mehr öffentliche und kostengünstigere Angebote zu schaffen. Bei den Kindern im Kindergartenalter sind die spezifischen Problemlagen etwas anders. Die Angebotslandschaft wird als flächendeckender gesehen, problematisch sind hier insbesondere die Öffnungszeiten – sowohl die täglichen, als auch die Ferienöffnungszeiten. Eine besondere Herausforderung stellt auch die Betreuung von Schulkindern dar. Hier fehlt es vielerorts an passenden Angeboten. Die Problemlagen der Eltern betreffen hier ähnliche Punkte wie bei den jüngeren Kindern: unflexible Öffnungszeiten, fehlende Ferienbetreuungsangebote und hohe Kosten. Für den Ausbau ist entscheidend, dass die Angebotslandschaft nicht „nur“ den quantitativen Bedarf an Betreuungsplätzen abdeckt. Es müssen auch zusätzliche Kriterien herangezogen werden, welche eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen. Es braucht ganztägige und ganzjährige Angebote.

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Bildungsauftrag

Alle Teilnehmenden der Studie waren sich in einem Punkt einig: Kinderbetreuung verfolgt einen Bildungsauftrag und das muss gesellschaftlich stärker anerkannt werden. Denn Kinderbetreuung ist maßgeblich mitverantwortlich, wenn es um die Chancengleichheit am späteren Bildungsweg geht. Es wird daher ein klares politisches Bekenntnis der Politik gefordert, dass Kinderkrippen und Kindergärten keine ‚Aufbewahrungsorte‘ für Kinder sind, sondern als erste Bildungseinrichtungen anerkannt werden. „Die Tiroler Gemeinden haben einen gesetzlichen Bildungsauftrag. Kinderkrippen und Kindergärten sind keine ‚Aufbewahrungsorte‘ für Kinder“, so Seirer-Baumgartner.
 

Fazit

Insgesamt, so die Einschätzung der Expertinnen und Experten, führen traditionelle Rollenbilder und Werte in Verbindung mit fehlenden flächendeckenden Angeboten zu einem „Teufelskreis“, der einem Ausbau der Kinderbetreuung und einer Erreichung der damit verbundenen Ziele bis dato im Weg steht. Dass die Betreuung (aufgrund mangelnder Angebote) nach wie vor stark in der Zuständigkeit der Familie bzw. der Frauen liegt, führt dazu, dass der Veränderungsdruck nicht hoch genug ist bzw. die Notwendigkeit eines Ausbaus von politischer Seite keine Priorität hat.

  • Es gibt Gemeinden mit einem sehr gut ausgebauten Kinderbetreuungsangebot.
  • Die Angebote für Kinderbetreuung in Tirol sind ausbaufähig (flächendeckend, Öffnungszeiten, Ferien, Qualität, Kosten).
  • Der gesetzliche Bildungsauftrag der Gemeinden muss gesellschaftlich stärker anerkannt werden.
  • Einen Personalmangel in der Kinderbetreuung können wir uns am allerwenigsten leisten.
  • Das traditionelle Rollenbild der Frau verhindert in vielen Gemeinden den Ausbau.

„Wir brauchen den 'Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung' als Instrument, damit etwas weitergeht.", meint Sabine Platzer-Werlberger abschließend.

Link zur Studie: AMS-Forschungsnetzwerk E-Library

Studie

Das Arbeitsmarktservice Tirol hat die Studie „Wenn Mama und Papa arbeiten“ (L&R Sozialforschung) beauftragt, um einen Beitrag zum bedarfsgerechten Ausbau der Kinderbetreuung in Tirol zu leisten. Dies hat sowohl arbeitsmarktpolitische als auch sozial-, bildungs- und gleichstellungpolitische Gründe. Die zentrale Forschungsfrage der Studie legt den Fokus auf die Identifizierung von Optimierungsmöglichkeiten des institutionellen Kinderbetreuungsangebotes in Tirol mit dem Ziel, die Nutzung zu erhöhen und damit sowohl die Erwerbsbeteiligung der Eltern als auch die Bildungschancen der Kinder zu fördern.

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