Landeshauptmann Stelzer im Interview
"Bei Kickl steht immer Hass im Vordergrund"

Thomas Stelzer ist seit 2017 Landeshauptmann in OÖ und schlägt am 26. September seine erste Wahl als amtierender Landeschef. | Foto: Land OÖ/Mayrhofer
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Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) schlägt am 26. September seine erste Wahl als amtierender Landes-Chef. Im BezirksRundschau-Interview spricht er über die niedrige Impfquote in OÖ, afghanische Flüchtlinge und Herbert Kickl.

von Thomas Winkler und Thomas Kramesberger

Das Rote Kreuz hat kritisiert, dass die Impfkampagne über den Sommer eingeschlafen ist. Im Bezirk Braunau gibt es die niedrigste Impfquote in ganz Österreich.
Stelzer: Ich habe keine Freude, dass wir beim Impfen an einem Plafond anstehen. Aber es bemühen sich natürlich alle nach besten Kräften, die Impfung so nahe und unkompliziert wie möglich an die Menschen zu bringen. Es gibt Angebote bei Fußballspielen, in Einkaufszentren und in Gemeinden, bei denen sich die Menschen derzeit am häufigsten impfen lassen. Das werden wir einfach konsequent und ständig weiter anbieten.

Oberösterreich ist ja bei vielem spitze, aber beim Impfen hinkt das Bundesland hinterher.
Es gibt nichts schönzureden. Wir haben kürzlich eine Studie gemacht, um die Gründe zu verstehen. Da ging es nicht um die harten Impfgegner, sondern um jene, die noch zu gewinnen sind. Da hat sich gezeigt, dass noch viel Aufklärung gemacht werden muss, speziell bei jüngeren Damen, die eine große Skeptikergruppe sind. Die Vorurteile, die da herumgeistern, müssen durch Fachleute entkräftet werden.

Muss man einen Impfgegner respektieren oder akzeptieren?
Nachdem es in Österreich keine Impfpflicht gibt, muss man akzeptieren, dass sich nicht 100 Prozent impfen lassen. Was aber klar sein muss, ist: Die Geimpften wird man bei zukünftigen Verschärfungen oder Vorschriften nicht mehr verpflichten können.

Also Ausgangsbeschränkungen sollen dann nicht mehr für Geimpfte gelten?
Ich hoffe, dass wir so scharfe Maßnahmen nicht mehr brauchen – nicht zuletzt, weil die Belegung der Intensivbetten nicht mehr so dramatisch ist. Wenn es Maßnahmen geben sollte, müssen die österreichweit sein, und jene, die geimpft sind, denen kann man keine Zusatzmaßnahmen mehr auferlegen.

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hat sich für das Ende der Gratis-Tests ausgesprochen.
Auch hier bin ich für ein österreichweit einheitliches Vorgehen. Der Präsenzunterricht ist ja für Kinder und Jugendliche extrem wichtig, deshalb müssen wir zunächst alles tun, um diesen aufrecht zu erhalten und da wird man noch eine Zeit lang die Tests brauchen.

Corona ist ja nicht nur für die Gesundheit, sondern auch für die Budgets des Staates relevant – Stichwort Kurzarbeit und Konjunkturprogramme. Sie waren früher als Sparfuchs bekannt, wann wird OÖ wieder zu einem Sparkurs zurückkehren?
Es sagen die Vernunft und der Hausverstand, dass man mit öffentlichen Steuergeldern vernünftig haushalten muss. Ja, wir verschulden uns zur Zeit, aber sobald die Krise überstanden ist, gehe ich davon aus, dass wir zu einer vernünftigen Haushaltspolitik zurückkehren. Einen gewissen Hoffnungsschimmer gibt mir das Wirtschaftswachstum, das viel stärker ist, als wir noch vor kurzer Zeit geglaubt haben.

Ist schon im nächsten Jahr eine Rückkehr zum Sparkurs vorstellbar – fünf Prozent Wirtschaftswachstum wären derzeit prognostiziert.
Das kann noch niemand verlässlich sagen. Aber wir werden die Krise irgendwann ausgestanden haben.

Thomas Stelzer ist seit 2017 Landeshauptmann in OÖ und schlägt am 26. September seine erste Wahl als amtierender Landeschef. | Foto: Land OÖ/Mayrhofer
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Es gäbe durchaus Bereiche, die mehr Geld bräuchten, wie etwa die Kinderbetreuung. Bei der Betreuungsquote der unter Dreijährigen ist Oberösterreich im Bundesländervergleich Schlusslicht.
Kinderbetreuung ist ein wichtiges Thema und eine große Herausforderung. Grundsätzlich ist die Kinderbetreuung eine Sache der Gemeinden, die organisieren das – das Land unterstützt mit Förderungen und Investitionen für den laufenden Betrieb. Klar ist, dass wir in diesem Bereich das Angebot steigern und auch die Öffnungszeiten ausweiten müssen. Entschieden wird es aber immer vor Ort in den Gemeinden.

