Freiwilliges Soziales Jahr
Ein Tausch von Büro gegen Rettungswagen
Ein Jahr im Dienst der Gesellschaft: Die 30-jährige Katharina Haider erzählt im Gespräch mit MeinBezirk, warum sie sich nach ihrem Studium an der Montanuniversität Leoben und zwei weiteren Jahren als Projektmitarbeiterin für ein Freiwilliges Soziales Jahr entschieden hat, wie ihr Alltag beim Roten Kreuz, Bezirksstelle Leoben aussieht und wie die Erfahrungen sie persönlich bereichern.
LEOBEN. "Also, bei mir ist das ja etwas untypisch, ich bin doch älter als die Zielgruppe", schmunzelt Katharina Haider. Im Jänner startete die 30-Jährige ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) beim Roten Kreuz, Bezirksstelle Leoben – eine Entscheidung, mit der sie schon seit längerer Zeit geliebäugelt hatte. "Eigentlich hätte ich schon nach der Matura gerne mal etwas anderes gemacht, war dann aber so im Strudel drin, dass ich einfach weitergemacht habe", berichtet die gebürtige Wienerin. Es folgten ein Bergbau-Studium an der Montanuniversität Leoben sowie zwei Jahre als Projektmitarbeiterin.
Der Wunsch nach Veränderung blieb jedoch. "Das Fach passt zwar nach wie vor sehr gut, aber nach diesen zwei Jahren Bürojob habe ich mir gedacht, ich breche einmal aus", berichtet die 30-Jährige.

- Die 30-jährige Katharina Haider hat sich nach ihrem Studium an der Montanuniverisät Leoben und zwei Jahren Berufsalltag dazu entschieden, ihr Büro gegen den Rettungswagen einzutauschen.
- Foto: MeinBezirk
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In Notsituationen handlungsfähig sein
Ein grundlegendes Interesse für Erste Hilfe und den Rettungsdienst sei schon immer da gewesen, erzählt Katharina Haider. Was jedoch gefehlt hatte, war der direkte Bezug dazu. "Auf der Uni hatte ich dann einige Freunde, die freiwillig beim Roten Kreuz Rettungsdienst gefahren sind, und das fand ich total faszinierend – die Geschichten und was sie da alles erlebt haben", so Haider. Plötzlich sei der Bezug da gewesen. "Da war es eigentlich ganz klar, Rotes Kreuz, Rettungsdienst, das möchte ich machen."
Gründe für ihre Entscheidung habe es letztlich viele gegeben, erzählt die junge Frau. "Für die Persönlichkeitsbildung, mit Menschen zu tun zu haben, einmal nicht zu wissen, was auf einen zukommt", all dies habe sich für sie sehr verlockend angehört, meint Haider. Der vielleicht wesentlichste Punkt sei aber der Wunsch gewesen, in Notsituationen handlungsfähig zu sein.
"Weil zwischen etwas wissen, und wissen, dass man es auch anwenden kann, gibt es dann doch einen großen Unterschied."
Katharina Haider, Rettungssanitäterin beim Roten Kreuz Leoben (FSJ)
Jeder Tag wie ein "Überraschungsei"
Den Start ihres FSJ bildete eine umfassende Grundausbildung – bestehend aus einem Theorie- und einem Praxisteil – an deren Ende die Prüfung zur Rettungssanitäterin stand. Nachdem die 30-Jährige auch diese Hürde genommen hatte, durfte sie offiziell ihren Rettungsdienst starten. 34 Stunden pro Woche ist Haider seither im Einsatz, das Rettungsauto ihr "Büro 2.0". Zu 90 Prozent seien die Fahrten Krankentransporte, etwa vom Pflegeheim zur Ärztin oder dem Arzt. Immer wieder gebe es aber auch überraschende Einsätze.
"Es kann sein, dass man glaubt, man bringt jemanden nach Hause, doch dann wird der Heimtransport abgezogen und man kommt zu einem Fahrradsturz", berichtet Haider. "Jeder Tag ist wie ein Überraschungsei", lacht die junge Frau.

- Auch das gehört dazu: Katharina Haider (l.) mit ihren Kolleginnen und Kollegen beim Erzbergrodeo in Eisenerz
- Foto: Rotes Kreuz Leoben
- hochgeladen von Sarah Konrad
Für Menschen wie Haider, die zu Perfektionismus und Planungssucht neigen, ist die Arbeit beim Roten Kreuz heilsam. "Es ist wirklich eine gute Übung, Perfektionismus abzulegen. Man kriegt, was kommt und muss dann wirklich im Moment sein und das Beste daraus machen", schildert die Rettungssanitäterin. Auch wenn nicht alles optimal verläuft, ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass man sein Bestes gegeben hat.
Natürlich gebe es auch Schicksale, die nachdenklich machen; "Zum Beispiel eine Blaulichtfahrt mit einem neunjährigen Kind, das einen lebensverändernden Eingriff vor sich hat", schildert Haider. So etwas könne niemanden kaltlassen. Lange darüber nachzudenken, sei aber oft auch nicht möglich, denn bereits der nächste Einsatz erfordere erneut die uneingeschränkte Aufmerksamkeit.
Schlussendlich überwiege eindeutig das Positive. Dazu zähle etwa die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen. "Man ist immer im Team unterwegs und nie allein", erklärt die 30-Jährige. Schön sei auch, wenn man Patientinnen oder Patienten, die man zuvor ins Krankenhaus gebracht hat, zum Heimtransport abholen könne oder mit den unterschiedlichsten Menschen ins Gespräch komme.

