Karriere
Salzburg muss das gesamte Arbeitskräftepotential heben

- WKS-Präsident Peter Buchmüller, AMS-Landesgeschäftsführerin Jacqueline Beyer und AK-Präsident Peter Eder (v.l.).
- Foto: AMS/Tschandl
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Trotz einer historisch niedrigen Arbeitslosigkeit kämpft die Salzburger Wirtschaft mit Mitarbeitermangel und einem Rekordniveau an offenen Stellen. Jetzt müssen heimische Betriebe auf das gesamte Arbeitskräftepotential zurückgreifen und allen Personen eine Chance geben.
SALZBURG. Die RegionalMedien Salzburg haben bekannte Salzburger gefragt: "Wenn Sie heute eine Lehre beginnen würden, welche wäre das?" Wirtschaftskammer-Salzburg-Präsident Peter Buchmüller würde bei seinem erlernten Beruf bleiben, aber heute Lehre mit Matura machen wollen. Arbeiterkammer-Salzburg-Präsident Peter Eder würde heute seinen Lehrberuf wechseln. Welcher das dann wäre, erfährst du im Video:
1.899 Stellen unbesetzt
Gute Chancen auf eine Lehrstellen hätten sie alle, denn im Jahresschnitt 2022 konnten in Salzburg rund 1.899 Lehrstellen nicht besetzt werden, weil es zu wenig Bewerberinnen und Bewerber gegeben hat. Und das, obwohl der Anteil der jungen Menschen in Lehrausbildungen im vergangen Jahr deutlich gestiegen ist (+ 6,2 Prozent zu 2021).
Die Hitliste des Lehrstellenmarktes führt der Einzelhandel an; bei den Frauen gefolgt von Bürokauffrau und Friseurin, bei den Männer gefolgt von Mechaniker und der Ausbildungen in der Baubranche.
Je höher die Ausbildung, um so kürzer arbeitslos
Unterschätzen sollte man das Finden einer guten Ausbildungsstelle und des richtigen Berufes nicht, denn eine gute Berufsausbildung schützt vor Arbeitslosigkeit. Das belegen die Zahlen des AMS: "40 Prozent der von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen verfügen lediglich über einen Pflichtschulabschluss als höchste abgeschlossen Ausbildung", sagt Jacqueline Beyer, Landesgeschäftsführerin des Arbeitsmarktservice Salzburg (AMS).

- Jacqueline Beyer, AMS Landesgeschäftsführerin.
- Foto: AMS/Eva Giritzer
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Arbeitskräftepotential muss ausgeschöpft werden
Von der guten Arbeitslosenquote, die in Salzburg so niedrig sei, wie seit den 90er-Jahren nicht mehr, hätten 2022 auch Langzeitarbeitslose und ältere Menschen profitieren können. Der Rückgang an arbeitslos gemeldeten Menschen, die davor länger als ein Jahr arbeitslos waren, lag bei 43 Prozent. "Das zeigt, dass die heimischen Betriebe auf das gesamte Arbeitskräftepotential zurückgreifen und allen Personen eine Chance geben", sagt Wirtschaftskammer Salzburg-Präsident Peter Buchmüller.
Wandel bei der Einstellung zur Arbeit
Die historisch niedrige Arbeitslosenquote führt aber dennoch zu einem starken Mitarbeitermangel in der Wirtschaft und auch zu einem Rekordniveau an offene Stellen. Die demografische Entwicklung, Defizite in der Arbeitsmarktpolitik und ein Einstellungswandel zur Arbeit seien Schuld an der aktuellen Lage, so Buchmüller: "Stichwort 30-Stundenwoche und verstärkter Wunsch nach Teilzeitarbeit."