Das Burgenland hat eine doppelt so hohe Betreuungsquote der unter Dreijährigen wie OÖ. Dort werden die Eltern doch nicht anders ticken?!
Nein, es muss auch weiter gehen. Aber vor Ort sind die Gemeinden zuständig, die organisieren die Kinderbetreuung je nach Anmeldungen und Bedarf.

Es gibt einen Arbeitskräftemangel – wäre da nicht Potenzial bei einem Ausbau der Betreuung, weil dann Frauen mehr Stunden arbeiten könnten?
Ja, selbstverständlich. Kinderbetreuung ist für das Kind, die Familie und auch für die Arbeitswelt wichtig. Auf der anderen Seite verlangt ein Ausbau der Kinderbetreuung auch mehr Personal, das muss man schon auch sehen.

Der Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel ist ja evident. Im Bund wird jetzt über eine Verschärfung für Langzeitarbeitlose gesprochen, also quasi Druck aufzubauen, damit sie eher Jobs annehmen.
Grundsätzlich setzen wir in Oberösterreich auf Initiativen, mit denen wir die Langzeitarbeitslosen fit machen und motivieren wollen. Wir haben gemeinsam mit der Arbeiterkammer etwa das Job-Restart-Programm vorgestellt ...

… das hat die Arbeiterkammer gerade kritisiert.
Ja, aber es ist gemeinsam ausgearbeitet worden. Zurzeit gibt es so viele offenen Stellen in Oberösterreich wie es Arbeitslose gibt, aber das kann man natürlich nicht eins zu eins gegenrechnen. Der Bogen, den man darüber schlagen muss, ist Qualifikation, Schulung und Steigerung des Selbstwertgefühls – und in diese Bereiche investieren wir sehr viel. Und wenn das System der Arbeitsmarktpolitik bundesweit überarbeitet wird, dann werden wir uns sicher einbringen.

FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner hat die „türkise Standortpolitik“ kritisiert, weil Sigi Wolf mit Steyr Automotive, dem MAN-Nachfolger, gleich in Kurzarbeit gehen musste. Fühlen Sie sich angesprochen?
Ich bin froh, dass wir für den Standort Steyr eine Lösung erreicht haben, und es einen neuen Eigentümer gibt. Das Problem mit den Halbleitern haben alle, nicht nur wir in Oberösterreich. Da müsste sich eigentlich die EU angesprochen fühlen, weil man es zugelassen hat, dass man von einer Region der Erde abhängig ist.

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Nochmal zu Herrn Haimbuchner, aber anderes Thema. Er hat kürzlich gefordert, das Schengen-Abkommen auszusetzen, weil Deutschland Flüchtlinge aus Afghanistan aufnimmt. Stimmen Sie ihm zu?
Wichtig ist, dass wir darauf hinweisen, dass Österreich in der Aufnahme von Asylwerbern in den letzten Jahren ganz vorne dabei war. Das gerät immer ein bisschen in Vergessenheit. Die EU muss konsequent mit diesem Thema umgehen, das betrifft sowohl den Schutz der Außengrenzen, als auch die Verteilung der Asylwerber innerhalb der EU.

Haimbuchner möchte ja die Grenzen zu Deutschland kontrollieren.
Es gibt alle Regelwerke, die EU müsste sich nur dazu aufraffen, die Regeln auch konsequent umzusetzen. Was Afghanistan betrifft, bin ich dafür, dass man in den Flüchtlingslagern der dortigen Nachbarländer menschenwürdige Zustände herstellt.

Sollte es die Chance geben, dass Kinder oder Frauen ausgeflogen würden – sollte Österreich sie aufnehmen?
Aus Afghanistan kommt derzeit niemand raus, und ich denke, dass Österreich genug aufgenommen hat und jetzt mal andere gefordert sind. Denn es geht auch um eine langfristige Integration von den Menschen, die bereits hier sind.

Es gibt auch ein umgekehrtes Problem: Was soll mit abzuschiebenden Afghanen passieren, die in Österreich straffällig geworden sind? Ihr Landesgeschäftsführer hat eine Sicherungshaft gefordert.
Es muss sich der Rechtsstaat selbst ernst nehmen, wenn jemand bei uns strafrechtlich verurteilt ist und nicht bleiben kann. Wenn man jemanden aus kriegerischen Gründen nicht abschieben kann, muss klar sein, dass diese Person nicht auf unsere Gesellschaft losgelassen wird. Da muss es ein System der Sicherungshaft – oder jedenfalls was juristisch Haltbares in diese Richtung – geben. Da kommt wieder einmal der Hausverstand ins Spiel, wenn jemand strafrechtlich verurteilt ist, muss sich die Gesellschaft auch schützen können.

