„Es tut weh, wenn man als Mensch übersehen wird“

Gertraud Prein aus Leoben möchte ihre Mitmenschen sensibilisieren und zu mehr Rücksicht gegenüber Menschen mit Behinderung aufrufen.
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LEOBEN. „Es gibt so viele nette und zuvorkommende Leute in Leoben, die mir, ohne viel zu fragen, einfach helfen. Die mir die Türe aufhalten oder mir beim Einkaufen an der Kasse die Waren in meine Tasche packen und diese dann hinten an den Rollstuhl hängen. Das sind die schönen Erlebnisse, die ich immer wieder erfahre und die mir Kraft geben“, erzählt Gertraud Prein, die seit einem Schlaganfall vor fünf Jahren auf den Rollstuhl angewiesen ist. „Ich könnte mit viel Mühe auch auf Krücken gehen, dazu bräuchte ich aber ständig Begleitung, die mir Sicherheit und Stütze gibt. Im elektrischen Rollstuhl kann ich alleine ins Zentrum von Leoben fahren“, sagt sie. Und das tut die lebenslustige 62-jährige Frau, die zweifache Mutter und zweifache Großmutter ist, sooft es das Wetter zulässt. Ihr Markenzeichen: Hüte in allen Größen, Farben und Varianten. „Ich habe Mut zum Hut seit ich im Rollstuhl sitze. Da habe ich meine Leidenschaft dafür entdeckt“, schmunzelt sie.

Tränen in den Augen

Neben den schönen Erlebnissen, gibt es da aber auch immer wieder jene, die sie mit „Tränen in den Augen nach Hause“ kommen lassen, wie die ehemalige Ordinationsgehilfin, Sekretärin und staatlich geprüfte Heilmasseurin erzählt. „Man wird im Rollstuhl oft einfach nicht gesehen, es wird zu wenig Rücksicht genommen, etwa auf den Gehsteigen oder bei den Drehtüren im LCS. Die Menschen gehen stur ihrer Wege, in Gedanken oder den Blick am Handy, und laufen dabei beinahe in meinen Rollstuhl hinein. Es tut so weh, wenn ich als Mensch übersehen werde, ich fühle mich richtig ausgegrenzt.“

Verstärkt ins Bewusstsein

Deshalb möchte Gertraud Prein die Situation behinderter Menschen wieder verstärkt ins Bewusstsein rufen und die Leute diesbezüglich sensibilisieren. „Es wäre schön, wenn wieder vermehrt mit offenen Augen durch die Welt gegangen, wenn mehr Rücksicht auf Menschen mit Behinderung genommen und ihr Vorrang beachtet werden würde.“ Prein weiß, dass nicht alle Menschen mit Behinderung Hilfe annehmen, weil sie es selbst schaffen möchten. Sie selbst freue sich jedoch über jede kleine hilfreiche Geste und nette Gespräche. Um ihre Erfahrungen zu verarbeiten, schreibt sie alle Erlebnisse auf. Unter anderem schreibt sie auch Mundart-Gedichte und an einem Buch über ihr Leben, dessen Ende noch bewusst offen ist. „Ich möchte mein Buch damit abschließen können, dass ich wie ‚Phönix aus der Asche‘ steige, das heißt, ich arbeite ganz hart an mir, dass ich wieder mobiler werde. Mein größter Traum ist es, wieder Skifahren zu können“, verrät die 62-Jährige, die früher begeisterte Hobbysportlerin, -tänzerin und -musikerin war und deren Enkel ihr die Kraft geben, an ihrer Zukunft zu arbeiten.

Mission

„Ich habe mich mittlerweile mit mir selbst arrangiert. Das Wörtchen ‚muss‘ habe ich gestrichen, alles was ich tue, mache ich, weil ich will, weil ich kann und weil ich darf. Ich bin ein positiv denkender Mensch, der das Leben trotz allem mit Humor und einem Lächeln nimmt und auf keinen Fall aufgibt“, sagt die Leobenerin, die hofft, dass sich ihre „Mission“ für mehr Rücksicht gegenüber Menschen mit Behinderung erfüllt.

Gertraud Prein aus Leoben möchte ihre Mitmenschen sensibilisieren und zu mehr Rücksicht gegenüber Menschen mit Behinderung aufrufen.
Foto: KK
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