- WKS Präsident Peter Buchmüller
- Foto: Neumayr Fotografie/Christian Leopold
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"Das drückt unsere Wettbewerbsfähigkeit"
Insgesamt würden heute weniger Arbeitsstunden geleistet werden, als vor der Pandemie. Im dritten Quartal 2022 leisteten die Österreicher (Voll- und Teilzeit) tatsächlich im Schnitt 28,1 Stunden pro Woche, im dritten Quartal 2019 waren es 29,2 Stunden. Der Rückgang ist bei Männern (-1,7 Stunden) weit stärker als bei Frauen (-0,5 Stunden). Der Rückgang sei auf den steigenden Anteil von Teilzeitbeschäftigten und auf weniger Überstunden zurückzuführen, so Buchmüller.
„Wenn rund 4 Millionen Arbeitnehmer um eine Stunde kürzer arbeiten, entspricht das einem Rückgang um 120.000 Vollzeitkräften. Das wird zu einer enormen Herausforderung für die Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft."
WKS-Präsident Peter Buchmüller
Auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen
Bei den Gesamtarbeitsstunden gäbe es keinen Rückgang, widerspricht Peter Eder, Präsident der Arbeiterkammer Salzburg. Es seien einfach viele neue Arbeitsplätze geschaffen worden. Viele dieser neuen Arbeitsplätze würden mittlerweile von Menschen aus dem Ausland besetzt – "vor allem aus Ungarn, Deutschland, Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Rumänien", sagte Eder. "Mittlerweile beträgt ihr Anteil mehr als ein Viertel der Arbeitskräfte. In Beherbergung und Gastronomie stammen sogar fast 60 Prozent der Beschäftigten aus dem Ausland."

- Salzburgs AK-Präsident und ÖGB-Landesvorsitzender Peter Eder.
- Foto: AK/Neumayr
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Potentiale heben
Ziele müsse es sein, auch das restliche Arbeitskräfte-Potenzial in Salzburg zu heben. Dafür braucht es aus Sicht der Arbeiterkammer positive Anreize: „In der aktuellen Situation sollte in höherwertige Ausbildungen und individuelle Lösungen investiert werden", so Eder.
Kinderbetreuung als Schlüssel
Einig sind sich Buchmüller und Eder in der Notwendigkeit, die Rahmenbedingungen für Familien zu verbessern: „Mehr als die Hälfte der Frauen arbeitet Teilzeit. Ein Großteil von ihnen, weil es aufgrund von Betreuungspflichten nicht anders möglich ist. Ein Ausbau in der Kinderbetreuung und in der Pflege würde ihnen ermöglichen, die Stunden zu erhöhen", so Eder. Eine gratis Kinderbetreuung brauche es für Eder nicht, aber einen Ausbau der Plätze und eine Ausweitung der Öffnungszeiten. Geht es nach der Wirtschaftskammer soll der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung kommen.
Außerdem fordert die Wirtschaftskammer noch Folgendes:
- Neuordnung des Arbeitslosengeldes: Notwendig ist ein degressives, kostenneutrales Arbeitslosengeld, das anfangs höher ausfällt, dann aber geringer wird, um eine Arbeitsannahme anzustoßen.
- Keine Zuverdienstmöglichkeiten in der Arbeitslosigkeit.
- Verbesserungen bei der Rot-Weiß-Rot-Card. Die RWR-Card soll weiter liberalisiert werden.
- Flexiblere Arbeitszeitmodelle: Keine Arbeitszeitverkürzung, aber ein liberaleres Arbeitszeitreglement und mehr Flexibilität, um attraktive Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen.
- Rechtsanspruch für Kinderbetreuung: Um die Erwerbsarbeit für Frauen (und Männer) attraktiver zu machen, braucht es eine besser ausgebaute Kinderbetreuung.
- Weiterarbeit nach dem Pensionsantritt: So könnten etwa die Pensionsversicherungsbeiträge sowohl für Arbeitgeber als auch Pensionist:innen gestrichen werden.
- Salzburg sollte sich als Standort für qualifizierte Fachkräfte profilieren.
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