- Das Rote Kreuz Steiermark bietet jungen Menschen die Möglichkeit, im Rahmen eines Freiwilligen Sozialjahres im Rettungsdienst tätig zu sein und so wichtige Erfahrungen zu sammeln.
- Foto: Symbolfoto: Rotes Kreuz/Stoltenberg
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"Auf jeden Fall machen"
Ende Dezember wird Katharina Haider ihr FSJ beim Roten Kreuz beenden. Dass es die richtige Entscheidung war, weiß sie aber bereits jetzt. Was sie anderen jungen Menschen raten würde? "Auf jeden Fall machen, ich kann es nur empfehlen", antwortet Haider. Die Arbeit mit Menschen, die Zusammenarbeit im Team – all das seien wertvolle Erfahrungen.
Wie es für sie selbst im nächsten Jahr weitergeht? "Ich plane, wieder in die Werkzeugindustrie zu gehen", berichtet die 30-Jährige. Diesmal jedoch nicht in die Forschung, sondern in die Industrie, um zu sehen, wie es "im echten Leben so läuft", schmunzelt Haider. Beim Roten Kreuz will sie aber weiterhin aktiv bleiben.
Was ist das Freiwillige Soziale Jahr?
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Das Freiwillige Soziale Jahr, kurz FSJ, dient der Bildungs-und Berufsorientierung für soziale Berufsfelder und soll freiwilliges Engagement fördern. Viele Absolventinnen und Absolventen des FSJ sind so begeistert von ihrer Tätigkeit, dass sie als freiwillige Helferinnen und Helfer dabei bleiben.
Wer kann ein FSJ machen?
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Menschen ab 18 Jahren (in Ausnahmefällen ab 17), die physisch und psychisch belastbar sind und Interesse und Bereitschaft für ein soziales Engagement, aber keine abgeschlossene einschlägige Berufsausbildung im Bereich haben.
Ein absolviertes Freiwilliges Soziales Jahr kann auch den Zivildienst ersetzen.
Wie läuft das FSJ ab?
- Der Einsatz dauert zwischen 9 und 12 Monaten.
- Pro Woche fallen 34 Einsatzstunden an.
- Im Vordergrund steht die Ausbildung, das umfangreiche Bildungsprogramm des Roten Kreuz steht dir offen.
Was bietet das Rote Kreuz jemandem, der sein FSJ macht?
- 150 Stunden Ausbildung
- Taschengeld in der Höhe von circa 500 Euro netto
- Für die Dauer des FSJ wird das Klimaticket Österreich kostenlos zur Verfügung gestellt.
- Pensions-, Unfall- und Krankenversicherung u.v.m.
Wo kann ich abgesehen vom Roten Kreuz ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren?
- Kinder und Jugendlichen: Kindergärten, Horte, Schulen, Wohngemeinschaften, sozialpädagogische Einrichtungen etc.
- Menschen im Alter | in Gesundheitseinrichtungen: Senioren- und Pflegewohnheime, Tageszentren, betreutes Wohnen, Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen etc.
- Menschen mit Behinderung: Wohngruppen, Werkstätten, Arbeits- und Förderbereiche etc.
- Menschen in Notlagen: Wohnungslosenhilfe, Einrichtungen für Menschen mit Fluchterfahrung, Einrichtungen für Menschen mit psychischen Erkrankungen
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Das Rote Kreuz ist nicht die einzige Einrichtung, wo junge Menschen sich im Rahmen eines Freiwilligen Soziales Jahr engagieren können. Auch diese Arbeitsbereiche sind möglich:
Der Verein zur Förderung freiwilliger sozialer Dienste ist ein gesetzlich anerkannter Träger für das freiwillige Sozialjahr in Österreich. "Unser Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, die jungen Erwachsenen gut und qualitative hochwertig durch ihren Freiwilligeneinsatz zu begleiten. Wir bieten einen Rahmen, in dem die FSJ-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer wachsen und aufblühen können, damit sie nach ihrem FSJ als selbstbewusste Erwachsene in die Welt hinausziehen", sagt Elisabeth Marcus, Geschäftsführerin Verein Freiwilliges Soziales Jahr. Alle Informationen dazu findest du auf der Website des Vereins.
Weitere Informationen findest du auf der Website des Roten Kreuz.
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