Also würde jemand, der fünf Jahre Haft abgesessen hat und den man zehn Jahre nicht abschieben kann, dann 15 Jahre sitzen in Ihrem Modell?
Abschieben kann man auch nach dem Dublin-Abkommen, es muss nicht immer das Ursprungsland sein. Aber klar ist, der Rechtsstaat muss sich ernst nehmen. Wer nicht bleiben kann, darf auch nicht mit irgendwelchen Schlupflöchern bei uns bleiben.

Zur Infrastruktur, Landesrat Stefan Kaineder von den Grünen hat zuletzt gesagt: „Die geplante Linzer Ostumfahrung darf nicht gebaut werden“.
Wer einen realistischen Blick auf Oberösterreich hat, sieht, dass der Verkehr mitten in der Landeshauptstadt landet. Wenn man dann sagt, das soll bei steigendem Verkehrsaufkommen so bleiben, dann kann das niemand verstehen. Daher muss die Nord-Süd-Achse natürlich am Lebensraum der Großstadt Linz vorbeiführen. Wir haben von Seiten des Landes die Trassenfreihaltung gemacht und hoffen nun, dass das Projekt im Bund sehr ernst genommen wird.

Wann könnte das erste Auto auf der Ostumfahrung fahren?
Das kann ich nicht aus dem Ärmel schütteln. Aber generell brauchen wir eine Beschleunigung bei den Verfahren und den Umweltverträglichkeitsprüfungen.

Nochmal Landesrat Kaineder: Er fordert sinngemäß, dass OÖ endlich im Klimaschutz was machen müsste. Macht OÖ beim Klimaschutz nichts?
Viele andere Länder könnten sich beim Klimaschutz von uns was abschauen. Als ich aufgewachsen bin, war Linz eine dreckige Industriestadt. Heute ist es immer noch eine Industriestadt, aber mit sehr guten Umweltbedingungen. Oberösterreich hat den Umwelt- und Klimaschutz ernst genommen und kann etwas vorweisen. Jeder, der das Land OÖ vertritt, sollte das auch in den Vordergrund stellen und nicht kleinreden. Gleichzeitig müssen wir aber weitermachen, da die Ziele im Klimaschutz, die wir uns vorgenommen haben, wichtig sind.

Thomas Stelzer ist seit 2017 Landeshauptmann in OÖ und schlägt am 26. September seine erste Wahl als amtierender Landeschef. | Foto: Land OÖ/Mayrhofer
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Bei der Landtagswahl treten Sie erstmals als Landeshauptmann an. Man könnte sagen, es ist eigentlich eh schon alles klar: Sie bleiben LH, dahinter folgen FPÖ, SPÖ und Grüne. Ist eine mangelnde Mobilisierung eine Gefahr für die ÖVP?
Die Wahl ist an einem Sonntag und was bei dieser entschieden wird, gilt dann sechs Jahre lang. Es liegen sechs schwierige Jahre vor uns und wer mich weiter als Landeshauptmann möchte, der muss die ÖVP und mich wählen. Dafür werbe ich. Natürlich möchten wir stärker werden als bei der Wahl 2015, weil wir dann noch mehr Möglichkeiten haben, Oberösterreich wieder stark zu machen.

Sind 40 Prozent das Ziel?
Wir möchten stärker werden als beim letzten Mal. Es treten dieses Mal elf Parteien an und daher ist alles, was wir dazugewinnen, ein Erfolg. Wir wollen eine starke Nummer eins sein, die zum nächsten einen großen Abstand hat.

Können Sie sich mit allen im Landtag vertretenen Parteien eine Zusammenarbeit vorstellen?
Durch das Regierungssystem, den Proporz, sind wir das Zusammenarbeiten gewohnt. Aber, klar, wir werden mit allen, die in den Landtag kommen, Gespräche führen und dann schauen mit wem man das beste Programm ausmachen kann und ob auch die Personen passen.

Haben die Personen im Hintergrund auch einen Einfluss? Etwa ein Herbert Kickl, der ja derzeit FPÖ-Chef ist.
Bisher haben wir mit der oberösterreichischen FPÖ gut zusammengearbeitet, das ist auch eine andere FPÖ als die auf Bundesebene. Was der neue Bundesparteiobmann der FPÖ sagt, macht und tut – damit kann ich mich nicht anfreunden.

Ist die Kickl-FPÖ ein möglicher Koalitionspartner für die ÖVP im Bund?
Ich mische mich nicht in andere Ebenen ein. Aber wir haben auf Bundesebene eine Koalition, die die ganze Legislaturperiode arbeiten wird. Daher stellt sich die Frage nicht.

Ist mit Herbert Kickl ein Staat zu machen?
Was er sagt und wie er es sagt, und dass immer der Hass und das Niedermachen von anderen im Vordergrund steht, ist etwas, das ich nicht mag.

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