Welttierschutztag
Tierethik stellt das Tier in den Mittelpunkt

Am Welttag des Tierschutzes stellen wir uns die Frage, wie ethisch unser Umgang mit Tieren eigentlich ist. | Foto: Eric Ward / Unsplash
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  • Am Welttag des Tierschutzes stellen wir uns die Frage, wie ethisch unser Umgang mit Tieren eigentlich ist.
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Anlässlich des Welttierschutztages spricht Kurt Remele, ehemaliger Professor für Ethik und Gesellschaftslehre an der Uni Graz, im Interview mit MeinBezirk.at über die künstliche Trennung zwischen Mensch und Tier, Fortschritte und Verbesserungspotenziale im Bereich des Tierschutzes sowie die Frage, ob das Halten von Haustieren moralisch vertretbar sein kann. 

STEIERMARK. Vieles hat sich schon getan, viel ist aber auch noch zu tun. So könnte man den Status quo in punkto Tierethik wohl zusammenfassen.

Trennung zwischen Mensch und Tier?

Auf der Habenseite steht, wie Kurt Remele im Gespräch mit MeinBezirk.at erläutert, dass sich die vormals strenge Trennungslinie zwischen Mensch und Tier langsam zugunsten weicherer Übergänge aufzulösen scheint.

Der pensionierte Professor für Ethik und Gesellschaftslehre Kurt Remele verbucht es als Erfolg, dass man mittlerweile in der Ethik nicht mehr bestehen kann, ohne sich auch zu Tieren zu äußern.  | Foto: Suzy Stöckl
  • Der pensionierte Professor für Ethik und Gesellschaftslehre Kurt Remele verbucht es als Erfolg, dass man mittlerweile in der Ethik nicht mehr bestehen kann, ohne sich auch zu Tieren zu äußern.
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Während im größten Teil der Menschheitsgeschichte nämlich ausschließlich Menschen ein Bewusstsein oder eine Seele zugeschrieben wurde, hat sich seit den 1970er-Jahren in der akademischen Ethik die Auffassung durchgesetzt, dass viele Tiere leidensfähige Geschöpfe sind. Auch die meisten Tiere, die tagtäglich gegessen werden, können demnach nicht nur Schmerz, Leid, Lust oder Freude empfinden, sondern sind sich außerdem ihrer selbst bewusst.

Veganismus im Aufwind

Doch nicht nur im universitären Kontext, sondern auch in der breiten Bevölkerung hat sich in den letzten Jahrzehnten das Bewusstsein für die Leidensfähigkeit von Tieren erheblich gesteigert. Beispielhaft für wichtige Entwicklungen nennt Remele Tierrechts- sowie Tierschutzbewegungen, aber auch den aufstrebenden Vegetarismus bzw. Veganismus. Gerade in diesen Bereichen sieht der Ethiker, selbst langjähriger Vegetarier und seit mehr als sechs Jahren nun auch Veganer, dass sich im letzten Jahrzehnt viel verändert habe. 

Vegetarische und vegane Ernährungsweisen etablieren sich immer mehr. Diese Entwicklung beeinflusst auch das Angebot im Supermarkt: Die Anzahl veganer Ersatzprodukte hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. | Foto: Weninger
  • Vegetarische und vegane Ernährungsweisen etablieren sich immer mehr. Diese Entwicklung beeinflusst auch das Angebot im Supermarkt: Die Anzahl veganer Ersatzprodukte hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen.
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Diskussion um Tierexperimente und Kleidung

Großes Verbesserungspotenzial besteht dagegen im Bereich der Tierversuche, die der pensionierte Professor als "etwas retro" bezeichnet. Aus seiner Sicht sind Tierexperimente weder notwendig noch besonders zielführend, da sie mitunter auch falsche Ergebnisse liefern. Doch auch die Kleidungsherstellung, insbesondere die Pelz-, Leder- und Wollgewinnung, ist aus ethischer Sicht kaum vertretbar, da diese Prozesse vielfach mit starkem Tierleid verbunden sind. Gleiches gilt für die Verwendung von Tieren in Zoos, im Zirkus sowie bei bestimmten Sportarten.

Katze kuscheln, Schwein schlachten? 

Den Widerspruch, dass wir bestimmte Tiere liebkosen, während andere zur Schlachtbank geführt werden, erklärt Remele als kulturelle Entwicklung. Dass Unterschiede zwischen Schmusekatzen und sogenannten "Nutztieren" gemacht werden, ist vollkommen willkürlich, da beispielsweise Schweine als mindestens ebenso intelligent, sensibel und schmerzempfindlich gelten wie Hunde. Mit Blick auf eine zukünftige Geschichtsschreibung geht der Ethiker daher davon aus, dass Massentierhaltungen einmal als "großes Verbrechen der Menschheit" aufgefasst werden. 

Vertretbare Haustierhaltung? 

Inwiefern das Halten von Haustieren ethisch vertretbar ist, wird hingegen sogar unter Tierethikerinnen und -ethikern kontrovers diskutiert. Remele vertritt diesbezüglich die Auffassung, dass man nicht von heute auf morgen alle Haustiere freisetzen könne, weil diese aufgrund ihrer Zucht nah an den Menschen gebunden sind und in der Wildnis nicht zurechtkommen würden. Allerdings spricht er sich für ein Verständnis in der Tierhaltung aus, das den Mensch nicht als Eigentümer, sondern als Art Vormund betrachtet, der sich um das Tier kümmert.

Der Mensch nicht als Eigentümer, sondern als "Vormund" von Haustieren: Aus Sicht von Kurt Remele ein möglicherweise sinnvoller Zugang.  | Foto: Laura Berndl
  • Der Mensch nicht als Eigentümer, sondern als "Vormund" von Haustieren: Aus Sicht von Kurt Remele ein möglicherweise sinnvoller Zugang.
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Auf lange Sicht könnte jedoch durchaus überlegt werden, ob es sinnvoll ist, immer wieder neue Haustiere zu züchten. Dennoch sieht der Ethiker in der Haltung von Heimtieren auch ein gewisses Potenzial, da man sich so besser in Tiere einfühlen kann. Im Besonderen gilt dies für Kinder, die auf diese Weise eine Tierliebe entwickeln können.
 
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