Virologe Klaus Vander
"Impfung schützt nicht vor Infektion, aber vor Intensivstation"

Viele Menschen sind unsicher, ob und wann sie am besten ihren Corona-Impfschutz auffrischen sollten. | Foto: stock.adobe.com/Symbolfoto/Ralf Geithe
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  • Viele Menschen sind unsicher, ob und wann sie am besten ihren Corona-Impfschutz auffrischen sollten.
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Verfolgt man die Strategie der Bundesregierung hinsichtlich des Pandemiemanagements scheint es fast so, als ob das Coronavirus Sommerpause machen würde. Tatsächlich sprechen die Infektionszahlen eine ganz andere Sprache. Was bedeutet also das Aus vieler Maßnahmen im Hinblick auf den nahenden Herbst? MeinBezirk.at hat die epidemiologische Seite im Interview mit dem Virologen Klaus Vander beleuchtet.

STEIERMARK. Die vom Bund in Sachen Corona getroffenen Entscheidungen und Maßnahmen haben sich seit Ausbruch der Pandemie streckenweise genauso "volatil" entwickelt wie das Virus selbst. Aktuellster Stand: Ab 1. August müssen positiv Getestete nicht mehr automatisch in Quarantäne.
Fakt ist, das Virus wird Teil unseres Lebens bleiben. Viele Fragen und Unsicherheiten stellen sich aber dennoch: Was wird im Herbst sein? Soll ich mich überhaupt noch impfen lassen – und wenn ja, wann am besten? MeinBezirk.at hat beim Virologen Klaus Vander nachgefragt. 

MeinBezirk.at: Wie sehen Sie aus epidemiologischer Sicht das Aus der Quarantäne? Riskant oder vertretbar?
Klaus Vander: Unter Berücksichtigung der aktuell günstigen Situation - hier gilt der Fokus nicht den Infektionszahlen, sondern der, mit einer Infektion assoziierten Krankheitslast – ist das Aus für die Quarantäneregelung eine zweckmäßige und vor allem plausibilisierbare Maßnahme.

Klaus Vander, Ärztlicher Direktor des Instituts für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie des KAGes, im Interview über die "Sommerpause" der Pandemie und den richtigen Zeitpunkt für die Impf-Auffrischung | Foto: KAGes
  • Klaus Vander, Ärztlicher Direktor des Instituts für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie des KAGes, im Interview über die "Sommerpause" der Pandemie und den richtigen Zeitpunkt für die Impf-Auffrischung
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Generell scheint – nicht nur vonseiten der Bundesregierung – eine starke "Pandemiemüdigkeit" eingekehrt zu sein. Die Infektionszahlen sind so hoch wie noch in keinem anderen Pandemiesommer und dennoch fallen alle Maßnahmen. Steuern wir damit nicht automatisch auf einen "heißen"“ viralen Herbst zu?
Hier muss man hervorheben, dass die derzeitige Situation eine entsprechende Deeskalation zulässt. Das unreflektierte Aufrechterhalten von vielen Maßnahmen, nur um sicher zu sein, ist aus langer Sicht weder zweckmäßig noch glaubwürdig. Derzeit verzeichnen wir in der Steiermark in Bezug auf die stationäre Auslastung einen Seitwärtstrend mit Auf und Ab, jedoch eine stabil niedrige Belastung des intensivmedizinischen Bereiches als Marker für die mit einer Infektion assoziierte Krankheitslast.

Thema Impfen: Auch hier gibt der Bund die Verantwortung immer stärker ab. Statt der allgemeinen Impfpflicht sollen sich nun die Gemeinden um die Durchführung der Impfkampagnen kümmern. Hat das aus Ihrer Sicht Chancen auf „Annahme“?
Ja, da wir im Hinblick auf die Akzeptanz der Bevölkerung uns von den "top down"-Maßnahmen wegbewegen müssen hin zu einem selbstverantwortlichen, niederschwelligen Versorgungszugang auf lokaler Ebene. Die inzwischen viel leichter administrierbaren Impfstoffe ermöglichen bzw. unterstützen diesen Trend.

Wie kann man die Impfmoral überhaupt noch hochhalten, angesichts dessen, dass das Virus mittlerweile in so vielen Facetten auftritt? Menschen, die geimpft sind, erkranken dennoch „relativ“ schwer und fragen sich, wozu dann die Impfung. Ungeimpfte sind positiv und merken es nicht einmal?
Hier gilt es an der Kommunikation einer realistischen und nachvollziehbaren Botschaft in Bezug auf das Impfen zu arbeiten. Es muss ganz klar ausgesprochen werden, dass die Impfung nur in einem eingeschränkten Ausmaß vor einer Infektion schützt, sehr wohl aber vor einem schweren Krankheitsverlauf. Kurz und griffig: Die Impfung schützt nicht vor Infektion, sehr wohl aber vor der Intensivstation.

Wie bei anderen Impfungen auch, geht es auch bei den Corona-Impfungen in Richtung eines selbstverantwortlichen, niederschwelligen Versorgungszugangs auf lokaler Ebene. | Foto: SALK/Doris Wild
  • Wie bei anderen Impfungen auch, geht es auch bei den Corona-Impfungen in Richtung eines selbstverantwortlichen, niederschwelligen Versorgungszugangs auf lokaler Ebene.
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Welche Frequenz würden Sie bei den Impfungen anraten? Wann soll sich wer wieder impfen lassen - anhand dreier fiktiver Beispiele?
Beispiel 1: 45-Jährige ohne Vorerkrankung mit 3. Impfung im Dezember 2021 und Genesenen-Status im Juli 2022
Beispiel 2: 72-Jährige mit Vorerkrankung mit 3. Impfung im Dezember 2021
Beispiel 3: 8-jähriges Kind, 2. Impfung im Dez. 2021 mit durchgemachter Infektion

Als subjektive Empfehlung würde ich hier wie folgt raten:
1) im Laufe des September
2) jetzt gleich
3) ungeachtet des Zeitpunktes der Infektion würde ich die Grundimmunisierung (3 Dosen) zeitnah komplettieren

Soll man noch auf die Einführung irgendwelcher in Aussicht gestellter Impfstoffe warten oder schnellstmöglich vor dem Herbst impfen gehen?
Abhängig von der individuellen Risikosituation bzw. dem individuellen Schutzbedürfnis würde ich dazu raten, nicht auf den „angepassten Impfstoff“ zu warten.

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