"Pretulsaibling" Langenwang
Auf die Mediterrane Weinbergschnecke gekommen (+Video)
Seit dem Frühjahr züchten Elke und Martin Traxler im Pretulgraben in Langenwang Mediterrane Weinbergschnecken. Sie sind die einzigen Züchter in der Steiermark. Jetzt, bevor es frostig wird, müssen die zigtausend Baby- und Erwachsenenschnecken ins Winterquartier übersiedelt werden.
LANGENWANG. Es sind zigtausend Baby-Schnecken, 8.000 mittlere und 10.000 erwachsene Schnecken die Elke und Martin Traxler gerade vom Sommer- ins Winterquartier übersiedeln. Die Restaurant-Besitzer, Saibling,-Schaf-, und Bienenzüchter aus Langenwang haben sich nämlich seit dem Frühjahr auch der Mediterranen Weinbergschnecke, auch Gefleckte Weinbergschnecke genannt, verschrieben. Sie sind die einzigen Schneckenzüchter in der Steiermark, auch in ganz Österreich gibt es nur wenige, die sich dieser Zucht verschrieben haben. Verkocht werden sie im eigenen Restaurant und an die Spitzengastronomie verkauft.
Schnecken "studiert"
Schon vor zwei Jahren hat Martin Traxler begonnen, das Leben, aber vor allem die Zucht von Schnecken zu "studieren". Interessiert hat ihn dabei die nachhaltige Fleischproduktion. Denn für die Produktion von einem Kilogramm Muskelfleisch benötigen Schnecken weniger als ein Drittel an Futter im Vergleich zu Rindern, Schweinen oder Schafen. Sie sind reine Pflanzenfresser.
Begonnen haben sie mit der Zucht der Heimischen Weinbergschnecke. "Ich habe sehr lange experimentiert, wie ich die Schnecken im Gehege halten kann. Das Ergebnis: es hilft alles nichts, sie überwinden jedes Hindernis", erzählt Traxler. "Dann die Erkenntnis: Sie vermehren sich nicht so, wie es in den Lehrbüchern steht. Denn die Heimische Weinbergschnecke hat so etwas wie eine Bevölkerungsregulation. Das heißt, man kann sie nicht auf engem Raum halten", weiß Traxler jetzt.
Mediterrane Weinbergschnecke
Die Konsequenz seiner ersten Versuche: Im Frühjahr hat sich Traxler Mediterrane Weinbergschnecken zugelegt und ist damit gleich groß eingestiegen. 10.000 erwachsene und 8.000 Babyschnecken hat er aus Italien geholt. Und jetzt? Mittlerweile hat Traxler ein Mittel gefunden, wie die Schnecken im Gehege bleiben: Schweinefett mit Salz. Und, die Vermehrung hat in den letzten Monaten sensationell funktioniert. "Zigtausende Baby-Schnecken tummeln sich im Sommer-Quartier", so Traxler.
Ab ins Winter-Quartier
Die vielen tausenden Schnecken gilt es in den nächsten Woche einzusammeln und in ihr Winter-Quartier zu übersiedeln. Jede Menge Arbeit für Elke und Martin Traxler sowie Mitarbeiter Mike Searchfield. "Die Baby-Schnecken sind für den Winterschlaf noch zu klein, die Substanz würde nicht ausreichen, sie würden sterben. Ich versuche sie den ganzen Winter durchzufüttern", sagt Traxler. Also kommen die Babys in einen temperierten Raum und werden hier gehegt und gepflegt. Aber auch die mittleren und erwachsenen Schnecken gilt es vor dem ersten Frost in Sicherheit zu bringen – auch sie kommen ins Haus, machen ihren Winterschlaf im Schnecken-Kühlschrank.
"Die Winter hier in bei uns sind einfach zu kalt für die Mediterrane Weinbergschnecke, um draußen den Winterschlaf machen zu können. Sobald der erste Frost angesagt ist, müssen sie vorher in den Schnecken-Kühlschrank. Die erwachsenen Schnecken werden wir über den Winter hinweg verkochen und verkaufen, die mittleren sind dann nächstes Jahr fertig", erzählt der Züchter.
Schneckenfleisch wie Kalbfleisch
Apropos essen: Schneckenfleisch ähnelt jenem von Kalblfleisch. Je länger man das Fleisch in der Wurzelgemüsesuppe kocht, umso zarter wird es. Erst vor kurzem haben Elke und Martin Traxler in ihrem Restaurant "Pretulsaibling" das erste Mal Schnecken für ihre Gäste verkocht. "Alle waren begeistert. Auch Gäste, die viel in Frankreich Schnecken essen", freut sich Traxler. Auch die Leber der Schnecken gab es in Form einer Pastete zu probieren.
Für die Tötung der Schnecken gibt es klare Vorgaben: Sie müssen mindestens seit einer Woche im Winterschlaf sein, diesen kann man auch "künstlich" herbeiführen, bevor sie in heißem Wasser gekocht werden. "Ich lasse sie aber immer in paar Tage länger, um sicher zu gehen, dass sie wirklich gut schlafen", so Traxler.
Schneckenkunde
Und auch einige weitere interessante Fakten hat der Schnecken-Züchter parat: "Schnecken sind Zwitter, das ist ja noch eher bekannt. Erst beim Geschlechtsverkehr entscheidet sich aber, wer welchen Part übernimmt. Der Geschlechtsakt selbst dauert sechs bis neun Stunden, dabei stoßen sie einander einen Stachel in den Fuß", erzählt Traxler. Die Paarungszeit ist einmal im Jahr von Mai bis Juli. Die Schnecke legt dann 40 bis 60 Eier. Nach fünf bis sechs Wochen schlüpfen dann die Schnecken-Babys. "Die Schneckenhäuschen sind sehr klein und noch durchsichtig", erzählt er.
"Mürztaler Schneckengemüse"
Am liebsten fressen die Schnecken alle Arten von Gemüse, Obst und Kräuter. Zu den Lieblingsspeisen zählen Salat, Tomaten und geschnittene Äpfel. Gemeinsam mit dem Hönigsberger Valentin Riegler hat Martin Traxler ein eigenes Projekt initiiert, das auch von der Leader Region Mariazellerland-Mürztal gefördert wird. Unter dem Motto "Mürztaler Schneckengemüse" testet Riegler, er hat sich als Gemüsebauer selbstständig gemacht, welche Gemüsesorten für Menschen im Mürztal am besten gedeihen und welche Pflanzen Schnecken für ein qualitativ hochwertiges Futter brauchen.
Viel Aufwand, wenig Fleisch
Momentan sind Elke und Martin Traxler noch dabei, die Vorlieben der Schnecken weiter zu erforschen und auch Arbeitsabläufe zu optimieren. "Derzeit ist der zeitliche Aufwand für den Fleischertrag enorm. Für ein ordentliches Fleischgericht braucht man schon so rund 50 Schnecken. Aber wenn ich an die Anfänge der Saiblingszucht zurückdenke, damals habe ich für das Filetieren eines Fisches sieben Minuten gebraucht, heute bin ich bei eineinhalb Minuten", blickt Traxler positiv in die Zukunft. Es gebe noch viel über Schnecken und deren Verarbeitung zu lernen. Dazu möchte er demnächst auch einmal nach Frankreich reisen.
Ökologischer Kreislauf
Und was macht man mit den ganzen leeren Schneckenhäusern der gegessenen Mediterranen Weinbergschnecken? Sie dienen im Restaurant "Pretulsaibling" in Langenwang als Dekoration, Gäste nehmen sie auch gerne mit nach Hause oder "wir werden daraus dann auch Kalkmehl machen, denn das brauchen die Schnecken wiederum für die Entwicklung ihres Hauses", erklärt Traxler. Damit schließt sich der ökologische Kreislauf auch bei einer Schneckenzucht.
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